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Samstag, 19. Januar 2013

Kein Urlaub für immer, aber Leuchtturm im Leben - letzter n. Epiphanias, 20.01.2013, Reihe V

Text: Johannes 12,34-36
Liebe Gemeinde!
Morgens ohne Wecker wach werden. Irgendwann, dann, wenn es soweit ist und nicht dann, wenn die Pflicht ruft. Gemütlich frühstücken. Stundenlang durch verschneite Wälder wandern. Zwischendurch gemütlich einkehren, was Gutes essen und trinken. Zeit zum Lesen. Auch mal eine Serie im Fernsehen einschalten. Zeit für den Menschen zu haben, den man liebt. Das müsste eigentlich immer so sein. Das würde ich gern festhalten, nicht mehr loslassen. Aber leider ist mein Urlaub schon wieder mehr als eine Woche vorbei.
Sicher sind es bei jedem andere Dinge, die das Gefühl auslösen: So müsste es doch immer sein! Das muss kein Urlaub sein, das kann einfach auch mal ein schöner Tag mit einem tollen Menschen sein, die neue große Liebe oder, warum auch nicht, ein Arbeits- oder Schultag mit dem Gefühl: heute hast du was richtig Gutes geschafft. Heute war alles so, wie es besser eigentlich kaum geht.
Gute Zeiten: am liebsten festhalten und für immer konservieren. Und viel mehr noch Menschen, die mir gut tun, deren Nähe nicht nur dazu führt, dass ich mich irgendwie gut fühle, sondern dass ich merke: mein Leben gewinnt durch diesen Menschen: nie sollen die weg sein! Ich glaube, dass ich nicht der Einzige bin, Augenblicke oder Menschen, die einfach gut sind, gern festhalten möchte.
Und in der Bibel, bei den Propheten, wird eigentlich so etwas versprochen. Etwas, was weit über einen schönen Urlaub oder den Mann oder die Frau fürs Leben hinausgeht. Da wird vorhergesagt, dass sich durch den Christus, den Messias, den Gott in diese Welt schickt, alles für immer zum Guten wendet. Ungerechtigkeit gibt es nicht mehr, Gewalt wird ein Ende haben. Alles wird gut. Nicht nur für ein paar nette Urlaubstag, sondern ganz grundsätzlich. Nicht nur für mich und meine Familie oder meine Freunde, sondern wirklich für alle.
Ja, solche Versprechen gibt es in der Bibel, und sie sind viel älter als Jesus. Und der kommt. Und er begegnet Menschen. Und die Menschen merken: Da passiert etwas mit mir. Die Begegnung mit Jesus macht nicht nur mein Leben gut, sondern da verändert sich auch um mich herum ganz viel. Da weiß einer wirklich, wovon er redet: von Gott. Da ist Gott zu sehen, da ist Gott wirklich da, wenn Jesus in der Nähe ist. Und die Menschen, die ihm begegnen und das spüren, die kennen die Versprechen aus der Bibel. Und sie glauben und hoffen: Jetzt wird alles wirklich gut. Für immer!
Und dann die Enttäuschung: Jesus lässt sich nicht festhalten. Er, der Christus, der Messias, der doch ewig sein soll, erzählt immer wieder, dass er weg gehen wird. Dass er erhöht wird, zurück zum Vater geht. Nichts ist es mit der Ewigkeit. Kein Wunder, dass sich ein Stück Enttäuschung breit macht bei den Menschen, die eben noch große Hoffnungen hatten. Kein Wunder, dass die Menschen misstrauisch werden und fragen: Wer bist du eigentlich?  du sagst, dass du der verheißene Messias bist, der Christus, aber bleibt der nicht ewig? Warum gehst du fort? Wieso sagst du, dass du erhöht werden musst und meinst damit, dass du sterben wirst?
Fragen, jede Menge Fragen, von denen unser Predigttext heute erzählt. Fragen sind menschlich, fragen ist menschlich. Das unterscheidet uns von allen anderen Lebewesen. Und Fragen haben können ganz verschiedene Zwecke verfolgen. Sie können
, ganz neutral, reine Wissensfragen sein, um Dinge oder Menschen näher bestimmen zu können und Zusammenhänge herstellen zu können. Wer hat den Schneeball geworfen? Wie groß bist du? Wo geht es nach Cappel? Welche Farbe hat das Edeka-Schild?
Aber Fragen können auch dazu dienen, andere in die Enge zu treiben, ihnen zu zeigen, dass sie doch nicht so viel wissen oder so gut sind, wie man glaubt, dass sie immer tun. Oder sie können dazu dienen, Trauer oder Wut oder Unverständnis etwas freundlicher auszudrücken. Für mich gehören die Fragen, die die Menschen in unserem Predigttext für heute an Jesus stellen, zu dieser Art von Fragen. Fragen, die nur mühsam die Trauer verbergen, dass sich Erwartungen nicht erfüllt haben. Fragen, die von der Enttäuschung erzählen, den, den man liebt, der einem gut tut, nicht festhalten zu können. Wer bist du eigentlich? Hast du uns auf den Arm genommen, als du uns erzählt hast, du wärst der Christus? du bist nicht ewig bei uns, du bist anders, als wir es uns vorstellten? Erzählt denn die Bibel, das Gesetz, Gottes Wort Unsinn, wenn Du so anders bist, als es da wörtlich steht? Worauf können wir uns eigentlich verlassen? Wer hat denn Recht? Zweifel, Trauer, Enttäuschung sprechen für mich aus den Fragen. Und es ist wichtig, dass nicht einzelne Menschen diese Fragen stellen, sondern das Volk. Alle. Für mich nimmt dieses Volk auch uns heute in diese Geschichte mit