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Sonntag, 6. Dezember 2009

Geduld nicht verlieren?! - 2. Advent, 6.12.2009, Reihe II

Text: Jakobus 5,7+8
Liebe Gemeinde!
Eine Familie im Advent. Die Wunschzettel sind schon längst geschrieben. Neue Spiele für die Spielekonsole, DVDs mit tollen Filmen. Ein i-Pod, sollte es natürlich auch sein. Das Original natürlich, keine Kopie von einer anderen Marke. Klar, das Geld ist in diesem Jahr knapp, haben die Eltern ge-sagt. Teure Geschenke sind nicht drin. Nur Kleinigkeiten. Und dann kurz vor Weihnachten. Die Erwachsenen sind aus dem Haus, Einkäufe machen. Das Kind allein. Die Gelegen-heit ist da. Werden meine Wünsche erfüllt? Warum bis Weihnachten warten, wenn ich es jetzt gleich wissen kann! Die Neugier siegt. Im Schlafzimmer der Eltern, unter den Betten, auf dem Wohnzimmerschrank. Überall wird nachge-schaut. Nirgends ist was zu finden. Als letzte Idee kommt noch der Putzschrank in Frage. Und tatsächlich. Hinter den Eimern und Putzmitteln sind zwei Spiele für die PS3 und ein nagelneuer i-Pod. Super! Schnell noch alles so hinstellen, wie es war. Die Eltern sollen ja nichts merken. Und dann, ein paar Tage später, Heiligabend. Bescherung. Die Eltern, die lange für die teuren Geschenke gespart haben, schauen sich lächelnd an. Sie freuen sich auf die Freude und Überraschung des Kindes. Und das packt mit einem schlechten Gewissen aus. Wie kann ich jetzt Freude darstellen? So geht es ihm durch den Kopf. Ich muss mich freuen. Aber ich weiß doch schon längst was drin ist. Ob ich nicht doch hätte warten sol-len? Aber die Versuchung war doch so groß… Die Eltern wundern sich nur, warum ihr Kind, das sonst das Papier nie schnell genug aufreißen konnte, plötzlich so viel Geduld beim Auspacken hat.
Geduld. Dazu zwei Verse aus dem Jakobusbrief in einer neueren Übersetzung:
Geduldet euch nun, meine Schwestern und Brüder, bis Jesus kommt! Auch diejenigen, die vom Acker leben, erwarten die kostbare Frucht der Erde so, dass sie sich gedulden und auf den Regen im Frühling und im Herbst warten und darauf, dass frühe und späte Früchte reif werden. Geduldet euch! Stärkt das Denken, Fühlen und Wollen eurer Herzen, denn Jesus kommt bald!
Geduld. Die Zeit wird kommen. Mit der Geduld ist es aber so eine Sache. Wir leben in einer Zeit, in der alles sofort passieren muss. Nikoläuse, Weihnachtsgebäck und mehr werden ab September, spätestens aber im Oktober in die Regale ge-räumt. Im Dezember mag man sie fast schon nicht mehr se-hen. Wenn die Krankheit nicht schnell besser wird, wird der Arzt gewechselt oder das Medikament einfach abgesetzt. Nutzt ja doch nichts. Wenn das Kind nicht am Ende der Kindergartenzeit seinen Namen schreiben und einfache Wörter lesen kann, bricht die Panik aus. So wird es ja nie aufs Gym-nasium gehen, denkt man. Geduld. Dingen und Menschen Zeit lassen, sich zu entwickeln? Das scheint von vorgestern zu sein. Jedes Obst, jedes Gemüse das ganze Jahr über frisch auf den Tisch, notfalls von weit her eingeflogen. Die Zeit reif werden lassen – wer hat denn dafür noch Zeit? Rentner? Von wegen, die haben ja auch einen vollen Terminkalender. Wer Zeit hat, taugt nichts. Der arbeitet bestimmt nicht richtig! Und wenn sich doch mal eine Zeitlücke auftun sollte – Gott bewahre! – dann wird da Sporttraining oder irgendwas ande-res reingequetscht. Müßiggang ist schließlich aller Laster An-fang und Geduld doch nur eine Form davon, oder etwa nicht? Haben sie eigentlich noch Geduld mit mir oder warten sie drauf, dass ich endlich fertig werde? Geduld wird ja manch-mal auch überstrapaziert und missbraucht. Von Predigern. Während der Predigt läuft eben niemand einfach so weg. Aber manchmal auch viel dramatischer im Namen Gottes. Du musst Geduld haben, das ist alles eine Prüfung Gottes! Kran-ke kriegen so etwas durchaus mal zu hören. Geduld kann ein wichtiger Faktor sein, wenn es darum geht, wieder gesund zu werden. Oder wenn es darum geht, sich mit einer Situation, die nicht zu ändern ist, abzufinden und möglichst viel Gutes aus ihr zu machen. Aber wenn ich Geduld und Gott missbrauche, um anderen zu verbieten, sich zu beschweren oder meine eigene Faulheit, mich für sie einzusetzen, zu verde-cken, wird es schwierig. Es ist immer die Frage, wer von Geduld, die nötig ist, redet. Als Gesunder ist es leicht, von einem Kranken Geduld zu fordern. Als Reicher ist es leicht, einen Armen um Geduld zu bitten. Als Mächtiger, als Politiker, Befehlshaber, Chef, ist es leicht, von seinen Untergebenen Geduld zu fordern. Immer dann, wenn ich selbst nicht betroffen bin, muss ich mir dreimal überlegen, ob ich einem anderen zu Geduld raten kann.
