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Sonntag, 24. Oktober 2010

Das Böse und der Alltag - von kleinen und großen Kämpfen, 24.10.2010, 21. nach Trinitatis, Reihe II

Text: Epheser 6,10-17
Liebe Gemeinde!


Es ist ein ganz normaler Abend. Wie fast jeden Abend steht die Clique zusammen. Einer hat Bier organisiert, reichlich Bier. Tim steht dabei. Trinkt weniger als die anderen. Er spürt schon: Wenn das Bier alle ist, wird’s wieder ungemütlich. Irgendwas geht heute noch zu Bruch. Er hat keine Lust mehr, will heim. Doch die anderen sind an ihm dran. „Du gehörst doch zu uns! Mach mit! Du bist doch kein Opfer! Wenn du jetzt gehst, brauchst du nicht mehr wiederzukommen.“ Einfach so haut Stefan ihm eine rein. „Du Opfer, wehr dich!“ Und jetzt? Wehren? Mitmachen? Abhauen?

Es ist ein ganz normaler Abend. Herr Müller kommt nach Hause. Schlecht gelaunt. Die Arbeit macht ihm keinen Spaß mehr. Zwei, drei Bier hat er nach Feierabend mit den Kollegen schon gekippt. Ein paar Schnäpschen zum Entspannen können ja jetzt nichts schaden. Die Frau hat gekocht, er hat keine Lust dran. Es setzt die ersten lauten Worte, eine Ohrfeige. Der Sohn kommt heim, bringt eine 5 in Mathe mit, es wird laut, Gläser und Fäuste fliegen.

Ein ganz normaler Abend. Maxi kommt heim. Die Mutter steht schon in der Tür. „Die Polizei hat gerade angerufen. Du sollst morgen für eine Zeugenaussage kommen. Anna hat Jerome angezeigt, der soll ihr 50 Euro in der Schule geklaut haben, Geld für die Klassenfahrt. Jerome hat dich als Entlastungszeugen angegeben.“ Dabei hat Maxi gesehen, wie Jerome das Geld nahm. Lügen für den Freund, damit er nicht selbst das nächste Opfer wird? Was wird morgen? Ein ganz normaler Abend. Die Schmerzen von Frau Schulze sind unerträglich. Der Krebs hat sich im ganzen Körper ausgebreitet. Niemand ist bei ihr. Und da sind wieder die Gedanken: soll ich nicht einfach die letzten Kräfte zusammennehmen, zum Balkon gehen? Aus dem 6. Stock auf den Parkplatz, das müsste doch reichen! Ein ganz normaler Abend…

Ich kann auch schöne Sachen von ganz normalen Aben-den erzählen. Von einem Ehepaar, das gern miteinander isst und sich vom Tag erzählt. von einer Mutter, die nach einem langen eigenen Arbeitstag ihrer Tochter bei den Hausaufgaben hilft. Von einem Vater, der es sich nicht nehmen lässt, seinem kleinen Sohn abends noch eine Ge-schichte zu erzählen. Gott sei Dank ist das Leben auch so.

Aber es ist, manchmal auf viel zu viele Arten, oft genug auch ein Kampf. Ein Kampf gegen die feurigen Pfeile des Bösen, um es mal so auszudrücken, wie es der Schreiber des Epheserbriefs in der Bibel sagt.

Von Kämpfen, von einer Rüstung, von einem Abwehr-panzer erzählt dieser Brief. Ja, und ich glaube, dass wir Menschen das brauchen und es uns immer wieder wün-schen. Eine Rüstung, einen Panzer, der uns vor dem Bö-sen schützt. Manchmal kommt dieser Panzer fast von al-lein. Wer Böses erlebt, kann ganz schön hart werden. Wie eine Schale legt sich dieser Panzer um die Seele. Wenn ich geschlagen werde, dann wehre ich mich mit Gewalt. Das Opfer ist mir egal, so ist dann die Reaktion. Oder Betäubung, um den Schmerz nicht zu spüren. Alkohol, Drogen, die scheinbare Selbstbestätigung, jede Frau, jedes Mädchen aufreißen zu können oder mit jedem Mann Sex haben zu können. Auch so ein Panzer. Oder Zynismus, die Haltung „mir ist doch alles egal, jeder soll sich um sich selbst kümmern.“ Augen zu und durch. Jeder ist sich selbst der Nächste, mir hilft ja auch keiner. Lauter kleine und große Seelenpanzer. Die vor Bösem schützen sollen, die aber im Endeffekt das Böse nur reflektieren und dadurch verstärken.

