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Freitag, 14. Juni 2013

Respekt! - 3. Sonntagnach Trinitatis, 16.06.2013

Text: Lukas 19,1-10
Liebe Gemeinde!
Zachäus heißt heute Zack. Und jeder hat Angst vor ihm. Aber die Leute, die ihm begegnen, wollen das nicht Angst nennen. Und Zack sagt es auch nicht. Respekt sagt er. Und das sagen die Leute auch. Wobei sie eigentlich nur Respekt sagen, aber Angst meinen. Respekt ist halt cooler. Zack ist klein. Aber er ist ein harter Hund. Er hat Kontakte nach ganz oben. Mit denen da oben, da will keiner gern zusammenarbeiten. Die haben Macht, einen einzusperren. Die haben Macht, einem das Leben schwer zu machen. Zack hatte keine Angst, sich mit denen da oben einzulassen. Jetzt kann er es sich leisten, durch die Gegend zu laufen und Respektschellen zu verteilen. Früher hießen die mal Nackenklatscher, aber Respektschellen sind cooler. Pervers ist es allemal. Da nimmt sich einer raus, andere zu schlagen. Einfach mal so auf den Hinterkopf, in den Nacken, egal. Und Zack grinst dazu. „Ist doch nur Spaß“, seine Worte. Ob’s für den, der geschlagen wird, auch nur Spaß ist? Aber wehe, der wehrt sich! Dann wird Zack ihm zeigen, was Respekt heißt. Und Zack läuft durch die Gegend, kassiert Geld von den Bistro- und Cafébesitzern, damit da nichts passiert. Zachäus heißt heute Zack und ist der, der von allen Respekt kriegt, wie sie es nennen, weil jeder Angst hat.
Oder heißt Zachäus heute Zachi? Eigentlich ein armes Würstchen. Klein, unauffällig, ohne Freunde. Zachi hat gute Kontakte nach oben und die decken seine Betrügereien. Deshalb fährt er auch den 7-er BMW und hat den dicken Flatscreen zu Hause. Aber heimlich machen sich alle über Zachi lustig. Keiner will was mit ihm zu tun haben. Einmal weil er echt klein ist und das manchmal schon fast lächerlich aussieht. Und dann auch, weil er sich mit denen Keiner sagt was laut, weil alle Angst haben, dass Zachi seine Beziehungen nach oben ausnutzt. Aber eigentlich ist Zachi das ärmste Würstchen im Viertel, einer, der ganz ohne Respekt dasteht, einer, der ganz allein ist.
Egal, ob Zachäus damals, als er Jesus begegnet ist, eher der Zack- oder der Zachi-Typ war, ein Wort aus beiden Möglichkeiten der Geschichte ist für mich ein Schlüssel zu dieser Geschichte aus der Bibel, zu dem, was Jesus hier macht, sagt, vorlebt. Und dieses Wort ist Respekt.
