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Samstag, 11. August 2012

Alles gut?! - 10. Sonntag n. Tr. (Israelsonntag), 12.08.2012, Reihe IV

Text: Jesaja 62,6-12
Liebe Gemeinde!


Am Ende wird alles gut! Genau das verspricht hier der Prophet, der Jesaja genannt wird, den Menschen, denen er lange vor unserer Zeit das gesagt hat, was ich eben vorgelesen habe. Die Stadt, die im Krieg zumindest teilweise zerstört wurde, wird wieder aufgebaut. Sie wird so etwas wie der Mittelpunkt der Welt, ein Anziehungspunkt für viele, viele Menschen, die sehen können, wie gut das Leben sein kann. Die Menschen in der Stadt werden in Frieden leben. Es gibt keine Ausbeutung mehr. Jeder wird mit seiner eigenen Arbeit genug zum Leben verdienen. Die Menschen in der Stadt werden erlöst sein. Die Stadt wird ein Vorbild für andere sein, alle werden die Stadt suchen wollen, weil man dort den Frieden mit Gott sehen und spüren kann. Am Ende wird alles gut! Aber wann wird das sein?

Ein Happy-End, das gibt’s ja mittlerweile höchstens noch in Filmen, die an der Grenze zum Kitsch stehen oder in wenigen Büchern. Wenn es im Film überhaupt ein Happy-End gibt, ahnt man doch meistens schon, dass das nur eine Durchgangsstation zu neuen Schwierigkeiten ist, eine kurze Pause, bevor in Teil 2, Teil 3 und Teil 4 neue große und kleine Katastrophen und Unglücke hereinbrechen. Am Ende wir eben nicht alles gut, zumindest nicht auf Dauer. Das lehren uns nicht nur Filme. Auch im wirklich gelebten Leben gibt es nicht für alles ein glückliches Ende. Auch Menschen, die ganz fest auf Gott vertrauen, werden krank, sterben manchmal einsam und mit Schmerzen. Auch Ehen von Menschen, die auf Gott vertrauen, können scheitern und nicht alle, die an Gott glauben, finden einen tollen Beruf oder sind richtig gute Schüler.

Am Ende wird alles gut?! – Da fällt einem mehr als ein Grund ein, vorsichtig zu sein und vielleicht auch zu den-ken: An dem Punkt hat sich der Prophet in der Bibel aber doch so ein bisschen geirrt. Vor allem dann, wenn man sich klar macht, welche Stadt es ist, die der Prophet da beschreibt und von der er so ein schönes Bild in der Zu-kunft entwirft. Es ist eine Stadt, die es heute noch gibt: Jerusalem. Heilige Stadt für Juden, Christen und Musli-me. Und seit Jahrtausenden eine Stadt, die auch für die Zerrissenheit der Menschen steht. Mehrfach wurden die Bewohner vertrieben und mit ihnen sollte der Glauben an Gott aus der Stadt getrieben werden. Im Jahr 70 wurde von den Römern der Tempel zerstört und etwas später wurde Juden verboten, die Stadt überhaupt zu betreten. Auch nach dem Ende der römischen Herrschaft war die Stadt immer wieder umkämpft, Zentrum grausamer Krie-ge, vor allem Muslime und Christen haben sich da durch Gewalt hervorgetan. Und heute? Bestenfalls herrscht in
 dieser Stadt angespannte Ruhe. Vom Frieden ist die Stadt weit entfernt. Und weit entfernt davon, ein Licht des Friedens und der Gerechtigkeit für die Völker zu sein. Muss man also sagen: „Nichts wird gut? Der Prophet hat sich geirrt?“ Das Festhalten an ihrem Glauben hat für die Juden fast in der Vernichtung geendet, von getauften Christen geplant und fast bis zu Ende getrieben. Die Reli-gionen, die sich auf den einen Gott der Bibel berufen, Ju-den und Christen allzumal, denen das erste, das so genannte Alte Testament gemeinsam ist, aber auch die Muslime, die im Koran ja eine Weiterentwicklung der Bibel sehen, diese Religionen lassen gerade in dieser Stadt wenig von der Hoffnung auf Frieden lebendig werden. Und Christen geben dabei manchmal ein besonders lächerliches Bild ab, wenn sich manche, wie es tatsächlich bis heute vorkommt, in der Kirche, die über dem Grab Jesu gebaut wurde, darum prügeln, wer wann Gottesdienste dort feiern darf und wer an welcher Ecke beten darf. Nach außen sichtbar ist nicht viel gut ge-worden. Muss man dann die Bibel als frommes Märchen-buch sehen, sollte man dann besser nicht mehr über diese Worte des Propheten, voller Hoffnung auf ein Happy-End predigen?

Sicher muss man kritisch mit solchen Worten der Hoffnung sein und man kann nicht einfach sagen: Wenn alle mal an Gott glauben würden, dann erfüllt sich das zu einhundert Prozent. Erstens macht der Prophet, der hier diese Wahrheit Gottes weitererzählt, seine schöne, hoffnungsvolle Ankündigung nicht davon abhängig, dass irgendwann mal alle an Gott glauben und DANN erfüllt sich die Verheißung, sondern er sagt: Gott wird Verheißungen erfüllen und DAS IST dann so schön, dass es ein lebendiges, attraktives Zeichen auch für die ist, die bis jetzt noch nicht an Gott geglaubt haben. Zweitens ist für mich die Tatsache, dass die Worten bis heute Juden und Christen wichtig sind und dass sie bis heute Menschen dazu anstiften, sich nicht mit einer gottlosen, unmenschlichen, unfriedlichen und ungerechten Gegen-wart abzufinden, sondern Hoffnung zu leben und für andere schon etwas von dem umzusetzen, was noch aussteht, ein Zeichen dafür, dass Glauben, Hoffnung und Liebe stärker sind als alle Gewalt und Unrecht und Krieg. An Gott zu glauben und seinen Versprechen zu vertrauen, heißt nicht, die Augen vor der Gegenwart zu zu machen, sondern in dieser Gegenwart im Vertrauen auf die Wirklichkeit Gottes zu leben. In dieser Gegenwart zu leben, zu handeln, Zeichen der Hoffnung zu entdecken. Und damit zu rechnen, dass die Gegenwart, die ja leider nur allzu selten echte Happy-Ends hat, eben nicht das letzte Wort für alles Leben ist.

