Liebe Gemeinde!
Wie bekomme ich möglichst viel raus ohne einen allzu großen Einsatz zu bringen? Oder: wie bekomme ich so viel raus, dass sich mein Einsatz, meine Leistung auch auszahlt? Menschen denken und handeln oft genug nach diesen Fragen. Ich auch. Als Schüler habe ich in der Oberstufe die Fächer als Leistungskurse gewählt, in denen ich wenig lernen musste und doch mit ziemlicher Sicherheit gute Noten kriege. Bei dem einen, Mathe, war das klar, das lag mir einfach, bei dem anderen, Gesellschaftskunde, gab es einen Lehrer, bei dem ich wusste, dass ich gut mit ihm auskam. Die Wahl hat sich gelohnt, mein Abi war gut. Im Examen habe ich meine Hausarbeit in Kirchengeschichte geschrieben, das war das lernintensivste Fach, und so musste ich da keine weitere schriftliche Arbeit abliefern und konnte mich im Lernen auf was anderes konzentrieren, hat sich auch gelohnt. Deshalb kann ich auch meine Schüler verstehen, die bei den Notenbesprechungen der letzten Wochen für ihren Minieinsatz eine möglichst gute Note wollten. Ich habe einen Schüler, der ist von seinen schriftlichen Leistungen richtig gut, der könnte eine eins kriegen. Aber ihm reicht eine zwei oder drei, da kann er sich dann im Unterricht auf die faule Haut legen und er reißt es durch seine Hausaufgaben und Arbeiten trotzdem raus. Menschen handeln und denken sehr, sehr oft wirtschaftlich. Nicht nur Schüler, Studenten oder Kaufleute. Auch bei Spenden kann ich das beobachten. Manche Menschen spenden so, dass sich ihr Ansehen steigert. Sie spenden für das, was gerade „in“ ist und einen guten Ruf bringt. Oder sie fragen sich: Wo bringt meine Spende am meisten Effekt. Die Frage „Was bringt’s?“ gehört sehr, sehr oft zum Menschsein mit dazu. Auch in der Kirche, auch im Glauben.
Da soll’s ja immer wieder mal Konfis geben, die sich ausrechnen, wie hoch ihr Stundenlohn ist, das heißt, sie zählen den Wert der Geschenke, die sie erwarten oder dann bekommen zusammen und teilen ihn durch die Zahl der Konferstunden. Die wissen genau, was Konfer gebracht hat. Soll’s geben – obwohl in diesem Jahr ja alle aus totalem Interesse dabei sind. Und bis heute sind finanzielle Gründe der Hauptgrund dafür, aus der Kirche auszutreten. „Ich will erstmal nicht kirchlich heiraten, ich sterbe so schnell nicht, wozu soll ich für was bezahlen, was ich nicht in Anspruch nehme? Und wenn ich mal sterbe, dann ist es billiger, einen Trauerredner zu bezahlen, als mein Leben für einen Service zu bezahlen, der mir egal ist!“ Das höre ich oft. Menschen denken wirtschaftlich. Auch, wenn’s um den Glauben geht. Und so sehr ich mich über manches ärgere, im Grunde finde ich die Frage berechtigt. Es sind manchmal alte Menschen, die ich besuche, die mit einem Hauch von Verbitterung sagen: „Was hat’s mir eigentlich gebracht, an Gott zu glauben? Die Menschen, die mir mein Leben lang lieb und teuer waren, sind tot. Die Kinder und Enkel weit weg. Ich bin ziemlich allein und noch dazu fällt es fast jeden Tag schwerer, sich zu bewegen – oder gar: die Krankheiten sind nichtmehr zu ertragen!“ Und öfter sind es Jugendliche und junge Erwachsene, die mich fragen: „Was bringt’s mir eigentlich, wenn ich an Gott glaube? Menschen, die nicht an Gott glauben, werden nicht häufiger krank und haben in der Schule keine schlechteren Noten, im Gegenteil, vielleicht verdienen sie später sogar mal mehr Geld, weil sie keine Bedenken haben, sich auch unfair durchzusetzen!“
Es fällt mir manchmal schwer, darauf zu antworten. Wie gesagt, ich finde die Fragen nicht unberechtigt und ich kann sie verstehen. Wirtschaftliches Denken ist Teil unseres Lebens, Teil meines Lebens. Und schon für viele Beter der Psalmen im Alten Testament war es ein Problem, dass es Menschen, die nicht an Gott glauben, äußerlich offensichtlich nicht nur nicht schlechter, manchmal sogar deutlich besser geht als Menschen, die ihr Leben an dem orientieren, was sie als Grund ihres Daseins erfahren haben, an der Liebe Gottes zu den Menschen. Was bringt’s mir, an Gott zu glauben? Diese Frage ist fast so alt wie der Glauben an Gott.
Und die schönste Antwort seit langem hat mir eine Schülerin in der letzten Woche gegeben. Ich kenne sie gar nicht so gut, ich weiß aber, dass sie schon ein paar ziemlich traurige Erfahrungen gemacht hat, die mir bis jetzt, Gott sei Dank, erspart geblieben sind. Diese Schülerin hat, wortwörtlich kann ich es nicht wiedergeben, aber fast wörtlich, gesagt: „Das Vertrauen zu Gott kann unglaublich viel Kraft geben. Und so lange wir leben (und auch danach) ist er immer da. Er geht nicht einfach weg, sondern hilft uns, weiter zu kommen. Wenn wir ihm vertrauen, können wir einen Schritt vor den anderen setzen, und wir haben viel mehr Kraft, denn der Glaube an Gott ist der größte Kraftspender in den dunkelsten Zeiten.“ Und sie
hat mir eine Bibelstelle gesagt, die das für sie ausdrückt. Es sind Verse aus dem Buch Jesaja.