Die Bibel, der Brief an die Epheser, redet von einer Rüs-tung, von einem Kampf, von Stärke im Kampf gegen das Böse. Der Glauben, der wird mit einem Abwehrschild gegen die Pfeile des Bösen verglichen. Ja, es wäre gut, wenn ich allen, die leiden, allen, für die die normalen Abende keine guten Abende sind, sagen könnte: glaubt an Gott, glaubt daran, dass er euch in Jesus Christus seine Liebe gezeigt hat – und schon erlebt ihr keine solchen inneren und äußeren Kämpfe mehr. Aber leider würde ich dann lügen. Auch Menschen, die fest an Gott glauben, werden schwer krank, schreiben schlechte Noten in der Schule, werden enttäuscht, enttäuschen auch mal andere, werden ausgenutzt und können schwach sein. Nein, der Glauben ist kein Panzer, der hart macht. Kein Angriffswerkzeig, das alle anderen platt macht. Sondern ein Hilfsmittel, sich den Kämpfen, denen wir nicht ausweichen können , zu stellen und sich durchzustehen, ohne kaputt zu gehen und ohne die Liebe zu verraten. Der Epheserbrief redet nicht von einem Glaubenskrieg gegen Andersgläubige, die niedergerungen werden müssten, auch nicht von einer Vernichtung anderer. Er redet zuallererst von dem Kampf zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Liebe und Hass, zwischen dem Wissen um das, was eigentlich gut und richtig ist und der Versu-chung, den anderen, falschen Weg zu gehen, weil der leichter aussieht. Wenn hier von dem Teufel die Rede ist, dann ist damit kein überirdisches Wesen mit Hörnern gemeint. Das griechische Wort, das hier steht und das im Deutschen mit Teufel übersetzt wird, heißt „Verwirrer, Durcheinanderwerfer“. Ja, es ist verwirrend. Nicht nur für Jugendliche. Lüge setzt sich oft scheinbar durch. Wer die Wahrheit sagt, steht oft als der Dumme da. Tricksereien, Schummeleien, das bringt weiter. Warum Geld für Downloads ausgeben? Warum bei der Steuer nicht ein bisschen Schummeln? Macht doch jeder! Wenn der sich nicht wehrt, ist er doch selber schuld, wenn er eins in die Fresse kriegt. Und fremdgehen? Einmal ist keinmal. Ist doch nur Sex! Ich glaube, jedem einzelnen fallen genügend eigene Beispiele ein. Die großen Kämpfe um das, was leben voranbringt, um die Wahrheit, um das Leben selbst, fangen oft genug klein und eher unspektakulär an. Und es sind diese viele kleinen Kämpfe um die Wahrheit, die müde machen. Und die vielen Gemeinheiten, Ausbeutungen und Ungerechtigkeiten, die viel zu viele an ganz normalen Abenden und auch Tagen erleben und aushalten müssen. Gott ist auf der Seite der Menschen, die ihre Schwächen und ihre Schwachheit eingestehen, nicht auf der Seite der Menschen, die mit Gewalt, Lüge, Hinterlist sich groß und andere klein machen. In Jesus hat er das gezeigt. Jesus hat im Garten Gethsemane, kurz vor seiner Kreuzigung, eingestanden, dass er sich schwach fühlt. Er hat keine Gewalt angewendet, auch als ihn Jünger mit Gewalt verteidigen wollten. Er hat sich dem gestellt, dass Menschen die Liebe ausrotten wollen, weil sie die Sprache der Liebe nicht so gut verstehen wie die Sprache gewalttätiger Macht. Aber er hat das nicht gemacht, um ein kleines Opfer zu bleiben, sondern weil das der Weg war, auf dem sich das Leben am Ende durchgesetzt hat. Jesus und seine Anhänger sollten vernichtet werden – in 200 Jahren hat das nicht funktioniert. Nicht Hitler, nicht Stalin haben die Oberhand behalten. Und in denen, die ihren Glauben leben wollten, waren am Ende auch nicht die mächtig, die Kreuzzüge gepredigt haben, sondern die, wie Elisabeth, wie Franz von Assisi, wie Martin Luther King und viele andere, die für den Frieden eingetreten sind. Gott ist kein Gott der Gewalt und des Krieges. Die Rüstung der Wahrheit, der Gerechtigkeit dient dazu, das Evangelium des Friedens weiterzutragen. Eben mit Wahr-heit und Gerechtigkeit und nicht mit Lüge und Unrecht und Unterdrückung. Stark müssen und können wir nicht aus uns selbst sein, sondern stark können wir, in aller Schwäche sein, weil Gottes Stärke der Liebe unsere Stärke ist.

