Liebe
Gemeinde!
„Mein
Lohn ist, dass wenigstens einige gerettet werden!“ – So versteht Paulus das,
was er ehrenamtlich und mit dem Einsatz seines ganzen Lebens tut. Er lässt sich
seine Rettungstat nicht bezahlen.
Jetzt
gibt es ja ganz viele Arten, Menschen zu retten. Ich denke an die Männer und
Frauen, die sich ehrenamtlich in der Feuerwehr engagieren. Sie lassen sich aus-
und fortbilden, haben sicher hoffentlich auch oft Spaß an ihrer Sache, aber es
ist doch ihre Zeit, die sie einbringen und vor allem: Wenn es hart auf hart
kommt, bei Unfällen, bei Bränden, dann geht es oft bis an den Rand der eigenen
Körperkräfte und manchmal auch an den Rand dessen, was die eigene Seele
ertragen kann. Ich denke an Menschen, die sich ehrenamtlich in der
Nachbarschaftshilfe engagieren. Da geht es vielleicht nicht um körperliche
Rettung, aber manchmal ganz einfach auch darum, Menschen vor der Einsamkeit zu
retten oder davor, ein Leben fernab der vertrauten Heimat und Kontakte führen
zu müssen. Oder es geht darum, eine Familie am Rand des Zusammenbruchs zu
entlasten, weil jemand für die Kinder oder als Ansprechpartner da ist.
Ich
denke an Menschen, die sich ehrenamtlich in der Begleitung von Sterbenden, in
Hospizdiensten, in der Arbeit der Tafeln, in Deutschkursen für Flüchtlinge
engagieren. Ich denke an Ärztinnen oder Krankenpfleger, die ihren Urlaub dafür
opfern, in Ländern der sogenannten Dritten Welt Menschen, die sonst ohne
medizinische Versorgung wären, zu helfen und Leben zu retten. Wie gesagt, es
gibt viele Arten und Weisen, Leben zu retten. Und sehr, sehr viel geschieht,
ohne dass die Menschen, die zu Lebensrettern werden, Geld dafür erwarten und
bekommen. Ihnen nimmt man ihren Einsatz auch innerlich ab. Sie sind deshalb
glaubwürdig, weil sie keinen sichtbaren Vorteil aus ihrem Einsatz ziehen.
Ja,
Paulus hat recht: es erhöht die Glaubwürdigkeit, den Einsatz, weil man gepackt
ist und nicht, weil man sich einen Vorteil erhofft, wenn kein Lohn im Spiel ist.
Aber ich denke, dass Glaubwürdigkeit und Bezahlung nicht in unmittelbaren
Zusammenhang stehen. Klar, können Sie jetzt sagen, sie müssen das so sehen.
Pfarrer bekommen ja Geld für das, was sie tun. Und natürlich kann einen die gar
nicht mal so schlechte Bezahlung dazu verführen, auch dann noch den Glauben an
Gott öffentlich zu verkündigen und Kinder und Jugendliche zu unterrichten, wenn
der eigene Glaube sich vielleicht verabschiedet hat und nur noch Hülle ist.
Aber ich denke auch, dass andere, dass nicht nur eine Kirchengemeinde, sondern
alle Menschen, denen man begegnet, das schnell merken würden. Glaubwürdigkeit
hängt nicht in erster Linie an einer Bezahlung, sondern daran, dass Reden und
Handeln und eigenes Leben in Einklang stehen und da haben andere schon ein
Gespür für. Und ich will auch mal weg vom Blick auf den Pfarrer oder die Pfarrerin
allein, wenn’s darum geht, das Evangelium zu predigen. So, wie es verschiedene
Arten gibt, Leben zu retten – und davon ist die Verkündigung des Evangeliums
eine Art – so gibt es auch verschiedene Arten, das Evangelium zu predigen. Aber
was ist das eigentlich, das Evangelium?
Die
Verkündigung des Evangeliums ist mehr, als Predigten und Ansprachen zu halten
und in Bibelkreisen was Frommes zu erzählen. Das Evangelium zu predigen, das
heißt, durch Worte und Taten Menschen zu helfen, eine gute Sicht auf ihr Leben
zu gewinnen. Menschen sollen lernen, sich so zu sehen, wie Gott sie sieht: grundsätzlich
geliebt und angenommen. Dazu gehört auch, dass ich sehe, wo Fehler liegen. Nicht
nur Fehler, die andere gemacht haben, sondern auch Fehler, die ich selbst
begehe oder begangen habe – und Konsequenzen daraus ziehe. Fehler und Schuld müssen
nicht aufgerechnet werden, sind kein Grund, für immer zu verzweifeln. Sondern
ich kann ein Angebot Gottes sehen und annehmen, das in Jesus Gestalt gewonnen
hat: das Angebot zu Umkehr und Neuanfang. Und ich darf wissen: das Angebot
verfällt nicht. Ich kann scheitern, ich werde scheitern – und dennoch wird mir
ein Neuanfang geschenkt, dennoch bleibt die Liebe, die mir geschenkt ist,
stärker. Gerechtigkeit für die Schwachen, neues Leben für die Benachteiligten.
