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Samstag, 21. Dezember 2013

Mit Engeln auf Du und Du - 4. Advent, Dialogpredigt, Lukas 1,26-38



Eigentlich wäre ja was anderes dran, ich weiß. Aber bevor ich am 19. Januar aus der Gemeinde verabschiedet werde, wollte eine ehemalige Konfirmandin (mittlerweile ist sie 15) mit mir noch mal eine Dialogpredigt halten. Sie durfte sich den Text aussuchen und hat sich eben einen anderen aus den Perikopentexten für diesen Sonntag ausgesucht. Die Gedanken stammen tatsächlich von ihr. Deshalb an dieser Stelle noch mal vielen Dank an Melissa, die mich in den letzten zwei Jahren oft in Gottesdiensten unterstützt hat.
KB: Milli, bist du eigentlich schon mal einem Engel begegnet? Hat mit dir schon mal ein Engel geredet?
Milli: Keine Ahnung, ich weiß es nicht. Ich habe noch nie so eine Erscheinung gehabt und Stimmen gehört. Glücklicherweise, sonst würde ich vielleicht denken, ich bin verrückt. So einem Engel, wie er oft gemalt wird, mit Flügeln und so, bin ich nie begegnet. Aber…
KB: Aber was?
Milli: Aber manchmal, da hatte ich das Gefühl, dass Gott ganz besonders nah bei mir ist und dass da Menschen sind, die mir was mitteilen wollen, was von Gott kommt.
KB: Aber woher wusstest du, dass das von Gott kam? Wenn du da keine richtigen Engel gesehen hast, dann kannst du dich doch auch getäuscht oder dir was eingebildet haben.
Milli: Klar, das könnte sein. Ich kann’s halt nicht wissen, so wie ich Vokabeln wissen kann oder die binomischen Formeln in Mathe. Aber ich konnte es spüren. Das kann ich nicht richtig erklären. Wenn ich mich mal zum Beispiel in der Schule richtig unwohl und allein gefühlt habe, weil ich dachte, ich hätte keine richtig gute Freundin, die zu mir hält, dann kam jemand, der mir weitergeholfen hat, der mir Mut gemacht hat. Und ich glaube, dass er mir von Gott einfach sagen wollte: Du bist nicht allein! Du bist was wert! So eine gute Botschaft halt von Gott. Und ich hab mal gelernt, dass Engel eigentlich „Botschafter“ heißt, wenn man es ins Deutsche übersetzt. Und vielleicht hab ich den dann gar nicht als Engel erkannt, weil er ganz normal aussah und er war ein Engel. Aber wie ist das denn mit dir?
KB: Mir geht’s da genauso wie dir. Engel mit Flügeln oder weiten weißen Gewändern hab ich bis jetzt nur auf Bildern gesehen. Aber manchmal merke ich auch, dass Gott mir durch andere eine Botschaft schickt. Manchmal sogar durch Menschen, die sich dagegen wehren würden, wenn ich ihnen sage, dass sie von Gott kommen. Anfang der Woche hat mir ein Schüler zum Beispiel, bei dem ich manchmal das Gefühl hatte, mit dem komm ich gar nicht klar, was total Nettes geschrieben, was mir Mut gemacht hat, weil ich im Moment manchmal schon ein bisschen die Krise kriege, wenn ich an das denke, was ich hier alles noch erledigen will und vor allem daran zweifle, ob ich das, was ab Januar kommt, auch gut mache. Ich glaube nicht, dass es einen objektiven Beweis für Engel gibt. Aber ich glaube, dass Gott uns Menschen immer wieder Botschaften gibt, auch durch Menschen, die er sich dafür aussucht. Wir müssen aber auch bereit sein, sie zu hören.
Milli: Ja, klar. Aber ist das mit den Engeln in Menschengestalt nicht ein bisschen zu wenig? Wenn ich die Geschichte vom Engel Gabriel und Maria, die wir eben gerade vorgelesen haben, mir anschaue, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass Gabriel so ein Engel war. Da muss doch noch mehr gewesen sein. Ich glaube, dass Gott auch Wege zu Menschen findet, die wir nicht verstehen und erklären können.
KB: Wenn das anders wäre, hieße es ja auch Wissen und nicht Glauben… - schlechter Witz. Im Ernst. Ich glaube auch, dass Gott da mehr Möglichkeiten hat, als wir uns vorstellen oder berechnen können. Aber ich stelle mir diese Art von Engel nicht so richtig körperlich vor, sondern als so eine Art Kraftfeld, wie ein Magnetfeld oder ein elektrisches Feld, etwas, was da ist, was einen zum Schwingen bringt oder Dinge bewirkt, aber eben nicht als objektive Gestalt zum Beispiel gemalt werden kann. Ich glaube, dass da ganz viel von der persönlichen Begegnung abhängt.
