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Freitag, 6. Juni 2014

...mehr als ein Sommermärchen - Pfingstsonntag 2014, 08.06.14, Reihe IV

Nach langer Zeit mal wieder eine Sonntagspredigt: die erste in den Gemeinden meines Predigtauftrags in der Kirchengemeinde Dreihausen-Heskem, diesmal in Heskem und Roßberg. Und dann so ein Text... Das war nicht gerade mein Lieblingstext und es gibt sicher sehr viele "pfingstlichere" Texte!
Text: Römer 8,1+2+10+11 (Zürcher)


Liebe Gemeinde!
Wollen sie auch gern wissen, woran sie sind? Ich schon. Und ich glaube, viele wollen das. Ich habe das in der Schule erlebt. Obwohl ich jetzt seit 30 Jahren kein Schüler mehr bin, erinnere ich mich noch gut dran, dass mir Lehrer sehr lieb waren, die klare Ansagen gemacht und das dann auch durchgehalten und für alle gleich gehalten haben. Klare Ansage – klare Konsequenz. Im Guten wie im Schlechten. Und in den 20 Jahren, in denen ich selber unterrichtet habe, da habe ich auch gemerkt, dass Schülerinnen und Schüler einem nicht böse sind, wenn man klare Ansagen macht und die auch einhält. Wenn – dann. Und das für alle gleich. Ich erlebe das jetzt im Umgang mit Mitarbeitern, aber auch dann,  wenn es um Gesetze und Regeln geht. An die ich und andere sich im Alltag halten müssen. Wenn – dann: klare Aussage, das hilft, sich zurechtzufinden, das schafft Nachvollziehbarkeit und eine Form von Gerechtigkeit. Aber es zeigt Menschen dann auch ziemlich klar, was sie alles nicht können und nicht richtig machen. Und manchmal merkt man dann auch: So einfach ist das gar nicht, dass sich alles in Regeln fassen lässt. Es gibt nicht nur schwarz oder weiß, an oder aus, 1 oder 0. Die Welt ist weniger digital, statisch, vorhersehbar, planbar, als wir manchmal denken oder es gern hätten. Leben ist bunter, vielfältiger. Und „Wenn – Dann“, das lässt einen manchmal dann mit der Frage dastehen: „Ja, wozu gehöre ich eigentlich? Trifft das jetzt auf mich zu oder nicht?“
„Wenn – dann…“ – das will Klarheit, Gerechtigkeit, Nachvollziehbarkeit herstellen. Aber manchmal lässt es mich und jeden, der mit solchen Aussagen konfrontiert wird, mit Fragen zurück. Nicht alles lässt sich regeln.
„Wenn – dann…“ – manchmal lädt das aber auch zum Träumen ein. „Wenn ich erstmal konfirmiert bin, dann darf ich endlich abends auf die Kirmes“  - einer der Träume meiner Jugend. Heute sieht es vielleicht anders aus. Aber: „Wenn ich erstmal volljährig bin…., wenn ich erstmal einen tollen Beruf habe und richtig Geld verdiene…, wenn die Kinder endlich groß sind…,  wenn das Haus erstmal abbezahlt ist, …; wenn ich erstmal im Ruhestand bin…“ – Träume, Hoffnungen, Wünsche – Gott sei Dank lässt sich das nicht ausrotten. Schwierig wird es dann, wenn sie den Blick auf die Wirklichkeit verstellen und einen dazu verleiten, die Gegenwart, das was jetzt zu tun und zu lassen ist, zu vernachlässigen.
„Wenn – dann…“ – klare Ansage, klares Gesetz, das Menschen auch in Frage stellt oder Anlass zum Träumen? Was meint wohl Paulus, wenn er mit einigen „Wenn – Dann…“s an die Gemeinde in Rom schreibt? Wir hören einige Verse aus dem 8. Kapitel des Briefes an die Römer:

Lesen: Röm  8,1+2+10+11, Zürcher Übersetzung

Ich glaube, dass Paulus hier beides zusammenbringt: die klare Orientierung, die einem zeigt, wo’s langgeht und hilft, die aber auch manchmal anstrengend ist, weil sie auch zeigt, was auch bei mir nicht gut ist, wo ich mich anfragen lassen muss, ob das, was ich mache, richtig ist – und die Sehnsucht nach einer guten Zukunft. Der Traum von einem Leben, das wirklich gut ist, das noch nicht da ist, das aber mehr als nur ein Traum ist. „Wenn – dann“ – es ist noch nicht so weit, aber es kommt.
Leben ist spannend. Da ist einmal die Spannung,
die daher kommt, dass keiner von uns allem, was gut wäre, je genügen würde und an unterschiedlichen stellen immer wieder merkt, wie wenig perfekt er oder sie ist. Und da ist die Spannung, dass keiner von uns weiß, was die Zukunft bringt, dass aber Menschen immer wieder trotz dieser Unsicherheit hoffen, träumen und selbst in den schwierigsten Situationen den Mut nicht verlieren. Und genau das ist eigentlich das, was wir heute feiern, Pfingsten. Das ist das, wofür Gottes Geist steht: dafür, dass wir dieses spannende Leben nicht nur einfach aushalten – auch wenn das manchmal schon viel und in manchen Zeiten genug ist. Gottes Geist steht auch dafür, dass wir wirklich leben können. Leben, lieben, handeln, in der Gegenwart, ohne die Hoffnung auf das, was kommt, aufzugeben.
Paulus redet sicher mit alten Worten und mit Begriffen, die nicht so leicht sind. Geist, Gesetz, Sünde, Sterblichkeit, Tod, Leib. Keine leichte Kost, nichts, was Begeisterung hervorruft. Klar, auch ich würde mir Pfingsten mehr von dem wünschen,  was viele, ich auch, vor acht Jahren, als die Fußball-WM in Deutschland war, erlebt haben: Leichtigkeit, Sommermärchen, ansteckende Begeisterung. Aber ich finde, das ist ein gutes Beispiel: Seit 2006 wird bei jedem Großereignis versucht, die Stimmung von damals nicht nur zu wiederholen, sondern zu toppen. Und ich habe den Eindruck, dass das immer weniger gelingt. Die spontane Erfahrung, mit der niemand gerechnet hat, fehlt einfach. Begeisterung lässt sich nicht wirklich planen. Und so ist es eben auch mit Gottes Geist, mit Pfingsten. Begeisterung entsteht nicht, weil’s im Festkalender steht oder weil Paulus drüber schreibt. Und je weiter weg das alles zeitlich ist, desto mehr Alltag stellt sich zwischen uns und die erste Begeisterung. Aber das Wunderbare an diesem Geist ist, dass er unverhofft sein Wirken zeigen kann. Nicht an Pfingsten, nur weil’s im Kalender steht, vielleicht auch mal durch schwere Worte, wie Paulus sie hier benutzt, weil mir irgendwann mal aufgeht: das hat was mit mir zu tun. Aber wann und wie das passiert, das steckt in keinem von uns drin. Da haben wir, Gott sei Dank, nicht die Hand drauf. Und vielleicht sind es ja tatsächlich manchmal diese „Wenn-Dann…“ Dinge, die es „Klick“ machen lassen.

Wenn zum Beispiel von „Gesetz des Geistes“ und „Gesetz der Sünde und des Todes“ die Rede ist, dann ist schnell die Versuchung da, zu sagen: das eine ist Jesus, Neues Testament, Freiheit, das Gute und das andere das böse Alte Testament mit seinen vielen Regeln, die doch sinnlos sind. Aber es geht ja gar nicht um Regeln an sich. Regeln helfen, sich zurechtzufinden und Schwache zu schützen. Aber wenn ich nicht sehen will, dass Regeln auch mich vor meine Grenzen stellen und dass ich nicht durch das Einhalten von Regeln liebenswert werden kann, weil ich ja genau an diesen Regeln scheitere und anderen nicht gerecht werden kann, wenn ich stur nach Regeln beurteile und kein Gespür mehr für Zwischentöne habe, dann wird das Gesetz zu einem Gesetz des Todes.
Der Geist löst das Gesetz nicht auf, sondern hilft, mit den Spannungen zu leben, und den Menschen und das Leben nicht aus dem Blick zu verlieren. Für Christen in der Nachfolge Jesu ist nicht das Gesetz, die Regel Maßstab für die Liebenswürdigkeit eines Menschen, sondern jeder Mensch. Jeder, das zeigt Jesus, ist der Liebe wert und das ist der Maßstab, der dann auch im Beachten von Regeln und in Verlässlichkeit, wenn auch unvollkommenen, Ausdruck findet. Wenn ich dabei erkenne, dass auch ich Hilfe brauche, Erlösung nennt es die Bibel, und diese Hilfe, diese Liebe annehmen kann, dann werde ich wirklich leben und anderen helfen können. Nicht „Wenn ich die Gesetze einhalte, dann bin ich gut und was wert“ – sondern: wenn ich was wert bin – und das bin ich – dann kann ich auch mich beschränken lassen, damit andere ihren Wert nicht verlieren, dann kann ich nachvollziehbar und offen handeln und für mich auch die Regeln gelten lassen, die ich anderen auferlege. Aber woher weiß ich eigentlich, dass ich dazu gehöre und glaube? Gerade im Gespräch mit Schülern habe ich oft den Satz gehört: „Ich bin kein Christ. Erstens habe ich meine Zweifel und zweitens lebe ich ja nicht perfekt“. Aber gerade das macht ja einen Christen aus: dass er erstens weiß, dass er nicht perfekt im Handeln sein muss, um Gottes Geist zu haben und zweitens dass er durchaus auch zweifeln darf. Auf den ersten Blick scheint Paulus im Brief an die Römer mit den „Wenn – Dann“ Sätzen die Sicht der Schüler zu bestätigen. Wenn du dazugehörst, dann kriegst du deine Belohnung. Aber ganz am Anfang macht Paulus ja deutlich, dass er davon ausgeht, dass alle, denen er schreibt, dazugehören. Er schließt nicht aus. Du hast Gottes Geist schon. Dass ist die Botschaft von Paulus. Auch wenn er sich manchmal über Gemeinde und einzelne ärgert, auch wenn er ihnen viel vorwirft: immer wieder ermutigt er sie, das Geschenk, dass sie haben, anzunehmen und die Spannung, auch mit ihm auszuhalten.
Leben ist spannend. Im Miteinander von Menschen, im Miteinander mit Gott, mit seinem Geist. Gott sei Dank hängt Begeisterung nicht von einem Sommermärchen ab, nicht vom Kalender, nicht von Pfingsten. Aber Gott sei Dank schenkt er uns immer wieder Gelegenheiten, auf Entdeckungsreise zu gehen und seinen Geist zu spüren. Amen

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