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Samstag, 21. Januar 2012

Respekt! Heilung! Geh in Frieden! - 3. nach Epiphanias, 22.01.2012, Reihe IV

Text: 2. Könige 5,1-19
Liebe Gemeinde!


Was für eine Geschichte! Nicht gerade eine der bekanntesten Geschichten der Bibel und vor allem für einen Predigttext viel zu lang. Fast so lang wie sonst eine Predigt. eine Geschichte, die, glaube ich, erstmal ganz fremd ist. die Leute heißen komisch, die Länder sind unbekannt und weit weg und sie ist ja sowieso uralt. Was soll man dazu nur sagen? Ich wollte mir schon was andres, kürzeres für die Predigt suchen. Und dann sind mir gerade in der Geschichte ganz viele Sachen aufgefallen, die so nicht nur für die Zeit vor knapp 3000 Jahren n einer ganz anderen Gegend der Welt interessant waren, sondern durch die Gott uns, so glaube ich es wenigstens, gerade heute ganz viel für unser Leben im Jahr 2012 sagen will.

Da ist einmal die Frage: wie gehe ich mit Menschen um, die mir was getan haben, denen es aber schlecht geht und die Hilfe brauchen? Am Anfang erzählt die Geschichte von einem Mädchen aus Israel, das von einer Art General, Naaman, nach einem Krieg, den Israel gegen Aram, das ist so ungefähr das heutige Land Syrien, verloren hat, aus seiner Heimat verschleppt wurde und bei dem Sieger Zwangsarbeit im Haushalt leisten musste. Das Mädchen bekommt mit, dass Naaman, der sie von ihrer Familie, aus ihrer Heimat mit Zwang weggeschleppt hat, der eine andere Religion hat und ein Fremder ist, schwer krank ist. Aussatz, Lepra, ist eine ziemlich eklige Krankheit, die Menschen entstellt, die ansteckend ist und die dazu führt, dass die Menschen, die das haben, von der Familie und von Freunden getrennt leben müssen. Mit denen will keiner was zu tun haben. Bis heute ist das oft so, in Indien und anderen Ländern gibt es die Krankheit immer noch. Das Mädchen könnte sich freuen. Sie könnte denken: „Geschieht ihm recht, jetzt wird er für das, was er mir, meiner Familie, meinem Volk angetan hat von Gott bestraft. Der soll doch verrecken, der ist mein Feind und der Feind meines Volkes.“ Aber so denkt sie nicht. Sie sorgt sich um den, der krank ist. Und sie möchte, dass Gott ihm hilft, sozusagen durch Vermittlung eines Propheten, eines Mannes, der eine besondere Beziehung zu Gott hat. Das ist alles andere als normal. Leider bis heute nicht. Wie gehen wir denn mit Menschen um, die uns was getan haben? Wie wird denn über Hilfsbedürftige aus anderen Ländern hier geredet? Wie wird auch in Kirchen und Gemeinden Menschen mit anderer Religion begegnet, Muslimen zum Beispiel? Ich glaube, dass Gott mir, vielleicht uns allen, durch dieses Mädchen aus Israel in der Geschichte sagen will:
Nicht die Herkunft, nicht die Religion, nicht die Vorgeschichte eines Menschen ist entscheidend, sondern die Bedürftigkeit. Nicht Rache und Hass sind der Weg, den Gott mit den Menschen gehen will, sondern Zuwendung und Liebe. Und das hier im Alten Testament, lange vor Jesus. Und ich glaube wirklich, dass das bis heute eine wichtige Botschaft ist. Gerade dann, wenn ich meinen weg mit Gott gehe, so wie das Mädchen aus Israel in der Geschichte, dann öffnet mir das den Weg, dem anderen als Menschen und nicht als Feind, mit Zuwendung und nicht mit Hass, zu begegnen.Ein anderer, bis heute aktueller Punkt ist das Misstrauen, das in der Geschichte besonders durch den König von Israel spürbar wird. Der König von Israel konnte sich nicht vorstellen, dass der viel mächtigere andere König ihm keine Falle stellen wollte. Der König von Israel wusste, dass er keine Macht über Krankheiten hat, dass das Gott zukommt, und glaubte, dass der König von Aram nur den Misserfolg sucht, um Grund für einen neuen Krieg zu finden. Natürlich lehrt einen die Lebenserfahrung, dass es schief geht, wenn ich anderen blind vertraue. Aber ich wage mir kaum vorzustellen, wie viele Chancen, Leben zum Guten, zu mehr Frieden und mehr Miteinander zu verändern, sowohl im Kleinen, Persönlichen, als auch im Großen, in der Gemeinschaft zwischen Kirchen und Gemeinden, zwischen Völkern, und Staaten, dadurch verpasst wer-den, dass Menschen, und davon bin ich alles andere als frei, anderen erst einmal misstrauisch begegnen und böse Motive unterstellen. Vertrauen wagen – auch dazu ermuntert mich die Geschichte.

Dann kommt Elisa, der Prophet, der Mann Gottes dazu. Er nimmt sich des Fremden, des Feindes an. Wie schon am Anfang gesagt: ich glaube, dass Gott uns mit dieser Geschichte deutlich machen will, dass er in der Bedürftigkeit der Menschen nicht unterscheidet zwischen denen, die schon immer an ihn glaubten, denen, die schon immer treu und brav seinen Geboten folgten oder die zu einem bestimmten Volk, zu einer bestimmten Rasse oder was es sonst noch immer an menschlichen Unterscheidungsmerkmalen gibt, gehören, sondern dass vor Gott und für ihn der Mensch in seiner Not zählt. Und wenn ich mir den Umgang mit Flüchtlingen in Europa anschaue, den Naziterror und Ausländerhass oder auch nur das alltägliche Gerede über Muslime, Juden oder wen auch immer halte ich gerade diesen Punkt in der Geschichte für superaktuell.