Viel zu oft wird im Alltag Respekt mit Angst verwechselt. Oder mit Unterwürfigkeit. Echter Respekt hat aber nichts damit zu tun, dass ich mich jemandem unterordne oder dass ich erwarte, dass andere sich mir unterordnen. Ob aus Angst oder aus anderen Gründen. Respekt heißt zuallererst: ich sehe im anderen den Menschen. Ich sehe im anderen den Menschen, der anders sein darf als ich, der es wert ist, fair und anständig behandelt zu werden. Weil er Mensch ist. Ich kann respektieren, dass er andere Gewohnheiten oder Gefühle hat und verletze ihn deshalb nicht, sondern ich will ihm zeigen, dass er das Recht hat, Mensch zu sein. Und für mich ist das genau das, was Jesus dem Zachäus aus der Bibel gibt, egal, ob der ein Zack- oder ein Zachi-Typ war. Und dieser Respekt, dieser echte Respekt ohne Angst, den Zachäus bekommt, der führt dazu, dass er sich ändert. Machen wir uns mal klar, was für Typen
Zöllner damals waren. Israel war von den Römern besetzt. Und vor denen hatte jeder Angst. Die hatten eine andere Religion, haben andere Götter angebetet und die, die was gegen die Römer hatten, die wurden schnell eingesperrt. Die meisten, die ernsthaft an Gott glaubten, wollten mit den Römern nichts zu tun haben, weil sie wollten, dass der Kaiser als Gott verehrt wird, weil sie öfter mal wilde Feste feierten oder Dinge aßen, die frommen Juden total verboten waren. Man hat Angst, klar, weil die Waffen und Macht haben, aber man macht sich innerlich und äußerlich schmutzig, wenn man sich mit denen abgibt. Dachten die meisten. Und dann gab es Leute wie Zachäus, die von den Römern das Recht kauften, an den Stadttoren Zoll, also eine Art Steuer, für alles zu nehmen, was in der Stadt verkauft werden sollte. Diese Zöllner haben mit den Römern zusammengearbeitet. Eigentlich gab es feste Summen, die bezahlt werden mussten, aber die Römer haben das nicht kontrolliert und die Zöllner haben oft mehr genommen. Und aus Angst, dass sie Ärger mit den Römern kriegen, weil die Zöllner gut mit ihnen zusammenarbeiten, haben die normalen Bürger dann nichts gesagt und die betrügerischen Steuern der Zöllner bezahlt. Zöllner waren reich, aber fromme, gute Menschen wollten mit ihnen nichts zu tun haben.
Und vielleicht hat dieser Zachäus aus der Bibel mit der Zeit den Respekt vor sich selber verloren. Vielleicht merkt er ja, dass ihm was fehlt. Dass die Leute ihn meiden. Nicht nur, weil er ziemlich klein ist. Auch deshalb, weil sie zwar Angst vor ihm haben, ihn aber eigentlich nicht leiden können. Und dann kommt da einer, der anders ist. Hat Zachäus wenigstens gehört. Da ist einer, der kümmert sich nicht drum, was die Leute denken und was nach Ansicht der Mehrheit normal ist, sondern der schafft es irgendwie, dass Menschen wieder Hoffnung und Lebensmut kriegen, die ganz draußen stehen oder denen keiner was zutraut. Da ist einer, der schafft es, Leben heil zu machen. Manchmal körperlich, aber oft auch seelisch. Vielleicht ist das ja was für mich. Könnte Zachäus gedacht haben. Auf alle Fälle ist er neugierig geworden und er ist auf den Baum gestiegen, damit er diesen Typen sehen kann. Jesus. Vielleicht ist Zachäus nicht nur deshalb auf den Baum gestiegen, weil er wirklich klein war, sondern auch, weil er keine Lust auf die blöden Bemerkungen der anderen hatte. Oder darauf, von seinen Römerkumpeln gesehen zu werden. Auf alle Fälle wusste Zachäus gar nicht so genau, was er eigentlich von Jesus wollte und zu erwarten hatte. Und dann passiert das wichtigste überhaupt: Zachäus bekommt Respekt von Jesus. Jesus geht nicht an Zachäus vorbei. Er sieht ihn, er nimmt ihn wahr und ernst. Der erste wichtige Teil von Respekt. Den andern zu sehen und nicht vorbeizugehen. Hätte Jesus ja auch machen können. Und dann redet er respektvoll mit Zachäus. „Komm runter, versteck dich nicht, genau zu dir will ich!