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Samstag, 19. März 2011

Kontrolle ist gut - Vertrauen ist besser, Reminiszere, 20.03.2011, Reihe III

Text: Matthäus 12,38-42

Liebe Gemeinde!


Wir wollen Beweise haben! Wir brauchen Zeichen, die eindeutig sind. Sichere Zeichen, die man nicht lange interpretieren muss. Zeichen, die so sind, wie wir sie eigentlich erwarten. Die Forderung, die vor langer Zeit an Jesus gestellt worden ist und die ich eben als Predigttext vorgelesen habe, die ist vielleicht gerade heute hochaktuell. Angesichts der Erdbeben-, Tsunami und Atomkatastrophe in Japan, der eigentlich hier bei uns schon vergessenen Erdbebenkatastrophe in Haiti vor gut einem Jahr, der Bürgerkriege und Aufstände in Libyen und anderen Ländern Nordafrikas und Arabiens habe ich mehr als einmal gehört: Wenn es Gott wirklich geben würde, dann müsste er uns doch jetzt ein Zeichen geben, dass es ihn wirklich gibt. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass bei so viel Leid und Zerstörung das Leben wirklich einen Sinn hat und es sich lohnt, zu leben. Ich weiß es nicht und ich will auch nicht zu viel in Natur- und technische Katastrophen hinein interpretieren. Aber vielleicht steckt ja in alle dem auch ein Zeichen. Ein Zeichen dafür, zu akzeptieren, dass wir Menschen das Leben mit allen seinen Facetten, auch mit aller Technik, die hilfreich sein kann, nicht wirklich in den Griff bekommen und kontrollieren können. Ein Zeichen dafür, dass auch noch so viel Wohlstand und technisches Wissen das Restrisiko nicht zum Verschwinden bringen können. Ein Zeichen dafür, dass wir, trotz allem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt, das Leben nicht wirklich kontrollieren und risikolos halten können.

Wir wollen Zeichen, die eindeutig sind. Aber am liebsten so eindeutig, dass sie uns das bestätigen, was wir sowieso denken und glauben. Wir wollen Zeichen, die eindeutig beweisen, dass sich Leben, dass sich Risiko, dass sich Vertrauen und Glauben lohnen. Wir haben vielleicht auch Zeichen. Aber wenn wir sie nicht mit un-seren Mitteln und Maßstäben kontrollieren können, vertrauen wir ihnen nicht. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Ja, Kontrolle ist in vielem gut und wichtig. Ob es um die technische Sicherheit von Autos und Atomkraft-werken, um die richtige Abrechnung von Beihilfen oder auch nur die Einhaltung von Verkehrsregeln geht: Kontrolle ist wichtig. Aber sie kann Vertrauen nicht ersetzen. Ohne den Mut, Vertrautes loszulassen, ohne den Mut, auch ungewöhnlichen Zeichen und Hinweisen zu vertrauen, ohne den Mut, zu glauben und auch ohne Beweise zu lieben, ist Leben im Sinne Jesu, ist menschliches Leben nicht nur arm, sondern zum Scheitern veru-teilt. Nicht, dass ich jetzt so verstanden werde, dass Mut zum Risiko heißen würde, alles zu machen, was ich tun kann, ohne Rücksicht auf das Ergebnis. Mut zum Risiko zu haben heißt auch, den Mut zu haben, im richtigen Moment und auf scheinbare Vorteile verzichten zu können. Mut zum Risiko heißt auch, dem scheinbar wissenschaftlichen Wahn, dass alles, was gemacht werden kann, auch gemacht werden muss, entgegentreten zu können.

Die menschliche Sehnsucht, alles kontrollieren und im Griff haben zu wollen, ist nichts, was erst in den letzten Jahren aufgetaucht wäre. Dieser Wunsch nach Kontrolle und der Einordnung des Lebens und Glaubens in Kategorien, die ich selber im Griff habe, steckt für mich auch hinter dem Wunsch nach Zeichen, die eindeutig beweisen, dass Jesus von Gott kommt, so wie es die Predigtgeschichte von heute erzählt.
Bevor diese Geschichte erzählt wird, erzählt Matthäus, der das Leben von Jesus aufgeschrieben hat, davon, wie Jesus einen Mann mit einer gelähmten Hand und einen, der sowohl taub als auch blind ist, geheilt hat. Direkt davor. Wenn wir glauben sollen, dann wollen wir noch einen Beweis und noch einen Beweis und noch einen Beweis. Was ist das für ein Glauben, der nur das glaubt, nur dem vertraut, was den eigenen engen und begrenzten Vorstellungen und Möglichkeiten, etwas zu verstehen, entspricht? Glauben muss nicht unvernünftig sein. Aber ein Glauben, der Gott auf das beschränkt, was dem Menschen technisch machbar ist, ordnet Gott den Men-schen unter. Ein Glauben, der nur das glaubt, was ich mir sowieso gedacht habe oder was mir wissenschaftlich nachprüfbar bewiesen ist, ist nicht mehr als ein Rechenspiel, nicht bereit, die eigenen Voraussetzungen zu hinterfragen. Eine Liebe, die nur das liebt, was beweisbar ist, verpasst das Wesentliche an der Liebe. Ohne das Vertrauen, dass auch da, wo meine Kontrollmöglichkeiten versagen, Leben und Liebe möglich sind, wird Leben doch nur noch kalt und lieblos.