Aber was hilft das, wenn ein ganz normaler Abend bedeutet, dass Gewalt da ist, Schmerzen, dass ich die Frage stellt, ob ich lügen soll, dass ich mich bedroht fühle? Was hilft das an diesen Tagen, an diesen Abenden, wenn ich mich elend und schwach fühle, wenn ich denke, ich würde mitmachen, Schluss machen, reinhauen, mich zudröhnen müssen, weil ich keine Liebe mehr sehe oder spüre, keine Zukunft, keine Hoffnung? Der erste Schritt zu neuer Kraft ist es, die eigene Schwäche nicht vertuschen zu müssen, sondern eingestehen zu dürfen und zu können. Der zweite Schritt kann sein, dass ich gerade in meiner Schwäche spüre kann, dass trotz allem die Liebe und Zuwendung Gottes da ist. Und das hoffentlich Menschen, für die normale Tage, normale Tage Gott sei Dank anders aussehen, mich in der Kraft, die ihnen Gottes Liebe gibt, stützen. Dass es Hoffnung gibt. Lüge wird nicht dadurch wahr, dass viel zu viele sie aussprechen. Gewalt wird nicht dadurch richtig, dass viel zu viele sie ausüben. Liebe verschwindet nicht dadurch, dass nicht alle Menschen lieben. Wir müssen nicht allein kämpfen. Gott will uns helfen.

Amen

Sonntag, 10. Oktober 2010

Ankommen - Ablegen - Auftanken - Anfangen - 19. Sonntag n. Tr., Reihe II, 10.10.2010

Text: Epheser 4,22-32
Liebe Gemeinde!


Komm rein! Macht es dir bequem! Zieh die Jacke aus, du musst nicht gleich wieder los. Du darfst einfach da sein. Erfrisch dich! Leg ab! Die Jacke, die Schuhe – voll vom Alltagsstaub. Leg ab – deine Traurigkeit, deine Sorgen. Fühl dich wie zu Hause. Und falls du dich zu Hause im Moment gar nicht gut fühlst – hier darfst du Pause davon machen. Leg ab, was dir im Moment Sorgen macht. Mach Pause vom Alltag. Erhole dich, erfrische dich, werde neu! Du bist willkommen!