Glaubhaft und glaubwürdig kann ich das nur tun, wenn ich selber gespürt habe, dass Geduld gut tut. Bevor die Aufforde-rung zur Geduld im Jakobusbrief kommt, die ich eben vorgelesen habe, geht es darum, dass Gott sehr wohl sieht, was Reiche und Mächtige Armen antun. Gott steht klipp und klar auf der Seite der Armen. Wo Unrecht ist, wo geklaut wird, wo der Wert von Menschen nach ihrer Kleidung und ihrem Schmuck gemessen wird, überall da ist Gott nicht zu finden. So steht es da in der Bibel. Für mich aktuell bis heute. Die Aufforderung, Geduld zu haben, heißt für mich nicht: Bleibt Opfer! Sie heißt: Passt auf, dass ihr nicht die gleichen Me-thoden anwendet und euch dadurch selbst ins Unrecht setzt. Ungeduld vernebelt oft genug die Sinne.
Wir Menschen sind auf Geduld angewiesen. Auch wenn es oft genug schwer fällt. Unreife Früchte, vor der Reife gepflückt, schmecken nicht und verderben vielleicht sogar den Magen. Warten, bis die Zeit reif ist – das fällt schwer. Aber Leben braucht Zeit. Und Geduld. Wir leben zum Beispiel von der Geduld, die Gott mit uns hat. Wenn Gott uns nicht durch Jesus immer wieder Vergebung und einen Neuanfang schen-ken würde – wer könnte dann überhaupt bestehen? Wir brau-chen uns doch nur einmal das anzuschauen, was Jesus als die Zusammenfassung aller Gebote uns mitgegeben hat: „Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst!“ Wenn ich ihnen jetzt aufzählen würde, wie oft ich bei anderen Menschen denke: „Gut, dass ich mit dem nichts zu tun haben muss“ – sie würden wahrscheinlich erst zum Kaffeetrinken hier raus kommen. Gott hat mit uns die Geduld, die wir miteinander und mit uns selbst oft nicht haben. Gerade auch mit uns selbst: „Ich muss das doch können! Alle anderen schaffen das, nur ich bin zu blöd!“ Mit mir selbst bin ich oft viel un-geduldiger als mit anderen. Gott sagt durch Jesus zu uns: „Du musst nicht alles von dir selbst erwarten, aber du darfst alles von mir erwarten!“
Geduld ermöglicht und festigt Beziehungen. Wenn Eltern Kindern nicht mit Geduld begegnen, werden sie nicht in Si-cherheit und Geborgenheit aufwachsen. Sie werden immer das Gefühl haben, nicht gut genug zu sein und nur dann was wert zu sein, wenn sie richtig funktionieren. Ohne Geduld kann Vertrauen nicht wachsen. Für mich gehört da auch das verhindern von Überraschungen durch Ungeduld dazu. Das Stöbern nach Geheimnissen und das Aufdecken um jeden Preis. Der andere – mein Mann, meine Frau, mein Kind, mein Vater, mein Freund… - lässt mir meine Geheimnisse. Er lässt zu, dass für alle Seiten schöne Überraschungen und Momente erst entstehen können. Ein tolles Gefühl, wenn es klappt. Liebe braucht Geduld. Wer ständig den neuen Kick sucht, wer einen Beziehung nach der anderen anfängt, Schluss macht, wenn der Alltag einkehrt, der wird nicht er-fahren und erleben, wie tief und haltbar Liebe sein kann. Wie viel Halt Liebe geben kann. Ohne Geduld werde ich haltlos. Beziehungen braucht Geduld, Liebe braucht Geduld, Vertrauen braucht Geduld – und nicht zuletzt braucht auch der Glauben Geduld. Zum einen, wie gesagt, natürlich die Geduld, die Gott aufbringt, mit der er uns nicht auf unsere Feh-ler, auf unser Versagen festnagelt. Zum anderen aber auch Geduld von uns Menschen. Jesus kommt bald – nach 2000 Jahren fällt es schon schwer, geduldig zu bleiben. In den letz-ten Jahrtausenden ist das menschliche Miteinander nicht un-bedingt besser geworden. Viel zu viel lässt uns das Warten auf eine Verwandlung der Welt schwer werden. Aber welche Alternative haben wir? Weg mit dem Vertrauen, weg mit der Liebe, bringt ja nichts und die Welt auch durch jeden von uns noch härter, egoistischer und schlechter werden lassen? Ist das wirklich eine Alternative? Ich glaube, dass Gott noch gute Überraschungen für uns bereit hält und wir uns etwas verderben, wenn wir alles erzwingen wollen. Geduldet euch! Stärkt das Denken, Fühlen und Wollen eurer Herzen, denn Jesus kommt bald! Amen.

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