Es bleibt die Frage, ob es als Grund der Hoffnung reicht, dass diese Verheißungen jahrtausendelang nicht unterzu-kriegen waren. Die Frage bleibt vor allem auch deshalb, weil sich Gottes Verheißung ja auf eine ganz konkrete Stadt, nämlich Jerusalem, und auch auf ein ganz konkre-tes Volk, das biblische Volk Israel, im Wesentlichen also unsere jüdischen Geschwister, bezieht. Und weder die konkrete jüdische Geschichte noch die Geschichte Jerusa-lems ist eine bruchlose Geschichte, die einfach immer weiter in Richtung Einheit mit Gott und „alles wird gut“ verläuft. Wäre es nicht einfacher, wenn die Verheißungen nur so ganz allgemein von einer Kraft sprechen würden, die da ist und wenn Gottes Liebe sowieso allen Menschen gilt? Warum sucht er sich dann ein Volk aus, noch dazu eins, das kleiner und schwächer als seine Nachbarn war und ist? Ich glaube, dass Gott hier deutlich machen will, dass er kein Allerweltsgott ist, bei dem alles irgendwie richtig ist, sondern dass Gott greifbar – und damit auch angreifbar ist. Gott zeigt den Menschen nicht irgendwie, was richtig ist, sondern er zeigt sich als Gott in Beziehung, der Menschen in Bewegung bringt. Im Zusammenhang mit unserem Predigttext geht es ja um die wahrgewordene Verheißung, dass die im Krieg Vertriebenen wieder in die alte Heimat gehen konnten. Lange davor ist es Abraham, der aufbricht und in seinem Aufbruch zum Segen wird, es ist die Befreiung aus der Sklaverei, der Weg in die Freiheit aus Ägypten ins gelobte Land. Später dann Jesus, der nicht einfach rumsitzt und wartet, sondern zu den Menschen geht – und die Menschen zu ihm. Es ist der Jude Paulus, der die Botschaft von Gott in die damals bekannte Welt trägt, der aufbricht, es sind viele andere mehr, die tatsächlich oder im übertragenen Sinn in Bewegung kommen und Glauben lebendig sein lassen. Und es ist die erstaunliche Wahrheit, dass selbst die Zerstreuung in alle Welt und die fast vollständige körperliche Vernichtung Gottes Volk nicht haben auslöschen können. Und diese Stadt, Jerusalem, ist bei allem Unfrieden bis heute ein Ansporn und Mahnmal, Verbindendes zu suchen, Frieden zu suchen. Gott ist kein Allerweltsgott, sondern ein Gott, der sich greifbar macht. In seiner Beziehung zu Menschen. Gott ist einer, der Menschen bewegt. In jeder Hinsicht.

Zwei Punkte aus dem Predigttext sind mir dabei noch be-sonders wichtig. Der eine Punkt ist der Anfang des Predigttextes. Da wird von Wächtern erzählt, die Gott in den Ohren liegen sollen, bis seine Verheißungen wirklich erfüllt sind. Gott lässt sich an seine Verheißungen erinnern. Wir Menschen dürfen das tun. Wir dürfen Gott in den Ohren liegen. Dann, wenn wir Zweifel daran bekommen, ob seine Verheißungen wirklich wahr werden. Hier wird nicht gesagt: „Haltet Ruhe, Gott macht das schon!“ – Sondern Gott ist ein Gott des Gesprächs, der Dialog – Gott in Beziehung. Und der andere Punkt ist, dass deutlich gemacht wird, dass jeder von seiner Arbeit leben kann. Das keine Ausbeutung mehr herrschen soll. Viel zu lange wurde und wird Ausbeutung von Menschen durch Menschen mit einem angelblich göttlichen Plan gerechtfertigt. Für mich ist gerade dieser Teil sehr aktuell. Für mich heißt das, dass auch Menschen in der Pflege nicht für Gotteslohn, also umsonst, arbeiten sollen, sondern gerecht bezahlt werden sollen. Dass Landwirte überall auf der Welt einen Preis für Milch, Getreide und anderes bekommen sollen, der ihnen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Viel zu oft leben wir auf Kosten der Landwirte in Deutschland und vor allem in Ländern der sogenannten Dritten Welt. Für mich heißt das auch, dass es nicht sein kann, dass Menschen ausgebeutet werden, nur damit wir in den rei-chen Ländern billige Textilien oder Elektronik bekom-men. Gottes Verheißungen haben Konsequenzen. Ich lebe das selber sicher nicht immer richtig. Aber es ist gut, dass uns die Bibel, Gottes lebendiges Wort, an seine Verhei-ßungen, die Hoffnung schüren und Konsequenzen für das Leben zeigen, erinnert – so, wie wir Gott auch daran er-innern dürfen. Alles wird gut - wird alles gut? Das weiß Gott und das gebe Gott und er gebe auch, dass wir ihm nicht zu oft im Weg stehen. Amen

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