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Sonntag, 10. März 2013

Ewiges Leben - mehr als nur ein Alptraum Lätare, 10.03.13, Reihe V

Text: Johannes 6,47-51
Liebe Gemeinde!
Ich weiß wirklich nicht, ob ewiges Leben etwas Schönes ist. In der Geschichte gab – und gibt – es immer wieder Menschen, die sich unsterblich machen wollten und machen wollen. Der römische Kaiser Nero, Karl der Große, Napoleon, Hitler oder Stalin, sie mögen als Beispiel für viele Kaiser, Könige, Politiker, Generäle stehen. Ja, die Erinnerung an sie, die sich selbst unsterblich machen wollten, die ewigen Ruhm ernten wollten, ist noch da. Auch nach Jahrzehnten, Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Aber der Preis für diese Unsterblichkeit in den Geschichtsbüchern und der Erinnerung der Menschheit war bei allen der Tod tausender, später dann von Millionen von Menschen. Und das eigene Leben konnten auch sie um keinen einzigen Tag verlängern. Es gibt Verrückte, die lassen sich nach dem Tod einfrieren, weil sie hoffen, dass in hundert oder zweihundert Jahren die Forschung soweit ist, dass sie Tote wieder auferwecken kann und dann wollen sie ewig weiterleben. Aber um welchen Preis? Ewiges Leben – das kann ja mit 13, 14 oder Mitte zwanzig eine tolle Perspektive sein, wenn man gesund ist, wenn man glaubt, noch alle Möglichkeiten vor sich zu haben. Ewige Jugend – mit möglichst wenig eigener Verantwortung, mit möglichst viel, was einem andere abnehmen, mit ganz viel von dem, was einem als Schönheitsideal vorgegeben wird. Ich finde es erschreckend, wenn Gesichter nicht mehr das Leben widerspiegeln dürfen und Falten haben dürfen, sondern wenn man glaubt, mit Mitte 40 noch wie zwanzig aussehen zu müssen und sich auch so benehmen zu sollen. Ewiges Leben als ewige Jugend – für mich ein Alptraum. Keine Verantwortung, keine Zuwachs an Lebenserfahrung. Jugend ist etwas Wunderbares – wenn sie Jugend sein darf und kein Dauerzustand sein muss, wenn Jugendliche sich von Erwachsenen unterscheiden dürfen und nicht Erwachsene ewige Jugendliche spielen. Und ewiges Altern – das will doch auch keiner ernsthaft. Also: wie ist das mit dem ewigen Leben? Was Jesus hier verspricht – auf den ersten Blick finde ich das erst einmal ziemlich fragwürdig.  Und auf den zweiten Blick auch. Was heißt denn eigentlich „ewig“? Ewig heißt zuerst einmal, keinen Anfang und kein Ende zu haben, immer da zu sein. Logisch denken lässt sich das nicht. Wir können uns Unendlichkeit nicht vorstellen. Das ist etwas, was eigentlich nur Gott als Eigenschaft zukommt. Wenn Gott größer ist als alles, was wir denken können, dann ist er eben auch größer als alles, was wir an Möglichkeiten haben, von der Zeit zu reden und zu denken. Vor jedem Punkt, den wir uns vorstellen können, war er schon da und nach jedem Punkt, den wir denken können, wird er auch noch da sein. Ewig eben. Wenn Jesus sagt: „Wer glaubt, hat das ewige Leben“, dann hört sich das wirklich seltsam an. Nicht Mensch, sondern wie Gott sein wollen, das ist das, was die Bibel von Anfang an als Sünde bezeichnet. Sünde ist nicht zuerst das geklaute Armband oder das Fremdgehen,
 Sünde ist, die eigenen Grenzen nicht anzunehmen und wie Gott sein zu wollen. Schon in der Geschichte von Adam und Eva erzählt die Bibel davon. Wenn Menschen wie Gott sein wollten und sich selbst an diese Stelle gesetzt haben, dann hat das immer zu Katastrophen geführt. In ganz große, wie man zum Beispiel bei Hitler und Stalin gesehen hat, aber auch in fast unsichtbare, ganz in unserer Nachbarschaft, wo ein Mann seine Frau, seine Schwägerin, seine Kinder aufs Übelste missbraucht hat, indem er sich als absolut höchste Autorität aufgebaut und widerspruchslose Verehrung verlangt hat. Und er bekam das alles, weil er massive Gewalt einsetzte.