Milli: Aber Maria ist doch sicher mehr als einfach einem Kraftfeld begegnet. Und die Hirten bei Betlehem, von denen Lukas ja in seiner Weihnachtsgeschichte erzählt, doch auch. Das war doch mehr als ein reines Gefühl.
KB: Ja, schon. Aber ich glaube trotzdem, dass alles an der persönlichen Begegnung hängt. Egal, ob das, wie bei Maria, eine Eins-zu-Eins-Begegnung war oder wie bei den Hirten mehrere beteiligt waren. Für andere lässt sich das nicht objektiv beschreiben oder malen oder fotografieren. Das Entscheidende ist halt, dass ich, oder Maria oder die Hirten oder du im entscheidenden Moment einfach den Mut hast, das was dir begegnet, was du erlebst oder hörst als
Begegnung mit einem Boten von Gott anzunehmen.
Milli: Also, ich würde das immer erst hinterher können, wenn alles vorbei ist und ich in Ruhe noch mal darüber nachdenken kann. Vielleicht spüre ich das in dem Moment, dass dieser Moment etwas Besonderes ist. Aber die richtige Interpretation, das geht doch erst hinterher. Und deshalb wundere ich mich ein bisschen, dass Maria so relativ schnell einfach alles glaubt und versteht und macht. Ich hätte da viel mehr Fragen.
KB: Na ja, zwei Fragen hat Maria ja schon. Zuerst fragt sie ja, nach der Begrüßung durch Gabriel, zumindest in Gedanken: „Was soll denn dieser Gruß?“ Wieso redet der ausgerechnet mich, ein ganz einfaches, unverheiratetes junges Mädchen wie eine Königin an? Und dann fragt sie ja ganz direkt: Wie soll ich denn schwanger werden ohne einen Mann zu haben? Aber welche Fragen hättest du ihm denn gestellt?
Milli: Wahrscheinlich doch erstmal die gleichen: Wieso ausgerechnet ich? Was ist an mir denn besonders? Woher soll ich wissen, dass du nicht lügst und keinen Quatsch erzählst? Und wieso soll eigentlich ausgerechnet mein Kind was Besonderes sein? Und überhaupt: wie soll ich das alles schaffen? Und wie  bringe ich das meinem Verlobten und meiner Familie bei, dass ich schwanger bin? Was werden die denn denken? Wird mich mein Verlobter nicht verlassen? Wird mich meine Familie nicht verstoßen? Wo soll ich dann hin? Ein Gertrudisheim mit Wohngruppe für minderjährige Mütter gab’s damals ja nicht. Und wie soll ich das alles schaffen? Vor lauter Fragen wäre ich wahrscheinlich ganz verrückt geworden.
KB: Und vielleicht ist Maria das ja auch ein bisschen. Die Geschichten in der Bibel erzählen das alles ja nicht in Echtzeit, sonst wären sie unlesbar. Lukas macht ja deutlich, dass da auch Raum für Fragen, für Zweifel, vielleicht sogar für Angst ist. Eine Sache, die ich an der Begegnung von Maria und dem Engel Gabriel so toll finde, ist, dass hier deutlich wird, dass Gott die Menschen nicht überfällt und mit Gewalt zwingt. Gott nimmt die Menschen mit auf den Weg. Er lässt eben auch Zeit zum Nachdenken und zum Fragen. Und dann, als Maria merkt, dass sie nicht überrumpelt wird und dass sie ernstgenommen wird, da stimmt sie dann zu. Ja, an mir soll geschehen, was du gesagt hast. Ich denke, dass Glauben an Gott, wenn er wirklich echt und haltbar sein soll, genau das braucht, was Maria hier hatte. Den Mut, nachzufragen. Auch zu zweifeln. Da, wo Menschen totgequatscht werden, wo ihnen irgendwas vorerzählt wird, was sie nur nachplappern sollen, wo kein Platz für eine eigene Begegnung mit Gott ist, für einen eigenen Weg, da kann kein echter Glauben entstehen. Die eine Sache ist, dass Gott den Menschen Platz lässt, die andere aber auch, dass die Menschen, wie Maria, bereit sein müssen, hinzuhören und nicht gleich alles abtun. Wenn Maria gesagt hätte: „Lass mich in Ruh, ich hab jetzt Besseres zu tun!“ oder „Was bist du denn für ein komischer Vogel, mach dich ab!“, dann wäre es schon vorbei gewesen. Gott macht ein Angebot, lässt dem Menschen Zeit, es anzunehmen – aber der Mensch muss auch bereit sein, sich dieses Angebot erst einmal anzuhören.
