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Donnerstag, 3. Mai 2012

Glaubst du Gott? - Konfirmation 2012, Beicht- und Abendmahlsgottesdienst

Text: Lukas 7,36-50
Liebe Konfis, liebe Gemeinde!


Glaubst du Gott? Nein, ich hab mir jetzt nicht angewöhnt so wie manche Jugendliche zu sprechen und Satzteile wegzulassen, so nach dem Motto: „Gehst du Kirche? Hast du Rücken?“ Ich will wirklich nicht fragen: „Glaubst du an Gott?“, sondern: „Glaubst du Gott?“ Die Frage hat vor ein paar Monaten Fossy in seiner Predigt im letzten Jugendgottesdienst gestellt. Fast alle von euch Konfis waren da. Und obwohl wir jetzt fast ein Jahr viel miteinander erlebt und geredet haben, obwohl ich euch immer ein Stück mehr kennengelernt habe, weiß ich nicht, wie ihr antworten würdet. Ihr könnt alle auswendig sagen: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen…“ und so weiter. Und ich glaube euch tatsächlich, dass ihr das, trotz und mit allen Fragen, die ihr habt, auch ernst meint, wenn ihr das im Gottesdienst mitsprecht. Aber ob ihr Gott glaubt, dass er jeden von euch tatsächlich liebt, dass er mit jedem von euch tatsächlich was zu tun haben will? Es hört sich einfach an, wenn ich jetzt, am Ende der Konferzeit, nachdem ihr alles, was ihr lernen solltet auch ganz passabel gelernt habt, sage: „Ihr braucht nicht an Aussagen zu glauben, die Leute lange vor euch gemacht haben, ihr braucht nicht an Gebote zu glauben, es reicht, wenn ihr Gott glaubt!“ – dann hört sich das viel einfacher an, als es ist. Es ist nämlich viel leichter, daran zu glauben, dass es zum Beispiel Regeln und Gebote gibt, die sinnvoll und hilfreich sind, an Sätze zu glauben wie „Gott ist der Schöpfer der Welt“ oder „Jesus starb für unsere Schuld“, als Gott seine Liebe zu mir zu glauben. Hört sich vielleicht jetzt abgehoben und oberschlau an, ist aber eigentlich genau das, um was es in der Geschichte aus der Bibel geht, die wir gerade gehört haben und was meiner Meinung nach auch das Entscheidende im Glauben überhaupt ist: Nicht möglichst viele Sätze zu kennen und zu können, sondern Vertrauen zur Liebe zu haben, Gott zu glauben, dass er mich kennt, mich liebt, mich meint.

Simon, der in der Geschichte aus der Bibel Jesus zum Essen eingeladen hat, war einer, der es ernst mit dem Glauben meinte. Er kannte die Regeln gut
und hat sich dran gehalten. Er hat Jesus zum Essen eingeladen, weil er Gott wirklich nahe sein wollte. Und mit Jesus hat er viele Freunde von sich eingeladen, die genauso fromm waren und sich auch an die Gebote Gottes hielten. Und dann kommt eine Frau, die stört. Stadtbekannt war sie als Sünderin. In manchen Übersetzungen steht, dass sie eine Prostituierte war. Mal wieder typisch. Kaum ist von Sünde die Rede, denken die meisten an Sex. Ich finde es besser, dass es, wie im Original, offen bleibt. Man kann eben wirkliche eine ganze Menge falsch machen und sich ganz schnell einen schlechten Ruf erarbeiten. Und die Frau, die keiner dabei haben will, weil sie eben nicht klassisch an Gott glaubt und Bekenntnisse und Gebote aufsagen kann und sich in ihrem Leben auch nicht so verhalten hat, dass sie gezeigt hätte, dass sie fromm ist, die glaubt ganz einfach Gott. Die traut Gott, die traut Jesus zu, dass seine Liebe auch für sie gilt. Die liebt ganz einfach. Die hält sich nicht an Regeln fest, sondern die glaubt der Liebe – und so erfährt sie auch, was Vergebung heißt. Vergebung heißt nicht, dass man irgendwas wieder gut macht. Die meisten Dinge kann man nicht wieder gut machen. Die Beleidigung ist ausgesprochen, das Vertrauen, das durch Klauen zerstört ist, ist erstmal kaputt, fremdgehen kann man nicht aus dem Leben streichen, und erst recht kann man niemanden wieder lebendig machen. Vergebung heißt für mich: der Liebe zuzutrauen, dass man einen Neuanfang schafft, trotz allem, was vorher gewesen ist.

Ich will nicht sagen, dass Gebote und Regeln für den, der Gott glaubt, nutzlos oder unwichtig sind. Im Gegenteil. Die Zehn Gebote sind zum Beispiel tolle Wegweiser für die Freiheit zum Leben. Wenn ich wirklich nur Gott als Gott verehre und keinen anderen Menschen zu einem Gott mache, dann entlaste ich auch den anderen und nehme ihn ernst. Keine Freundin, kein Freund, kein Mann, keine Frau kann wirklich alles für einen anderen sein. Damit ist jeder überfordert. Jede und jeder von uns hat seien Macken und Fehler und auch Schuld. Ich nehme den anderen als Menschen ernst, ich kann ihn als Menschen lieben, wenn ich ihn oder sie nicht zu Gott mache. Und wenn ich nicht Geld oder Autos oder gute Noten oder was auch immer zu dem mache, was meinem Leben Sinn gibt. Und die meisten Gebote schützen ja die, die schwächer sind, davor, dass sie nicht von den Starken ausgenutzt werden. Freiheit ohne Regeln ist keine Freiheit, sondern die Diktatur der Skrupellosen. Absolut lieblos.

Glaubst du Gott, dass er es mit seiner Liebe zu dir ernst meint? Wenn ich das glauben kann, dann kann ich auch glauben, dass Gott es mit seiner Liebe zu anderen, die mir nicht so nahe sind oder die ganz anders sind als ich, ernst meint. Gott liebt mich nicht, weil ich an ihn glaube, sondern weil er an mich glaubt. An meine Fähigkeit, Liebe zu schenken, Dinge besser zu machen, Fehler und Schuld nicht nur bei anderen, sondern bei mir zu sehen.

Ich denke, dass Simon in unserer Geschichte zu viel an die Gebote geglaubt hat und noch zu wenig einfach Gottes Liebe in Jesus vertraut hat. Aber das kann ja noch werden.

Ich wünsche euch, dass ihr Gott glauben könnt, dass ihr liebenswert seid. Ich wünsche euch, dass euch das so stark macht, dass ihr selber Liebe schenken könnt, dass ihr anderen vergeben könnt und Vergebung annehmen könnt. Ich wünsche euch, dass ihr nicht daran verzweifelt, dass ihr nicht jeden lieben könnt, sondern dass ihr eure Grenzen als Herausforderung seht und Gott zutraut, dass seine Grenzen größer sind als eure.

Und ich wünsche mir, dass ich das nicht nur als gut gemeinte Predigt zu Konfis und Eltern und Verwandten sage, sondern dass ich das zuallererst selber hören kann.

Amen

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