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Montag, 8. Juni 2009

In den Spiegel schauen - 07.06.09, Begrüßung neue Konfirmanden

Text: 1. Kor 12,12-26

Liebe Gemeinde!
Was fällt euch, was fällt ihnen zuerst ein, wenn man fragt: „Was kannst du eigentlich gut?“ Fällt einem da zuerst das ein, was man wirklich gut kann? Oder fällt einem da erstmal das ein, was man alles nicht kann? Ich kann erstmal nur von mir reden. Meistens fällt mir erstmal alles ein, was ich nicht kann. Und ich glaube mal, dass es nicht nur mir so geht. Selbst wenn einem was einfällt, was man gern macht und gut kann: meistens traut man sich gar nicht, das laut und öffentlich zu sagen. Die meisten wollen ja nicht als Angeber dastehen. Und außerdem: selbst wenn man gern und gut Fußball spielt, gibt es viele, die es besser können. Selbst wenn man gut tanzt oder gut singt oder ein Instrument gut spielt: immer fallen einem viele ein, die es besser machen und können. Ob’s ums Backen oder Predigen, ums Zuhören und Ratschlag Geben oder ums Turnen, ums Rechnen oder ums Malen geht: den meisten fallen immer Leute ein, die das, was man selber kann, besser können. Die wenigsten trauen sich, so richtig zu dem zu stehen, was sie gut können. Aus Angst, als Angeber dazustehen. Aus Angst, von anderen ständig gesagt zu bekommen: aber der Marc oder die Jessica oder Herr Schulze oder Frau Müller können das doch viel besser. Manchmal auch ein bisschen aus Neid auf das, was andere können und man selbst gern können würde, aber nicht kann. Schade eigentlich. Schade, dass oft so viel Angst davor da ist, was zu sagen, zu machen und sich etwas zuzutrauen und zuzumuten. Schade, dass oft alle das Gleiche sein wollen oder machen wollen oder für wichtig halten.
Die Bibel ist ein ziemlich altes Buch. Und die Sprache hört sich auch nicht immer so ganz modern an. Manchmal traut man sich vielleicht gar nicht, in der Bibel zu lesen, weil man denkt, dass man das sowieso nicht versteht. Manchmal vergeht einem die Lust, weil die Sprache so kompliziert zu sein scheint. Schade, man verpasst was. Denn in diesem dicken, alten Buch stehen viele Gedanken, Geschichten und Ideen, die alles andere als unmodern sind. Zum Beispiel das, was ich eben vorgelesen habe und was in Konfer auch schon mal Thema war. Klar, heute spricht niemand mehr so wie Paulus geschrieben hat. Aber das, worum es geht, ist alles andere als unmodern. Paulus sagt eigentlich nichts anderes als „Lass dich nicht irre machen! Steh zu dem, was du bist und was du kannst. Versuche nicht, andere nachzumachen. Lass dir nicht einreden, dass das, was du kannst, weniger wert ist. Du bist wichtig. Mit dem, was du kannst.“
Ich finde das Bild, das Paulus hier benutzt, um klar zu machen, wie die Gemeinschaft, die durch Jesus geschenkt wird, funktioniert und ist, wirklich gut: ein Körper. Gemeinschaft durch Jesus ist etwas Lebendiges. Wie ein Körper halt. Das Entscheidende an dieser Gemeinschaft mit Gott, mit Jesus, ist nicht, dass sonntags der Pfarrer predigt und alle still sitzen und zuhören. Das ist vielleicht ein kleiner Teil davon, mehr nicht. Das Entscheidende ist auch nicht, dass andere so begeistert davon sind, dass Jesus sich um Kranke und Arme gekümmert hat und zum Beispiel nach Afrika oder Asien gehen und sich dort um Arme und Kranke kümmern. Das Entscheidende ist auch nicht, dass Menschen ihre kranken oder alten Nachbarn besuchen, weil sie so auch ihren Glauben ausdrücken oder dass sie handwerklich geschickt sind und sagen: „Mensch ich kann für die Gemeinschaft was Gutes tun und in der Kirche, in Kindergärten oder woanders Dinge reparieren!“. Das Entscheidende ist, dass eben nicht einer allein sein kann und einer allein alles machen muss, sondern dass sich erst durch die lebendige Vielfalt der verschiedenen Begabungen und Möglichkeiten so ein bisschen zeigt, was Gemeinschaft mit Jesus, was Glauben an Gott und Leben als Christ heißen kann. Weder die Thomaskirche noch die Elisabethkirche noch ein Kirche in Südafrika oder den USA, weder Ulrich Kling-Böhm noch Rainer Dorn oder Friedrich Leipi oder Feli oder Andreas aus der Konfergruppe sind für sich genommen das richtige Bild dafür und zeigen, was Christsein heißt. Erst da, wo alles zusammenkommen kann, wo Unterschiede bei den Einzelnen, bei den Gemeinden und Kirchen, sein dürfen und sein müssen, wo jeder seinen Platz findet, erst da fängt so etwas wie Gemeinschaft in und durch Christus an. Die Thomaskirche ist nicht die ideale Kirche. Aber ohne die Thomaskirche würde dieser Gemeinschaft was fehlen. Ich bin nicht der ideale Pfarrer. Aber ohne mich würde der Gemeinschaft was fehlen. Anna ist nicht die perfekte Konfirmandin. Aber ohne Anna würde nicht nur der Konfergruppe, sondern der Gemeinschaft was Wichtiges fehlen. Gemeinschaft mit Gott und durch Gott zu haben heißt nicht, dass alle gleich sein müssen oder gleich sein sollen, sondern dass alle gleich viel wert sind. Ich hoffe, dass sich das auch in unserer Gemeinde und in der Konfergruppe widerspiegelt.
Für mich ist das Bild vom Körper aber auch sonst ein gutes Bild: Wenn es nur wenige Körperteile geben würde, dann kämen ziemliche Monster heraus. Viele Augen, die zwar sehen und erkennen, was jetzt gerade wichtig ist, aber keine Hände, die das auch tun können. Viele Münder, die was Gutes und Richtiges sagen oder gut küssen können und so für die nötige Liebe sorgen, aber keine Füße, die einen vorwärts bringen. Und außerdem: erst dadurch, dass ich nicht von mir glaube, alles machen oder können oder für alles verantwortlich sein zu müssen, ist der Platz für andere da. Für andere, die anders sind, denken, reden handeln - und die gerade deshalb notwendig sind.

