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Donnerstag, 24. Dezember 2009

Ich hab's doch nur gut gemeint - 1. Weihnachtstag 2009, Reihe II

Text: Titus 3,4-7
Liebe Gemeinde!
„Ich hab’ doch nur gut gemeint!“ Enttäuschung hat sich breit gemacht, wenn ich diesen Satz sage. In meinen Augen habe ich mein Bestes gegeben. Natürlich nicht für mich selbst, sondern für jemand anders. Meine Frau. Meine Eltern. Kon-firmanden. Aber die haben komischerweise gar nicht so rea-giert, wie ich mir das ausgemalt hatte. „Ich hab’s doch nur gut gemeint!“ – Vielleicht war dieser Satz ja heute Morgen auch schon im Himmel zu hören. Da meint es Gott gut mit den Menschen. Menschenfreundlich ist er. Er will uns Men-schen nicht länger damit quälen, dass wir die guten Regeln, die er für unser Zusammenleben gegeben hat, sowieso nicht richtig einhalten können. Er will uns nicht damit quälen, dass wir sowieso nicht gerecht werden können. Nein, er schenkt uns seine Freundlichkeit und Liebe. Und die schenkt er uns nicht irgendwie abstrakt, sondern in Jesus wird sie greifbar. Gott meint es gut. Er schenkt uns Liebe, er schenkt uns Gna-de und Vergebung, er schenkt uns Leben, das stärker ist als der Tod, er schenkt uns seinen Sohn. Wir feiern seinen Ge-burtstag, wir feiern, dass Gott uns freundlich entgegenkommt und uns liebt. „Ich hab’s doch nur gut gemeint“ – Ja, und dann gibt es gerade um dieses Geburtstagsfest der Liebe her-um Streit, Kriege, die immer noch nicht aufgehört haben. Menschen, die den Sinn dieses Festes in schöner Deko, gu-tem Essen und vielen Geschenken sehen. Menschen, die in diesen Tagen völlig verzweifeln, weil sie den Ansprüchen, die dieses Fest an die scheinbare Harmonie unter den Men-schen stellt, an das perfekte Leben, nicht genügen. Weil sie krank sind, allein, verzweifelt, abhängig oder, oder, oder. Menschen, die gar nicht mehr wissen oder gar nicht mehr wissen wollen, was da eigentlich gefeiert wird. Vorgestern war in der Frankfurter Rundschau eine große Doppelseite mit Zeichnungen von Grundschulkindern, die Weihnachten ge-malt haben. Ungefähr 30 Zeichnungen. Auf zwei Zeichnun-gen waren Engel zu sehen, eine davon stammt von einem türkischen Mädchen. Und nur auf einer einzigen eine Krippe. Auf allen Zeichnungen aber Tannenbäume, Rentiere, Weih-nachtsmänner und vor allem: Geschenkeberge. „Ich hab’ doch nur gut gemeint!“ – Ob im Himmel heute wohl Kater-stimmung herrscht? Ich glaube nicht.
Freundlichkeit und Menschenliebe, das ist es, was Gott durch Jesus in die Welt gebracht hat. Und dazu passt kein beleidig-ter Rückzug. Sie ist erschienen, so schreibt es der Titusbrief. Gott hat sozusagen den Vorhang weggezogen und hat sich gezeigt. Nicht als der, der Menschen schikanieren oder be-strafen will, sondern als der, dessen Liebe allen gilt. Als der, der durch Jesus alle Menschen einlädt, unabhängig von ihren Verdiensten. „Ich hab’s ja nur gut gemeint“ – wenn wir Men-schen diesen Satz sagen – und ehrlich gesagt, benutze ich ihn auch immer mal wieder, dann drückt sich darin Enttäuschung aus. Über andere, die nicht so sind, wie ich sie gern hätte. Und ein bisschen auch über mich. Darüber, dass ich es nicht geschafft habe, anderen das nahezubringen, was mir wichtig ist. Darüber, dass ich die anderen – meine Frau, meine Eltern, Kinder, wohl doch nicht so gut kenne, wie ich gedacht habe. Darüber, dass ich meine Grenzen ganz deutlich spüre. Von dieser Last der Selbstüberschätzung, von dieser Last der Freundlichkeit will Gott uns eigentlich befreien. Als aber er-schien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilandes, machte er uns selig – nicht um der Werke der Ge-rechtigkeit willen, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit“ – Die Selbstüberschätzung, es mit allen gut meinen zu können und für alle gut machen zu müssen, nimmt Gott von uns. Ich bin nicht für dich Mensch geworden, ich habe dir nicht meine Liebe gebracht, weil du eine Belohnung für deine Vollkommenheit haben solltest, sondern damit du als Mensch leben kannst und menschlich sein kannst. Gottes Liebe zeigt uns immer wieder sehr deutlich unsere Grenzen – weil wir genau sehen, wo wir eben nicht zur Liebe fähig sind. Jetzt könnte man natürlich auf die Idee kommen, dass es dann ja keine Rolle mehr spiele, wie wir auf diese Liebe rea-gieren. Wenn Gott uns doch sowieso liebt und unsere Liebe Grenzen hat, dann können wir uns doch zufrieden in unserem Leben und in der Welt, so wie sie ist, einrichten. Dann müs-sen wir es mit niemandem mehr gut meinen und wenn es je-mand mit uns gut meint, können wir das ruhig ignorieren, wenn es uns nicht in den Kram passt. Hauptsache, Gott liebt uns. Ja, Hauptschache, Gott liebt mich. Und Weihnachten ist es unabhängig davon, wie viele Kinder und Erwachsene noch wissen, warum wir das feiern und wie viele Menschen in den Gottesdiensten sind und wie glücklich die