Lesen: Jesaja 40,28-31
Aufstehen zu können – das bringt’s wenn ich an Gott glaube. Das ist sicher ein Teil. Sicher ist nicht immer aufstehen im wörtlichen Sinn gemeint. Es gibt vielleicht tatsächlich Menschen, die durch eine Krankheit ans Bett gefesselt sind, die nicht wirklich aufstehen können, denen aber der Glauben hilft, aus einem Tief herauszukommen und neue Horizonte zu sehen. Ich finde das Bild von dem Adler schön. Gott hilft, sich aus dem Sumpf, aus dem, was einen niederdrückt, zu erheben und Freiheit zu spüren, und wenn es nur die Freiheit im Geist ist, dass mich meine Krankheit oder meine schwierige soziale Situation oder mein trauriges Erlebnis nicht total gefangen nimmt, sondern dass ich die Freiheit habe, auch an etwas anderes, Neues zu denken und dass ich wieder einen Blick bekomme für das, was schön im Leben ist. Neues sehen, die Welt sozusagen von oben betrachten. Das ist es, was Glauben bringen kann. Nicht bringen muss. Denn Glauben – und das ist etwas, was ich wieder neu gesehen habe durch diese Schülerin und durch die Bibelverse, die sie mir sozusagen geschenkt hat – Glauben entzieht sich jeder wirtschaftlichen Logik. Das macht es mit dem „bringen“ so schwierig. Glauben ist kein Geschäft mit Gott. Ich kann nicht sagen: also, ich glaube jetzt mal an dich und dann schenkst du, Gott, mir genau diese Erfahrung, die ich haben will. Vielleicht schenkt Gott mir andere Erfahrungen. Wenn ich festgelegt bin und sage: für meinen Glauben will ich genau diese Erfahrung! – Dann werde ich vielleicht gar nichts entdecken, weil ich wie blind bin. Glauben lässt sich nicht an Bedingungen fesseln. Weil der Grund des Glaubens bedingungslos ist: Gottes Liebe zu uns Menschen. Und das ist der eigentlich Grund für die Unwirtschaftlichkeit des Glaubens. Gott verschenkt seine Liebe zuallererst. Er verkauft die Liebe nicht als Belohnung für Glauben. In der Bibel gibt es dafür auch ein Bild: „Er lässt seine Sonne aufgehen über Gerechte und Ungerechte“. Schwer erträglich, dass auch die was abbekommen, die nicht bezahlt haben. Aber so ist Gott. Unwirtschaftlich ist es auch, sich an den Schwachen und Bedürftigen zu orientieren. Es wäre ja viel werbewirksamer, wenn lauter Erfolgsmenschen an Gott glauben würden. Menschen, die es im Leben zu etwas gebracht haben. Aber Gott orientiert sich an denen, die schwach sind. Denen will er Kraft geben. Gott setzt seine Liebe unwirtschaftlich ein, damit Menschen leben können. Da wird die Schülerin plötzlich zur Lehrerin und der Pfarrer oder der Theologieprofessor zum kleinen Licht, weil er eigentlich nichts zu sagen weiß. Gott kehrt manchmal die Verhältnisse um. Er gibt den Müden Kraft und Stärke. Er hilft denen, die glauben, nichts zu können – und die, die sich für stark halten oder die glauben, alles zu wissen, stehen manchmal mit ziemlich leeren Händen da.
Was bringt’s also, wenn ich an Gott glaube? Vielleicht die Fähigkeit, sich nicht ständig messen und vergleichen zu müssen. Vielleicht das Geschenk, an echten Tiefpunkten neue Kraft zu bekommen. Vielleicht die Freiheit, die Frage nach dem Erfolg mal bleiben zu lassen. Vielleicht auch die Gewissheit, dass selbst dann, wenn ich mein Leben so satt bin, das sich es gern wegwerfen würde, Gott nicht vor mir wegläuft. Wieder so viele „vielleichts“. Aber der Glauben bringt eben nichts Messbares oder Vergleichbares, sondern ganz persönliche Geschenke. Geschenke wie die Erfahrung, als Pfarrer von einer Schülerin lernen zu dürfen und nicht alles wissen zu müssen. Was bringt’s? Ganz sicher die Erfahrung, Mensch sein zu dürfen. Mensch unter Menschen. Mensch mit Schwächen, Mensch, der auch Geschenke annehmen darf. Das Geschenk der Liebe Gottes und die einzigartige, bei jedem andere Erfahrungen, dass diese Liebe Flügel verleiht und die Müdigkeit vertreibt, die sich manchmal einstellt, wenn man durchs Leben läuft. Und das alles völlig kostenlos, einfach so, ganz anders als bei Red Bull. diese Liebe macht nicht dick, mit dieser Liebe finanziere ich keinen Formel 1- Rennstall oder einen merkwürdigen Leipziger Fußballverein, sondern diese Liebe gibt mir was. Gott sei Dank.
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