Das Bild vom Körper ist für mich so etwas wie ein gutes Mobbingvorbeugungsprogramm. Mobbing, das Schlechtmachen von anderen, das entsteht meistens dadurch, dass ich für mich zu wenig Selbstbewusstsein habe und neidisch auf das bin, was andere haben oder Angst davor habe, dass andere anders sind, weil ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Dass ich glaube, die anderen nehmen wir was weg. Oder dass ich bei denen etwas entdecke, was ich an mir nicht leiden kann und um das zu überspielen auf die anderen draufhaue, damit das niemand bei mir entdeckt. Gott hat MIR meinen Platz gegeben, um den muss ich nicht kämpfen. ICH bin wichtig. Mit dem, was ich kann - und das, was ich nicht kann, dafür sind dann andere da. Es ist gut, dass es Unterschiede gibt. Wenn ich das wirklich akzeptieren kann, ich glaube, dann wird es immer schwerer für Menschen, sich gegenseitig durch Mobbing das Leben schwer zu machen. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Auch in der Kirche, auch unter Christen, vermutlich auch unter Konfis.
Der Weg ist vielleicht aus deshalb weit, weil keiner von uns den Überblick hat. Das gehört zum Bild des Körpers mit dazu. Ich kann als Teil des Körpers mich nicht sozusagen verabschieden und mal schnell von außen schauen. Ich sehe immer nur einen Teil - und in diesem Teil sehe ich eben auch das besonders deutlich, was nicht schön ist, was mir an mir, an meinem teil nicht gefällt. Es ist wie mit einem Spiegel. Normalerweise sehe ich da nur einen Ausschnitt von mir. Und selbst wenn ich es durch raffinierte Konstruktionen schaffen würde, mich völlig von allen Seiten zu sehen: Alles würde ich nie erfassen. Meine Gefühle, die Art, wie ich auf andere wirke, das, was andere n an mir wichtig ist - das fehlt. Ich sehe immer nur Ausschnitte. Und da konzentriere ich mich manchmal zu sehr auf das, was mich stört. Ich nehme jetzt mal einen Spiegel. Wenn ich reinschaue: Die Nase ist nicht optimal. Ich hätte mich besser rasieren können. Pickel ist jetzt gerade keiner da. Wenn ich nach unten schaue: Abnehmen könnte ich eigentlich auch mal. Aber ich sehe eigentlich ganz freundlich aus. Immerhin. Wenn ihr jetzt Spiegel hättet - Was würdet ihr da sehen? Mit was seid ihr zufrieden? Mit was nicht?
Je nachdem, wie ihr den Spiegel haltet, und wie ihr gerade drauf seid, werdet ihr Sachen sehen, die euch gefallen und manches, was euch gar nicht passt. Nie den ganzen Menschen, immer nur einen Ausschnitt. Bei jedem Menschen gibt es mehr als man sieht. Und erst alles zusammen macht diesen Menschen aus. Jennifer oder Daniel, Calvin und Feli, Eduard oder Kata. Ich wünsche euch, den neuen Konfis, aber auch uns allen, dass ihr, dass wir in den Spiegel schauen können und zu dem, was uns da anschaut, Ja sagen können. Dass wir sehen, wo es in unserer Macht liegt, was zu verändern, und dass wir die Kraft haben, das auch zu tun. Und dass wir das, was wir nicht ändern können, aber auch anschauen und aushalten können. Nicht als perfekter Alleskönner, sondern als ein Teil, das seine Aufgabe hat, sind wir Teil der lebendigen Gemeinschaft, die Gott schenkt. Und ich wünsche euch und uns allen, dass der Blick in den Spiegel nicht selbstverliebt macht und man nur noch auf sich schaut, sondern dass der Spiegel immer klein genug ist, um über den Rand zu sehen und die anderen wahrzunehmen. Ich wünsche uns allen, dass wir unseren Platz finden und anderen ihren Platz gönnen und geben. In der einen Gemeinschaft, die Gott durch seine Liebe uns Menschen schenkt. In der es nicht nur Augen oder Ohren oder Münder gibt. In der es niemanden gibt, der unwichtig ist. Schaut in den Spiegel und schaut über den Rand. Zum Üben bekommt ihr gleich jede und jeder einen solchen Spiegel. Ich wünsche euch, den Konfis, viel Spaß bei dem, was ihr im Laufe des Konfijahres entdeckt. Bei euch und anderen. Und uns als Gemeinde und mir auch viel Spaß was ich, was wir mit euch entdecken. Ohne euch würde mir, würde uns allen etwas fehlen.
Amen

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