Menschen sind und wie viel Frieden tatsächlich auf Erden ist. Aber können wir wirklich so tun, als ginge uns das alles nichts an? Wir können, aber dadurch entgehen wir nicht dem, dass wir schon längst mit hinein genommen sind in diese Liebesbewegung, in diese Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes. Lasse ich die Liebe zu und damit auch die Hoffnung oder ignoriere ich das so gut ich kann. Darum geht es, auch an Weihnachten. Lasse ich zu, dass ich geliebt werde? Zur Liebe gehört ja auch mit dazu, dass mir vor Augen geführt wird, was nicht in Ordnung ist. Liebe ist ja nicht das Bedingungslose Gutfinden von allem, was der, der geliebt wird. Liebe, die keine Gren-zen zur Lieblosigkeit setzt, ist keine Liebe sondern sie ver-hindert, dass der andere am leben wachsen kann und im Le-ben Orientierung findet. Liebe ermöglicht Orientierung. Lass ich das zu oder bleibe ich lieber im großen Feld der orientie-rungslosen Beliebigkeit, in dem jeder machen kann, was er will: Ich bin okay, du bist okay, wir haben Weihnachten, da sind wir alle lieb und haben uns alle lieb und lassen uns an-sonsten schön in Ruhe. Alles ist richtig, nichts ist falsch – nein, das ist nicht das Geschenk, das Gott uns gemacht hat. Das ist nicht die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes. Gott gibt uns Orientierung – und damit Hoffnung, dass nicht alles so bleibt, wie es ist. Er zeigt uns ein Ziel, dass unser Leben in seiner Liebe hat. Wie diese Orientierung aussieht, darüber waren und sind Menschen immer wieder aneinander-geraten und an ihre menschlichen Grenzen gestoßen. In den Zeiten, in denen der Titusbrief geschrieben wurde – und ei-gentlich bis heute – sehen viele die Orientierung darin, dass Menschen in feste Ordnungen gebracht sind mit einem Oben und Unten. mit Menschen, die anderen, in Gottes Namen, sagen, wo es lang geht und solchen, die gehorchen müssen. Mit Männern, die das Wort Gottes verkünden und Gemein-den leiten und Frauen, die zuhören und sich um die Familie kümmern sollen. Im Namen Gottes. Andere sehen, seit diese Ordnungen Gott sei Dank fraglich geworden sind, die Orien-tierung darin, dass sie mit aller Gewalt versuchen, die Men-schenfreundlichkeit Gottes zu kopieren. Immer fröhlich, im-mer freundlich, immer lächeln – aber wehe, Menschen lassen sich davon nicht anstecken! Wehe, Menschen weigern sich, genauso zu leben, genauso zu glauben. „Ich hab’s doch nur gut gemeint! Ich war freundlich zu dir, ich hab dich so ge-liebt, wie dich sonst nur Gott leiben kann -wenn du anders bist, hast du die Liebe nicht verdient!“ Menschen sollen in bestimmte Richtungen zu glauben gezwungen werden, weil andere denken, sie wüssten genau, wie Gottes Liebe und de-ren menschliche Weitergabe auszusehen habe. Ich glaube, dass wir Weihnachten dann richtig gut feiern können, wenn wir uns davon frei machen, dass wir glauben, wir Menschen könnten die richtige Ordnung im Sine Gottes herstellten. Gott hat uns gezeigt, auch durch Jesus, auch durch seine Geburt im Stall, auch dadurch, dass die Hirten und nicht fromme Priester die ersten waren, die ihn sahen, dass seine Liebe immer wieder unsere Pläne durchkreuzt. Klar, wir Menschen können lieben und Freundlichkeit weiterschenken. Klar, „Ich hab’s doch nur gut gemeint“ – und manchmal hab ich’s ja nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht. Aber die Gnade liegt eben nicht darin, dass wir durch unsere Ordnun-gen oder unsere Taten die vollkommene und menschen-freundliche Welt Gottes herstellen könnten und müssten, sondern dass wir durch Jesus nicht nur die Bedürftigkeit der Welt sondern auch unsere eigene Bedürftigkeit sehen und annehmen können. Dass wir das, was wir können, weiter-schenken, auch Liebe, ohne dass wir Ansprüche stellen müss-ten. Die Gnade liegt darin, dass wir hoffen dürfen. Hoffen darauf, dass wir es nicht nur gut meinen müssen, sondern dass Gott es gut machen wird. Nicht nur mit uns, sondern mit er ganzen Welt, mit seiner Schöpfung. Die Hoffnung liegt darin, dass das, was Weihnachten seinen Anfang genommen hat, die Erscheinung der Menschenliebe Gottes, nicht durch Menschen kaputt gemacht wird, sondern sich durchsetzt. Dass nicht die Zerstörung der Schöpfung durch menschliche Gedankenlosigkeit, dass nicht die Zementierung er Armut in der Welt durch den Egoismus der Reichen, zu denen wir ja auch gehören, dass nicht die Zerstörung des Lebens durch Unmenschlichkeit, Egoismus und Krieg am Ende wirklich den Sieg behält, sondern dass der Anfang, den Gott gemacht hat, durch ihn und mit uns zu einem guten Ende führt, an dem sich da leben, Frieden und die Gerechtigkeit wirklich durchsetzen. „Ich hab’s doch nur gut gemeint“- auch mit me-iner Predigt. Aber Gott hat es längst gut gemacht. Nicht nur für mich, nicht nur für uns in unseren Kirche, sondern für alle Welt.
Amen

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