Es ist also nicht automatisch was Tolles, was man einfach so hinnehmen sollte, wenn Jesus hier sagt: „Wer glaubt, der hat das ewige Leben.“ Ich glaube, es ist wichtig, sich klar darüber zu werden, dass mit ewigem Leben erstens keine banale Unsterblichkeit gemeint ist. Bis heute ist auch der frömmste Christ, den man sich vorstellen kann, gestorben. Und es ist auch nicht gemeint, dass man ewig in der Erinnerung von Menschen weiterlebt. Manchmal höre ich  bei Beerdigungen solche Sätze wie „Solange sich noch jemand erinnert, lebt der Mensch weiter.“ Aber wie traurig und ungerecht wäre es, wenn ewiges Leben an Erinnerungen geknüpft wäre. Dann hätte zum Beispiel Nero, der brutale Christenverfolger, doch Recht behalten und ganz viele heute längst vergessene Menschen, die unter Einsatz ihres Lebens im Stillen Gutes getan haben, wären die Loser schlechthin. Und ich glaube, dass es auch ziemlich traurig und falsch wäre, im ewigen Leben eine billige Vertröstung auf ein besseres Leben nach dem Tod zu sehen. Manchmal kommt es mir so vor, als würde für manche Menschen der Satz von Jesus „Wer glaubt, der hat das ewige Leben“ bedeuten: „hier geht es dir vielleicht schlecht, hier musst du wegen deinem Glauben leiden oder bist krank oder wirst gemobbt, aber nach dem Tod wird’s dir besser gehen, wenn du nur an Jesus glaubst.“ Ich will ja gar nicht ausschließen, dass da was dran sein könnte, aber Jesus redet hier im Johannesevangelium nicht erst von irgendeiner Zukunft. Er redet in der Gegenwart. Ganz überspitzt könnte man sagen: „Wer jetzt glaubt, der hat jetzt schon das ewige Leben“.
Es geht nicht nur um die Zukunft, es geht schon um die Gegenwart. Und zwar nicht nur in irgendeiner Vergangenheit, in der Johannes sein Evangelium aufgeschrieben hat, sondern auch im Jahr 2013. Vielleicht ist das ja ein sehr merkwürdiger Gedanken. Ewiges Leben schon jetzt. Ich glaube, dass wir nur weiterkommen, wenn wir uns die Bilder und Geschichten näher ansehen, die Jesus hier benutzt. Da ist die Geschichte von der Befreiung des Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei. Unterwegs in der Wüste gab es ganz konkrete Not und Hungererfahrung. Gott, so erzählt es die Überlieferung, hat diese Not ernstgenommen und mit seiner Hilfe wurde der Hunger gestillt. Manna nennt die Bibel dieses Brot, das die Menschen in ihrem körperlichen Hunger ganz konkret satt gemacht hat. Und das das körperliche Überleben gesichert hat. Hilfe zum Überleben in den Wüsten des Lebens – für mich etwas, das bis heute für Gott steht. Wo sind hier und heute die Erfahrungen von Wüste? Die Erfahrung, dass der Weg in die Freiheit ziemlich lang sein kann, dass Tag für Tag das Gleiche passiert, nichts vorangeht, dass Hilfe dringend nötig wäre?  