Ich wünsche mir, dass Menschen – du, sie – so bei uns im Gottesdienst sitzen. Oder sonst in die Gemeinde kommen. Ich wünsche mir, dass ich so hier vorne stehe und predige. Nicht, weil ich muss oder dafür bezahlt werde. Sondern weil da einer oder zwei oder mehr sind, der sagt, die denken: „Schön, dass du davon erzählst, was du glaubst. Das hilft mir, selbst zu denken und regt mich an zu glauben.“ Ich wünsche mir, dass ich so hier vorne stehe, weil ich selber etwas geschenkt kriege, für mich, für meinen Glauben, für mein Leben, wenn ich meine Gedanken sortiere und sage und andere angeregt werden, mir ihre Fragen zu sagen, ihre Gedanken. Oder weil sie einfach kommen und neugierig sind. Und ich wünsche mir, dass Menschen da sind, die so kommen. Nicht, weil sie es müssen, sondern weil sie sagen: da ist mal eine Stunde in der Woche, in der ich einfach da sein kann. In der ich mit anderen da sein kann, ohne gleich reden oder irgendwas machen zu müssen. In der ich Zeit habe. In der ich loswerden kann, was meinen Alltag manchmal schwer macht. In der ich ablegen kann. Ich wünsche mir, dass es so ist. Frommer Wunsch – oder Wirklichkeit? Vielleicht nicht immer und vielleicht nicht bei jedem Wirklichkeit. Aber ich hoffe, dass Gottesdienste, Predigten, Gebet, die Art, wie wir hier auf dem Richtsberg Gottes Wort sagen und miteinander leben, dazu einlädt, sich zu erfrischen und neu, gestärkt zu werden. Das liegt nicht nur und nicht zuerst in meiner, deiner, ihrer Hand.

Menschen hören, sehen, fühlen ganz unterschiedlich. Es kann sein, dass Menschen aus der Gemeinde in Ephesus vor 2000 Jahren genauso wie Menschen heute den Bibel-abschnitt, den ich eben vorgelesen habe, vor allem so hö-ren: „Wenn du ein Christ sein willst, dann musst du dich nach folgenden Regeln richten“ - und dann kommen ja ganz viele einzelne Sachen wie nicht lügen, nicht stehlen, kein dummes Zeug reden und einiges mehr. Und mancher hört das vielleicht bis heute auch so: bevor du zu Gott kommst, musst du – und denkt dann bei sich, das schaffe ich sowieso nicht, dann gehöre ich halt nicht dazu. Aber am Anfang steht kein „Du musst“, das mir erstmal ganz viel auflegt, was ich vielleicht im Moment gar nicht alles tragen kann, sondern ein „Du darfst“ – ablegen, was los werden. „Legt den alten Menschen ab“ – gib ab, was Leben schwer macht.