Milli: Vielleicht fehlt das manchmal heutzutage, dass man sich Zeit nimmt und hinhört. Alles muss immer von jetzt auf gleich gehen und wenn du dich nicht sofort entscheidest, dann hast du halt gelitten. Oder Pech gehabt oder die Fristen verpasst. Es ist eigentlich eine richtig schöne Sache, dass Gott nicht so ist und nicht drängelt, sondern dass Gott uns Menschen Zeit lässt. Bei manchen Menschen geht es vielleicht ganz schnell, dass sie bei Gott hinhören und mit ihm leben wollen und bei anderen dauert es lange, die brauchen viel Zeit und viele Fragen – und trotzdem ist Gott für sie da und sie sind ihm mindestens genauso willkommen wie die ganz Schnellen. Das finde ich eigentlich schön, gerade auch in einer Welt, wo man Angst hat, was zu verpassen, wenn man nicht sofort alles macht und sich nicht sofort entscheidet. Gott ist glücklicherweise ganz anders.
KB: Und wie anders Gott ist, das sieht man auch daran, dass eben ausgerechnet Maria hier Besuch von Gabriel bekommt und dass Gott gerade durch sie im wahrsten Sinn des Wortes in die Welt kommen will.
Milli: ja, wenn wir nach unseren normalen Maßstäben das beurteilen, dann hätte Gott sich ja eigentlich eine Königin oder Kaiserin aussuchen müssen oder eine frau mit guten Beziehungen und hohem Ansehen. also, irgendjemanden, den ganz viele kennen und bewundern und der in den Augen von den Menschen was Besseres ist. Oder jemand mit langer Lebenserfahrung, auf die alle hören, weil sie so klug und erfahren ist. Aber dann: ausgerechnet Maria. die war damals wahrscheinlich ungefähr so alt wie Aurelia oder ich. Und auch nicht bekannter. Gott macht aus ganz normalen Menschen, die andere vielleicht ständig übersehen, etwas ganz Besonderes. Und das ist bis heute eigentlich eine ganz tolle Botschaft. Auch dann, wenn andere denken, dass du zu jung bist oder dass du nicht schlau genug bist oder wenn andere dir einreden wollen, du siehst nicht gut genug aus oder du hast nicht genug Geld, um was darzustellen: für Gott bist du was Besonderes und durch dich kann und will er die Welt besonders machen. Gott schaut nicht zuerst auf die scheinbaren Großen, die alle toll finden, sondern er stellt die ganz normalen, einfachen, die oft übersehen werden, in den Mittelpunkt. Wenn Gott größer und besser ist als alles, was Menschen denken können, ist das doch schon ein Wunder!
KB: Für mich auch. Für mich ist das sogar eigentlich ein größeres Wunder als das, von dem Gabriel Maria dann erzählt, dass sie schwanger werden soll, ohne mit einem Mann zu schlafen. Eigentlich verrückt und unmöglich in einer Zeit, in der es keine künstliche Befruchtung gab. Aber wenn Gott wirklich größer als jede denkbare Kraft ist, dann kann ich das nicht ausschließen. Aber es ist mir persönlich egal. Jesus selbst sagt später selbst einmal, dass man nicht wegen irgendwelcher naturwissenschaftlichen Wunder an ihn glauben soll, sondern wegen seiner Botschaft. Für mich ist die Botschaft Gottes nicht: „Ich kann alles!“ Im Reich der Götter ist das keine besondere Botschaft, und heute erst recht nicht in einer Welt, in der gerade die mit total viel Geld sagen: ich kann alles und mach alles und kaufe mir Einfluss und politische Entscheidungen und meinen Kindern die richtigen Noten und so weiter. Die tolle Botschaft und das Wunder ist doch, dass Gott eben ganz anders als die Welt ist und nicht auf das schaut, auf das alle schauen, sondern gerade im ganz einfachen das Besondere sieht und die ganz einfachen sozusagen hochhebt und zu ganz besonderen Menschen macht.
Milli: Aber für mich ist es auch schön, dass ich glauben kann, dass für Gott wirklich nichts unmöglich ist. Und was ich in der Geschichte auch noch wichtig finde, ist, dass der Engel über das Kind dann sagt, dass seine Herrschaft kein Ende hat. Alle Kaiser, Könige, Politiker, die geglaubt haben, dass sie die Welt für immer verändern könnten, die sind längst tot und viele Gott sei Dank an ihrer Gewalt erstickt oder umgekommen. Aber die Botschaft von Jesus, die jedem Menschen Gottes Liebe weitersagt und die die Menschen befreien will und die allen Menschen ein gutes Leben in Frieden schenken will, die ist immer noch lebendig. Am Ende ist die Liebe stärker und Gott ist immer noch bei uns, auch wenn alle, die sich selbst für Gott gehalten haben oder über Menschen bestimmt haben, schon längst weg sind.
KB: Und Gott schickt immer noch seine Engel, seine Boten in die Welt – auch wenn wir sie nicht an ihrem Aussehen erkennen, sondern durch hinhören und erleben spüren, dass sie da sind. Ich wünsche uns, dass wir gerade auch in diesen Tagen nicht nur von Engeln in der Bibel lesen und hören oder sie auf Postkarten und Gemälden sehen, sondern dass wir spüren und richtig erleben, dass Gott nicht nur Maria vor langer Zeit, sondern auch uns was zu sagen hat. Amen.

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