Jesus widersetzt sich der Forderung, immer mehr Beweise dafür zu liefern, dass sich der Glauben an Gott lohnt und dass der Weg, den Jesus zeigt, der richtige Weg ist. Wahres Leben gibt es nur um den Preis, Liebe und Vertrauen zu wagen. Ohne Netz und doppelten Boden und Garantie. Jesus redet von Zeichen und von Menschen, die das geschafft haben. Umzukehren, falsche Wege zu lassen, neugierig zu bleiben, nach Weisheit zu suchen, auch ohne Beweise und Absicherungen. Als böse und treulos bezeichnet Jesus die Menschen, die ihm in dieser Zeit begegnen. Ein Zeichen will er ihnen geben: das des Jona. Jona sollte den Einwohnern der Stadt Ninive im Auftrag Gottes sagen, dass ihr böser Lebenswandel zur Vernichtung führt. Jona will nicht, hat Angst, versucht, zu fliehen, wird ins Meer geworfen und überlebt, so erzählt es die Geschichte, im Bauch eines großen Fisches. Er geht nach Ninive, erledigt seinen Auftrag und die Leute lassen sich anrühren. sie erkennen ihre Fehler, büßen dafür und können weiterle-ben. Jesus sagt, dass er mehr als Jona ist. Auch er ruft zur Umkehr von falschen Wegen und zeigt die tödlichen Konsequenzen von menschlicher Überheblichkeit auf. Sein Zeichen ist das Kreuz – der Tod und die Auferstehung. Drei Tage im Tod gefangen. Ob die Men-schen verstehen und umkehren? Die Menschen aus Ni-nive, die Gott nicht kannten, die von Gott nichts wissen wollten, die hatten verstanden. Die haben ihre Chance zur Umkehr genutzt. Auch ohne Zeichen, nur auf die Worte von Jona hin. Sie haben vertraut, obwohl es un-bequem für sie war.

Dann ist noch von der Königin aus dem Süden die Rede, aus Saba, vermutlich im heutigen Äthiopien. Sie war neugierig, sie wollte mehr von Gott wissen. Sie hat sich aufgemacht, ist aus ihrer Heimat losgezogen in die Fremde. Salomo, der König, hat ihr von Gott, erzählt. Sie war offen für Neues, hat Weisheit gefunden, weil sie aufbrechen, vertrauen konnte, ohne vorher Beweise da-für zu haben, dass sich das Vertrauen wirklich lohnt.

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet die Menschen aus Ninive und die Königin aus dem Süden hier erwähnt werden. Jesus steht dafür, dass alle zu Gott kommen dürfen. Unabhängig von ihrer Vorgeschichte. Unabhängig von ihrer Herkunft. Nicht die, die glauben, dass sie Gott fest für sich, am besten für sich allein haben, sind die, um die es geht, sondern die, die es wagen, zu vertrauen, obwohl sie Schuld auf sich geladen haben oder von weit her kommen. Glauben ist kein Besitz, den man kontrollieren und beweisen kann, sondern ein Weg, Leben zu finden. Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser. Die Menschen, die von Jesus Zeichen gefordert haben, die wollten Gottes Liebe, den Zugang zu Gott kontrollieren und in ihrem Sinn und Verständnis regeln. Jesus macht deutlich, dass das nicht geht. Gott überrascht uns. Mir geht das manchmal mit den Konfis so. Da denke ich mir manchmal: wieso sind die eigentlich da. Die interessieren sich für nichts richtig, die reden dazwischen, die machen Unsinn. Hat wenig Zweck, die sollte man nicht konfirmieren, weil sie es nicht ernst meinen. Aber dann denke ich mir auch: Vielleicht verstehe ich nur die Zeichen nicht richtig. vielleicht hat Gott mit denen etwas vor, das ich im Moment einfach nicht sehen kann. Sie sind ja auch neugierig, sie fragen. Sie provozieren mich.

Die Zeichen richtig deuten, eindeutige Zeichen haben wollen, ja, das kenne ich von mir. Und wenn ich am Anfang von anderen gesprochen habe, die angesichts der Katastrophen Zeichen fordern, dann weiß ich bei den kleinen und großen Katastrophen, die ich wahrnehme, dass ich auch oft genug froh wäre, wenn ich solche eindeutigen Zeichen hätte. Auf Kontrolle zu verzichten, loszulassen, aufzubrechen und Gott zu vertrauen, dass er den Weg kennt und Wege zeigt, auf den Menschen glauben, lieben, leben können, trotz aller Katstrophen, das fällt nicht immer leicht. Auch mir nicht. Aber am Ende gibt es keinen anderen Weg als den, auf Vertrauen hin zu leben. Ohne Absicherung. Ohne Vertrauen werde ich Liebe, auch und gerade die Liebe Gottes, nicht finden.

Amen.

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