Klar, auch das Ablegen von dem, was Leben schwer macht, kann zur Leistungsschau werden. „Bekenne doch endlich, was du schon alles falsch gemacht hast, posaune es raus, dass es jeder hören kann!“ Druck wird gemacht, sich sozusagen öffentlich auszuziehen. Manche ziehen sich aber auch gern aus und erzählen gleich allen ungefragt, wie schlecht sie waren und was sie alles Böses gemacht haben, um dann vielleicht allen zu zeigen, wie viel vom neuen Menschen sie schon angezogen haben und um richtig gut da zu stehen. Und es gibt sicher auch den Druck, der so aussehen kann: „Jetzt erzähl doch endlich, was dir auf dem Herzen liegt, sprich es aus, dann geht es dir besser. Mir kannst du doch alles sagen!“ Ablegen als Leistungsschau, die sich von den Selbstdarstellungen, die es sonst in der Welt gibt, nicht unterscheidet. Germany’s next Topchrist, Hessens nächster Superpfarrer, Marburgs Topgemeinde. Nein danke! Leistungsschau, das passt nicht zum Glauben. Die Botschaft, die Gott uns in Jesus geschenkt hat, heißt nicht: „Du musst dir alles erkämpfen und verdienen und vor anderen an der Spitze stehen.“ Sie heißt: „Für dich bin ich da. Dir gilt meine Liebe. Du darfst da sein!“ Vielleicht lädt ja ein Gottesdienst, in dem ich einfach denken, glauben, da sein darf, in dem ich nichts laut ausplaudern muss, sondern mit Gott und mit mir selbst ins Reine kommen darf, in der ich meinen Alltag ablegen darf, auch dazu ein, das, was mir im Alltag Leben schwer macht, auch an eigener Schuld, auszusprechen und abzulegen. Vor Gott und vor Menschen, die mir das Gefühl geben, dass ich ihnen vertrauen kann. Ablegen dürfen, was im Alltag Leben schwer macht – mit dieser Einladung fängt der Predigttext heute an. Und wenn da in der Übersetzung von Martin Luther, aus der ich eben vorgelesen habe, „erneuert euch aber in eurem Geist und Sinn“ steht, dann führt das ein wenig in die Irre. Wörtlich steht in der Sprache, in der Paulus oder ein Schüler von ihm diesen Brief geschrieben hat, lasst euch erneuern. Die neuen Kleider, die wir anziehen können, wenn wir die Kleider, die uns den Alltag schwer machen, abgelegt haben, sind ein Geschenk. Jesus schenkt sie uns. Gott. Er macht uns neu. Nicht wir selbst. Gott lässt uns nicht nackt da stehen. Er nutzt unsere Alltagsschwächen, unsere Ehrlichkeit beim Ablegen nicht aus. Eine Erfah-rung, die im Alltag Menschen untereinander leider nicht immer machen. Wer da Schwächen zugibt, wird oft genug bloßgestellt. Zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit. Lasst auch im Alltag die Geschenke Gottes sichtbar sein, trennt nicht künstlich zwischen einem Glauben für besondere Zeiten und dem Alltag, in dem angeblich un-umstößliche Gesetzte gelten. In dem das Recht des Stär-keren gilt. In dem der gilt, der keine Schwächen zeigt. In dem Menschen ganz schnell in Schubladen gesteckt und durch Vorurteile festgelegt werden. Macht es anders, gebt etwas von dem, was euch geschenkt ist, weiter. Ja, so kann man das hören und verstehen, was hier im Epheser-brief steht. Wenn wir hoffentlich nicht dem Missverständnis unterliegen, dass wir dadurch perfekt würden oder eine perfekte Welt schaffen könnten. Was mir an diesem Stück aus der Bibel so gut gefällt, ist der herrlich realistische Blick, den es für unseren Alltag hat. Auch die neuen Kleider, die Gott uns bereitlegt, werden im Alltag schmutzig. Auch noch so gute Gemeinden und Christen sind alles andere als vollkommen. Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst kein faules, dummes Geschwätz aus eurem Mund gehen; Bitterkeit, Zorn, Geschrei, Lästerung sei fern von euch. Der Apostel müsste das nicht schreiben, wenn die Leute perfekt gewesen wären. Die Frage ist doch nicht, ob ich als Christ zum Beispiel zornig sein darf oder nicht, die Frage ist, wie ich damit umgehe. Lasst die Sonne nicht untergehen über eurem Zorn. Lass dich nicht auffressen davon, bringe es wieder ins Reine – bei diesem Satz muss ich immer an meine Oma denken, die mir das wirklich für mein Leben mitgegeben hat. Seid aber unter euch freundlich und herzlich und – jetzt kommt das für mich Entscheidende - vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus. Ja, da wird deutlich, wie schnell der Alltag den neuen Menschen, die neu angezogenen Kleider wieder mit Staub belegt. Vergebung, das braucht oft mehr als nur einen Tag. Das braucht manchmal mehr Zeit, als uns lieb ist. Und das braucht immer auch von beiden Seiten die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen. Und damit es Vergebung werden kann und kein bloßes unter den Teppich kehren aus Bequemlichkeit wird, braucht es manchmal auch, dass die Schwere der Verletzung und der Enttäuschung erst mal eingestanden wird und ein Satz wie „Der andere hat mir so weh getan, das sich mir wünschen würde, er wäre gar nicht mehr da“ erst mal ausgesprochen werden kann. Ja, auch das darf ich sagen, ablegen und abgeben. Nur so kann ich erneuert werden. Nur wenn der Hass raus darf, der Zorn, kann Platz werden für die Liebe. Ja, unser neuer Mensch, unsere neuen Kleider werden im Alltag schmutzig, unansehnlicher. Aber wir dürfen kommen, wiederkommen, ablegen und uns immer wieder neue holen. Ich wünsche mir, dass ich nicht nur davon rede, sondern dass auch tue. Und ich wünsche mir, dass sich Menschen erfrischen lassen, gern ablegen, sich erholen, gestärkt in den Alltag gehen. Mit neuen Kleidern. Immer wieder.
Amen