“ Jesus stellt Zachäus nicht bloß. Er hätte ja auch sagen können: „Guckt mal, da oben sitzt der Zwerg. Der traut sich nicht. Der, vor dem ihr Angst habt, hat plötzlich selber Angst, guckt euch den Schwächling an!“ Nein, Jesus ist anders. Er zeigt auch dem, der ganz bestimmt ganz viel richtig falsch gemacht hat, dass er ein echter, wichtiger Mensch ist. Und er lädt sich zu ihm nach Hause ein. Für die meisten wäre es eine Ehre gewesen, Jesus zu Gast zu haben, und das zeigt auch die böse Reaktion der anderen, die neidisch und missgünstig sind, weil Jesus ausgerechnet zu Zachäus geht. Ausgerechnet zu dem, der sich die Ehre nicht verdient hat, geht Jesus. Liebe ist unberechenbar. Lässt sich nicht verdienen. Gottes Liebe ist unberechenbar. Und Jesus ist Gottes Liebe in Menschengestalt. Und dann hat Jesus Respekt vor der Privatsphäre von Zachäus. Er stellt ihn nicht vor allen zur Rede, er muss keinen öffentlichen Seelenstriptease machen. Auch Vertrautheit, Vertraulichkeit, der Verzicht auf sensationsgeiles Offenbarungsgehabe nach dem Motto: „Nun zeig in der Öffentlichkeit, was du gemacht hast, dann könne wir drüber reden, ob du es wert bist, wieder zu uns zu gehören“ ist ein Zeichen und Ausdruck von Respekt.  Von Respekt vor der Menschlichkeit und dem Menschsein des anderen. Jesus reduziert Zachäus nicht auf die Fehler, nicht auf die Schuld, nicht darauf, dass er Sünder ist. Das ist und bleibt Teil seines Menschseins. Aber eben weil das so ist, zeigt Jesus Respekt vor dem Menschsein von Zachäus. Und hilft ihm so, sich selbst nicht auf die Fehler, auf die Schuld festzulegen und wie in einem Kreislauf immer so weiter zu machen und nicht rauszukommen. Durch diesen unerwarteten Respekt bekommt Zachäus die Chance, sich selber neu zu sehen. Und sich zu ändern. Er wird an anderer Stelle wieder schuldig werden. Aber der Respekt vor seiner Menschlichkeit, die er durch Jesus erfahren hat, wird ihm dabei helfen können, auch dann wieder neue Wege zu finden. Nicht die Änderung und Besserung, die von Zachäus erzählt werden, sind Grund für den Respekt, sondern der Respekt, den er durch Jesus erfährt, ist Grund für seine Änderung. Respekt ist nicht Angst. Auch gegenüber Gott nicht Angst vor Strafe. Gott schenkt uns Respekt. Jedem von uns, auch dem, der es uns schwer macht, ihn zu respektieren. Und wir? Wenn Zachäus heute Zack wäre, der Typ, der Respektschellen verteilt, würde Jesus wahrscheinlich trotzdem mit ihm essen. Und ihm zeigen, dass er keine Angst vor ihm hat. Keine Angst zu haben, Zack widersprechen, sich gegen Respektschellen zu wehren und dem anderen trotzdem Respekt zu zeigen, das ist sehr schwer. Vielleicht bleibt manchmal tatsächlich nichts anderes übrig, als da, wo wir die Kraft dazu nicht haben, Jesus zu bitten, an unserer Stelle das zu tun. Und bei Zachi hilft’s vielleicht, ihm mal zu zeigen, dass er nicht auf dicke Hose machen muss, sondern dass es auch noch andere wichtige Dinge gibt und ihm klar zu machen, was er durch sein Gehabe anrichtet. Aber auch da könne Menschen ohne Jesus und seine Mithilfe wenig tun. Denn wie Zachäus müssen sowohl Zack als auch Zachi müssen erkennen können, das Respekt nichts mit Angst oder mit dickem Auto zu tun hat. Bei Zachäus fing das damit an, dass er einfach neugierig auf Jesus war, ohne zu wissen, was ihn erwartet. Und wie ist das bei uns? Ich wünsche uns, dass wir diesen Respekt, den Gott uns gibt, immer wieder spüren und diesen Respekt auch weiterschenken. Und dass sich so Verhalten ändern kann. Und ich wünsche mir, dass wir selbst bei Menschen, die es uns schwer machen, sie zu respektieren, weil sie Respekt mit Angst verwechseln und Angst verbreiten, die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Begegnung mit Jesus sie ändern kann. Den Menschen nicht aufgeben. Vielleicht ist das für uns die Form, wie wir den Respekt von Jesus leben können. Amen

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