Ganz unterschiedliche Erfahrungen können das sein. Vielleicht kommt dem einen manchmal die Schule wie eine Wüste vor, ein endlos langer Weg, das Ziel nicht vor Augen, weil das Gefühl da ist, dass die Mitschüler oder die Lehrer einen so gar nicht verstehen. Oder Erfahrungen im Beruf, wo man sich nach sinnvollen Veränderungen sehnt, danach, endlich seine Fähigkeiten einsetzen zu dürfen und man nur Druck spürt und die Angst, entlassen zu werden. Oder die Wüste einer Beziehung, die schon lange kaputtzugehen droht, wo man kein vernünftiges Wort mehr miteinander reden kann, wo nur Vorwürfe oder Schweigen sind. Oder die Erfahrung von Krankheit. Oder, oder, oder. Wüsten mitten im Leben. Und dann gibt es vielleicht auch die Erfahrungen, dass wie durch ein stärkendes Brot plötzlich neue Kraft da ist. Menschen, die einem die Augen öffnen, die zu einem stehen, die helfen, gute Gedanken, die Gott ganz konkret schenken kann. So, wie es die Geschichte vom Manna in der Bibel erzählt. Diese konkrete Hilfe, die Gott im Leben schenkt, ist wichtig. Aber Jesus verspricht hier noch mehr. Jesus erzählt von einem Leben, das diese Wüstenerfahrungen ganz hinter sich gelassen hat. Von einem Leben, in dem Zweifel, Not, Tränen und Trauer keine Macht mehr haben.  Für uns ein Traum. Aber ein Traum, der ganz konkret im Leben, Sterben und in der Auferstehung Jesu seinen Anhaltspunkt hat. Das, was Jesus gibt, ist zeitlich nicht begrenzt. Ewig also. Unser Leben wird keinen Tag länger dauern, egal ob wir an Jesus glauben oder nicht. Aber welche Macht der Tod über das Leben hat, das hängt eben auch davon ab, ob ich mich auf die Liebe Gottes, das konkrete Lebensbrot Jesus einlasse und mich von ihm stärken lasse.  Es geht im Glauben an Jesus darum, schon jetzt, schon hier in diesem Leben aus der Kraft heraus zu leben, dass der Tod keine endgültige Macht mehr hat. Nicht nur der Tod am Lebensende, sondern auch der Tod mitten im Leben. Jesus will Mut machen, die kleinen Schritte gegen diesen alltäglichen Tod zu wagen. Dort, wo einem erzählt wird, dass auf Schwache keine Rücksicht genommen werden muss, da ist dieser Tod mitten im Leben zu spüren. Dort, wo die Gesundheit von Menschen gefährdet wird, weil manche Lebensmittelproduzenten nur den Gewinn vor Augen haben. Dort, wo Geschöpfe gequält werden, weil Milch, Eier, Fleisch einfach nur billig sein sollen. Dort, wo Kinder und vor allem alte Menschen hauptsächlich als Verursacher von Kosten gesehen werden, dort ist der Tod mitten im Leben zu spüren.  Ein Wirtschaftswissenschaftler hat vor kurzem gesagt: „Wie gut eine Firma und ein Betriebsklima wirklich ist, zeigt sich daran, wie im Firmenalltag mit Kranken umgegangen wird.“ An viel zu vielen Stellen ist der Tod mitten im Leben zu spüren, die Herabsetzung von Menschen und von Gottes Schöpfung. Ich glaube, dass Jesus eben nicht nur von ewigem Seelenheil spricht, wenn er sagt, dass Glauben an ihn Anteil am ewigen Leben gibt, sondern dass er schon jetzt Anteil an dem gibt, was den Tod endgültig besiegt. Der Glauben an Jesus, das Vertrauen, dass sich in ihm wirklich Gott zeigt, gibt den Mut, schon jetzt umzukehren. Es anders zu machen. Niemandem wird das perfekt gelingen. Wir bleiben darauf angewiesen, dass Gott vergibt und vollendet.  Aber in diesem Bewusstsein könne wir schon Anteil haben an dem, was Jesus uns schenkt: Leben, dass sich nicht von der Angst leiten lässt, sondern Leben, das weiß: ich bin gewollt, geliebt, gehalten. wie anderes Leben auch. Und das nicht erst nach dem Tod, sondern schon hier und jetzt. Amen.

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