Vertrauen ins Leben. Eine lebendige Beziehung zum lebendigen Gott. Darum geht
es. Und das alles wächst nicht nur durch gute Worte, sondern auch durch gutes
Handeln – und da, wo es nötig ist, auch durch professionelles Handeln. Manchen
geht durch schöne und gute Musik in der Kirche oder mit guten Texten das Herz
auf. Manche erfahren das durch fachlich gute Hilfe in verschiedenen Einrichtungen
der Diakonie. Manche in einer tollen Jugendarbeit und auf Freizeiten. Alles
aufzuzählen würde viel zu lang dauern. Ein wesentlicher Zug der frohen
Botschaft ist auch die Botschaft der Gerechtigkeit. Gerechtigkeit hört nicht bei denen, die in
Wort und Tat Evangelium leben und verbreiten, auf. Auch ein Mensch, der um
Gottes und der Menschen willen sich einsetzt, ist seines Lohnes wert.
Ausbeutung unter dem Deckmantel des Wahrens der Glaubwürdigkeit kann und darf
nicht sein – dann wird die Botschaft selbst auch unglaubwürdig. Wie gesagt, es
geht nicht darum, wie viel Geld Pfarrer verdienen dürfen oder müssen oder
sollen oder ob sowas nicht besser ehrenamtlich gemacht werden soll. Es geht um
die vielen Menschen, die sich, egal ob mit oder ohne Bezahlung, für das
Einsetzen, was Evangelium, frohe Botschaft, heute ausmacht. Und da ist es gut, wenn
in der Jugendarbeit, der Kirchenmusik, den Küsterdiensten, der Diakonie und vielem mehr auch durch eine
halbwegs gerechte Bezahlung gezeigt wird: wir erkennen an, dass ihr wirklich
gute Arbeit tut, weil ihr euch habt ausbilden lassen, weil ihr euch
verpflichtet habt, verbindlich da zu sein, weil man sich auf euch verlassen
kann.
Wenn
Paulus heute leben würde, würde ich gern mit ihm mal darüber diskutieren. Ich
würde mich aber auch gern bei ihm bedanken. Für Sätze und Aussagen wie „den Juden bin ich wie ein Jude geworden,
damit ich die Juden gewinne.
Denen, die ohne
Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden – obwohl ich doch nicht
ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi –, damit ich die,
die ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden,
damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf
alle Weise einige rette.
Danke
dafür, dass es eben nicht Verrat an der guten Sache und der klaren Botschaft
ist, wenn ich mich in andere hineinversetzen kann und ihnen Wege öffne, wie sie
verstehen können. Es geht darum, nicht die eigene Herkunft oder Bildung oder
Vorlieben oder den eigenen Musikgeschmack oder die eigene Frömmigkeit mit DEM
Evangelium zu verwechseln, sondern hinzuhören, hinzusehen: was braucht der
andere, um die gute Botschaft, das gute Angebot Gottes sehen, hören, verstehen
und annehmen zu können? Jugendliche sehen die Welt anders als Erwachsene. Gott
sei Dank. Und es ist ein Unterschied, ob ich unter lauter Großstädtern bin oder
von daher komme, oder ob ich auf dem Land meine Wurzeln habe und lebe. Es ist
ein Unterschied, ob Menschen aus Familien stammen, in denen Bildung und Kultur
und Musik und Lesen immer eine große Rolle spielte oder ob das alles im Leben
bisher nicht wichtig war, den Eltern nicht, den Großeltern nicht und dem
Menschen vor mir nicht. Es kommt nicht darauf an, die gute Botschaft irgendwie
zu verpacken, sondern sie so zu erzählen, und damit meine ich auch: so zu
musizieren oder so in die Tat umzusetzen, dass der andere, egal woher er oder
sie kommt, es auch verstehen kann und für sich entdecken kann. Nicht verpacken,
täuschen oder tricksen, sondern übersetzen. Ich finde, dass das eine tolle und
frohe Botschaft ist, die Paulus hier herausstellt: wirklich nichts, keine
Herkunft, keine Vorliebe, kein familiärer Hintergrund, keine Bildung und kein Beruf
trennen uns von der Liebe Gottes. Und als einer, der diese Botschaft für sich
als wichtig erkannt und angenommen hat, da ist es dann sowohl die Freiheit als
auch die Aufgabe, diese Botschaft immer wieder so zu übersetzen, dass der
andere sie verstehen kann. Andere müssen sich nicht mir und meinem Verständnis
von Glauben und Gott anpassen, sondern mein Verständnis darf sich auch von dem,
was andere mitbringen, anfragen und bereichern lassen. Wir sind auf der einen
Seite natürlich an das Evangelium, an die gute Botschaft der Liebe Gottes zu
allen Menschen und der Einladung, von falschen Wegen umzukehren, gebunden. Aber
wir sind so frei, diese frohe Botschaft immer wieder neu, zeit- und
menschengemäß, zu erzählen, zu musizieren, in Taten umzusetzen. So, dass andere
sie erkennen und entdecken können. Aber, und das finde ich wichtig und entlastend,
Paulus macht dabei die Grenzen von uns Menschen sehr deutlich: Nur mal kurz die Welt retten – das schaffen
wir so oder so nicht. Paulus schreibt ja sehr nüchtern, dass er nicht alle,
sondern, bei allem Engagement und Einsatz, bestenfalls einige retten kann. Grenzen
setzen, Grenzen auch realisieren – nicht immer schön und angenehm, aber auch
das gehört für mich zum Evangelium. Nicht grenzenlos sein zu wollen, sondern
darauf zu hoffen und zu vertrauen, dass das Evangelium, dass Gottes Geist auch
jenseits unserer Grenzen wirken und wehen kann. Es geht um glaubwürdiges Reden
und Handeln – und darum, die eigenen Grenzen nicht aus dem Blick zu verlieren. Gott
sei Dank ist Gottes Geist, seine Liebe, größer als unsere Möglichkeiten. Amen
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