hinein. Kann ich Christus eigentlich wirklich trauen? Mache ich mir nicht etwas vor, wenn ich Jesus vertraue? Haben nicht doch die anderen Recht, die sagen, er hat nicht wirklich was mit Gott zu tun? Wie kann ich das, was mir gut tut, so bewahren, dass ich es nicht mehr verliere? Müsste der Messias, der Erlöser, den Gott schickt, nicht mitten in der Welt zu sehen sein, nicht alles gut machen, wenn es ihn wirklich gibt? wo bist du denn bei dem ganzen elend dieser Welt? Fragen und Zweifel, genährt nicht nur von Kriegen, Katstrophen und Unglücksfällen, nicht nur davon, dass christliche Krankenhäuser Vergewaltigungsopfer abweisen oder manche ihren kirchlichen Beruf missbraucht haben, um sich an Kindern zu vergehen. Fragen und Zweifel, genährt auch von persönlichen Enttäuschungen. Von Erfahrungen mit dem Tod, mit schwerer Krankheit, mit Selbstmorden, mit zerbrochenen Beziehungen, mit enttäuschter Liebe.
Und was sagt Jesus dazu? Mir fällt auf, dass er zwei Dinge NICHT tut, die ich vielleicht getan hätte. Erstens ist er nicht beleidigt. Er sagt nicht: „Was sollen denn die Fragen? Ihr habt ja keine Ahnung, ihr seid dumm und nicht wert, dass ich mich mit euch abgebe, wenn ihr mich in Frage stellt.“ So nicht! Und er erklärt auch nicht lang und versucht auch nicht haargenau auf die Fragen einzugehen, damit es auch noch der letzte kapiert. Auch so nicht.
Jesus macht etwas anderes. Er zeigt den Menschen, die ihn fragen und auch ein Stück weit in Frage stellen, einen Weg, wie sie in ihrem Glauben an ihn erwachsen werden können. Er zeigt kein Glaubenspflegeheim mit Rund-um-die-Uhr-Service, sondern er öffnet Räume der Freiheit im Glauben. Er sagt: Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle. Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht. Glaubt an das Licht, solange ihr's habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet. Ihr werdet eigene Wege gehen müssen, ich werde euch euer Leben nicht abnehmen. Nichts anderes sagt Jesus hier. Und ihr werdet manchmal sicher auch Schwierigkeiten haben, einen guten Weg im Leben zu finden. Jesus macht den Menschennichts vor. Er verspricht kein einfaches und sorgenfreies Leben, sondern er verspricht, dass mit seiner Hilfe ein eigener, guter Weg im Leben gefunden werden kann. Das Licht, von dem Jesus erzählt, hat für mich etwas von einem Leuchtturm. Der zeigt einem auch nicht den ganzen Weg, sondern der gibt Orientierung und weist auf gefährliche Stellen hin. Ich bin als Mensch selbst der Kapitän auf meinem Lebensschiff. Ich muss mich entscheiden: Nehme ich den Leuchtturm ernst und als Hilfe an oder ist er mir egal und ich setze mein Lebensschiff vielleicht auf Grund und versenke es? Leuchtturm zeigt auch nicht den genauen Weg, sondern die Richtung. wie ich da einen guten Weg finde, das kann ganz vielfältig sein. Praktisches Beispiel: Jesus sagt nicht: als Christ darfst du dich nicht piercen oder tätowieren lassen und als Christin musst du Röcke und lange Haare tragen. Jesus sagt nicht: du musst zur Orgel singen oder moderne Lieder sind besser. Jesus sagt nicht: du musst einem Bettler 5 Euro geben oder du darfst deine Toten nicht in einer Urne bestatten. Welches für mich der richtige Weg ist, das kommt auch auf die konkrete Situation an, auf das, was ich schon mitbringen, auf das, was Jesus MIR für MEINEN Weg sagen will. Die Orientierung, die er gibt, ist die an seiner Liebe. An der Liebe, die Menschen annimmt und nicht ausschließt, weil sie anders aussehen, eine andere Sprache sprechen, weniger Geld haben. die nicht mobbt, weil jemand vielleicht bessere Noten oder eine Zahnspange oder eine große Nase hat. Kinder des Lichts werden wir nicht durch Lippenbekenntnisse, nicht dadurch, dass wir Glaubensbekenntnisse, Psalmen und Liedverse aufsagen können. Kinder des Lichtes könne wir dadurch werden, dass wir die Liebe, die wir in Christus erkennen und die uns geschenkt wird, dass wir die Orientierung, die er gibt, ernst nehmen und anderen dadurch Orientierungshilfen. Kinder des Lichtes werden wir nicht dadurch, dass wir perfekt und fehlerfrei werden, sondern dass wir immer wieder den Mut haben, uns an dem, was dem Licht der Welt entspricht orientieren und den Mut haben, einen falschen Kus zu korrigieren.  
Nicht das Gute festhalten, nicht den Urlaub und nicht die Liebe, noch nicht einmal den geliebten Menschen, sondern loslassen und sich immer wieder neu auf den Weg machen, auf dem Jesus Orientierung gibt, dazu macht er hier Mut. Dem Volk damals. Und hoffentlich auch uns heute. Das Licht der Welt will nicht durch grelles Ausleuchten Angst verbreiten, sondern den Mut stärken, auch im Dunkel Schritte zu gehen, weil es uns Wege weist. Wege zum Leben. Keinen für alle und zu allen Zeiten gleichen Weg, sondern einen Weg mit Raum zum eigenen Glauben, Hoffen, Lieben, Denken, Vertrauen und Handeln.Amen.

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