Das nächste in der Geschichte ist die Heilung von Naa-man. Der erwartet eine persönliche VIP-Betreuung mit Showeffekten und viel Brimborium. Stattdessen soll er einfach im Jordan baden. Es braucht andere, interessan-terweise Diener, also nach damaligem Verständnis Men-schen 2. Klasse, die ihn dazu bringen, es doch einmal zu versuchen. Und das Vertrauen, dass er dem schenkt, was so ganz anders als erwartet ist, führt dann dazu, dass er heil, gesund wird. Vertrauen schafft Heilung. Und nicht ein großes Drumrum und große Show. Und für Reiche und Mächtige gibt es keine Sonderbehandlung. Auch bei ihnen führt kein Weg am Vertrauen und an Gott vorbei. Für mich heißt das bis heute ganz viel. Dann, wenn wir sagen, dass Gott Leben heil und gesund machen, dass wir eben nicht auf spektakuläre Gebete und Aktionen setzen und dass es nicht der ist, der betet, der gesund macht, sondern die von diesem Menschen völlig unabhängige Tat Gottes. Elisa bleibt zu Hause, er begegnet Naaman erst nach der Heilung. Gott ist kein Showgott, sondern ein Gott, der auf unspektakuläre Art Menschen nahekommt und ihnen zum Leben helfen will. Und dass es für reiche keine Sonderbehandlung gibt und dass es auch in der Medizin auf Vertrauen ankommt, wäre ein Thema für einen ganzen Tag, zu dem andere viel mehr und besseres sagen könnten.

Wichtig sind mir noch drei Dinge an der Geschichte: das Vertrauen, das Naaman geschenkt, schafft nicht nur Hei-lung, sondern auch eine Umkehr. Er vertraut Gott, der nicht auf Macht und Show setzt, sondern der so ganz anders als erwartet ist. Vertrauen kann Umkehr schaffen. Das Vertrauen, Neues zuzulassen, alte Bilder und Vorstellungen loslassen zu können, ohne dabei etwas zu verlieren. Wer vertraut, wer loslässt, gewinnt Glauben. Gewinnt ein leben, das heil werden kann. Ohne das Vertrauen, loslassen zu können, wird das nicht unmöglich - ich bin nicht Gott, ich weiß nicht, auf welchen Wegen er anderen begegnet – aber es wird ziemlich schwer.

Dann ist da noch die Weigerung Elisas, die kostbaren Ge-schenke anzunehmen. Glauben und Vertrauen sind unbe-zahlbar, Gott lässt sich nicht kaufen. Ich finde es schön, wenn Menschen aus Dankbarkeit oder aus guten Erfahrungen heraus Geld spenden, auch für Kirche und Gemeinde, damit Sinnvolles für andere getan werden kann. Ich finde es auch gut, dass es einen festen regelmäßigen Beitrag gibt, der Leute mit wenig Geld bevorteilt und Reiche stärker belastet, damit einigermaßen zuverlässig gute Arbeit gesichert werden kann und nicht von Zufällen abhängig ist. Aber ich finde es sehr schwierig, wenn Geld dafür verlangt wird, dass ein Pfarrer Trauernde begleitet und einen Gottesdienst für sie hält, wenn Menschen für Taufen oder Trauungen be-zahlen sollen oder wenn Druck ausgeübt wird, Geld für Gemeinden spenden zu sollen. Ohne Geld geht heute keine gute Arbeit mehr. Aber Menschen zu begleiten, zu stärken, Menschen die Liebe und Zuwendung Gottes, sein Heil zu verkündigen und nahezubringen darf nie eine Frage des Geldes oder des Reichtums sein.

Und als letztes ist da für mich in der Geschichte die Tole-ranz und Freiheit, die der Glauben an Gott möglich macht. Naaman ist zum Glauben gekommen. Er will Gott dienen und keine anderen Götter anbeten. Aber sein Beruf als General des Königs von Aram, der an andere Götter glaubt, bringt es mit sich, dass er mit ihm in Tempel dieser Götter gehen muss und vielleicht auch einmal eine körperliche Verneigung als Stütze seines Königs mit ausführt. Elias, der Mann Gottes, nimmt ihm die Angst, etwas falsch zu machen. „Gehe in Frieden“. Das sagt er ihm. Respekt vor der anderen Religion des Königs heißt nicht, dass Naaman den wahren Gott verleugnet. Wer sich von Gott angenommen weiß, kann Toleranz und Freiheit schenken. Nicht, indem er Gott verleugnet und alles für gleich gültig hält. sondern indem er respektiert, das Glauben kein Zwang sondern ein Geschenk ist und dass ein anderer Glauben andere nicht zu Unmenschen, zu Menschen zweiter Klasse macht. Bis heute bitter aktuell. Engstirniger Fundamentalismus, der in jedem, der anders ist, eine Gefahr und einen Menschen zweiter oder dritter Klasse sieht, ist nichts, was auf andere Religionen wie den Islam beschränkt wäre. Gott ist kein Gott des Hasses, sondern ein Gott der Liebe, der Freiheit. Dem dürfen wir vertrauen. Amen.

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