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Sonntag, 11. September 2011

9/11 - böse Welt und gute Hoffnung, 12. n. Trinitatis, Reihe III

Text: Jes 29,17-24

Liebe Gemeinde!

Bei vielen, die älter als 18 oder 20 sind, gehen heute die Gedanken 10 Jahre zurück. 11. September 2011, das Undenkbare geschieht. Flugzeuge werden entführt und in das World Trade Center, in das Pentagon, das amerikanische Verteidigungsministerium, gelenkt. Weit über 3000 Tote bringt dieser Tag direkt. Bilder, die sich ins Bewusstsein eingebrannt haben. Töne, die einem kaum aus dem Kopf gehen. Wenn ich an diese Zeit vor 10 Jahren denke, dann geht mir eine Toncollage nicht aus dem Kopf. Handygespräche von Menschen aus dem World Trade Center, in denen sie ihren Angehörigen erzählen, wie sehr sie lieben, kurz bevor die Häuser einstürzen und die Gesprächsteilnehmer umkommen, rein gemischt in das Lied „Angel“ der amerikanischen Liedermacherin Sara McLachlan. Weit über 3000 direkte Tote – und ungezählte Tote in der Folge in den Kriegen im Irak, in Afghanistan, durch Terroranschläge in London, Madrid, vielen Ländern Afrikas und Asiens, durch Folter und Hass. Heute vor 10 Jahren. Ein Tag, der die Welt böser und schlimmer gemacht hat. Nicht nur, weil ein paar von blindem Hass getriebene Terroristen durch eine mehr als zweifelhafte Auslegung des Korans Tod und Schrecken gebracht haben und ihre ganze Religion im Westen unter den völlig irrsinnigen Generalverdacht des Terrors gestellt haben. Sondern auch weil Menschen, die sich im christlichen Glauben verwurzelt fühlten oder fühlen, auf diesen Hass angesprungen sind .

In Gefängnissen nicht nur im Irak wurden Menschen gefoltert und gedemütigt, in Gefangenenlagern das Recht auf einen fairen Prozess außer Kraft gesetzt. Und Menschen, die irgendwie muslimisch aussehen oder arabische Namen haben, wurden und werden immer noch bei Sicherheitskontrollen eher scharf und unfreundlich behandelt. Die Beschimpfung von Muslimen im Internet ist genauso salonfähig geworden wie rassistische Parteien in unseren Nachbarländern. Muslime sind mit Sicherheit keine besseren Menschen. Es gibt dort auch viele Gestalten, die sehr, sehr zweifelhaft sind und die Hass anstacheln. Aber dürfen wir als Christen uns davon in unserer Hoffnung und in dem, was wir in der Hoffnung auf das, was Gott möglich macht, leben, irre machen lassen? Ich glaube nicht. Wer sich, ob als Politiker oder als einfacher Bürger, auf das christliche Abendland und christliche Werte beruft, der kommt an den wunderbaren Frie-denshoffnungen der Propheten, die uns auch mit den Juden und dem Volk Israel verbinden, nicht vorbei. Und deshalb finde ich es mehr als nur einen gelungenen Zu-fall, dass ausgerechnet heute, am 11. September 2011, so ein Text der von der Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit, auf die hin wir leben, als Predigttext vorgesehen ist. Diese Hoffnung hat der Prophet Jesaja aufgeschrieben, sie steht in Kapitel 29 seines Buches:

Lesen: Jesaja 29,17-24

Augen und Ohren gehen auf, Menschen, denen Recht und Gerechtigkeit und ein das Überleben gut sicherndes Einkommen vorenthalten wurde, kommen zu ihrem Recht, Tyrannen und Unterdrücker werden beseitigt und das alles wird eine große Einladung dazu sein, Gott als wahren Herrn der Welt zu erkennen. Eine Einladung zum Glauben an Gott, die nicht durch Krieg
und irgend-welche Zeichen von Gewalt kommt, sondern eine Einla-dung, die erfolgreich ist, weil sich Gerechtigkeit und Recht durchsetzen. Alle, die sich irren, kommen wieder zu Verstand! Was für eine schöne Hoffnung! Und wie weit ist eigentlich unsere Wirklichkeit von dieser Hoffnung weg? Wie sehr verraten wir als Christen, auch ich als Pfarrer, auch wir als Gemeinde auf dem Richtsberg, unsere Hoffnung, in dem wir so leben, als würde das alles nur für eine ferne Zeit gelten und als könnten wir jetzt nur nach ganz anderen Maßstäben le-ben?

Sicher, die Wirklichkeit sieht nicht erst seit dem 11. Sep-tember und nicht nur in Afghanistan, Irak, Afrika ganz anders aus. Auch bei uns wird gelogen, auch bei uns kommen arme Menschen nicht zu ihrem Recht. Auch bei uns wird sehr stark darauf geachtet, wo einer herkommt und welchen Ruf einer hat. Wer im falschen Viertel aufgewachsen ist, hat manchmal schon mit seiner Adresse schlechtere Karten bei der Suche nach Arbeit. Es wird gelogen, betrogen und getrickst. Aber soll das ein Grund dafür sein, das richtig zu finden oder mitzumachen? Eines der falschesten und schlimmsten Worte der letzten Zeit ist das viel zu oft gebrauchte Wort „alternativlos“. Egal, ob es um den Euro-Rettungsschirm, den Einsatz in Afghanistan, sogenannte Anti-Terror-Maßnahmen oder Maßnahmen im Gesund-heitswesen geht – alles ist plötzlich „alternativlos“. Un-sinn. Es gibt natürlich bessere und schlechtere Handlungsmöglichkeiten. Aber es gibt nie nur eine Handlungsmöglichkeit. Gerade als Christen müssen wir uns doch fragen lassen und selber fragen, wie wir die Hoffnung mit Leben füllen, die in der Bibel, gerade auch bei den Propheten steckt. Gott will die Menschen nicht mit Gewalt, sondern mit Frieden und Gerechtigkeit davon überzeugen, dass er der wahre Gott ist, die Hoffnung der Welt. Natürlich sind wir Menschen nicht Gott und wir werden es nie schaffen, die perfekte Welt herzustellen. Aber wir können durch unser Leben jetzt schon Zeichen der Hoffnung setzen. Wir können widersprechen, wenn anderen ihre Menschenrechte verweigert werden. Wir können widersprechen, wenn Hass gesät wird. Wir können Zeichen der Hoffnung setzen, dass eben kein Mensch aufgegeben werden soll. Für mich ist es, wie gesagt, unglaublich gut, diesen Hoffnungstext gerade heute als Predigttext zu haben. Nicht nur wegen der Erinnerung an den 11. September 2001 und der Ermutigung, als Christ gegen Hass und Gewalt aufzustehen, sondern auch, weil heute Daniel Wegner in seinen Dienst in der Jugendarbeit eingeführt wird. Auch da geht es um Gerechtigkeit für Jugendliche. Darum, dass Jugendliche ihren Platz finden und sich als willkommen und geliebt, so wie Gott sie sieht, wahrnehmen können. Aber auch darum, dass Ju-gendlichen, die sich in falsche Wege verrannt haben, die Gewalt, Kriminalität oder Mobbing zu ihrem Lebensstil gemacht haben, ermutigt werden, eine andere Hoffnung zu finden und zu entwickeln. Daniel wird Rückschläge in seiner Arbeit haben, wir als Gemeinde werden das, jeder von uns erlebt das. Aber die Hoffnung, dass ein anderes Leben möglich ist, dass eine Welt, in der Gerechtigkeit, Frieden und die Erkenntnis der Wahrheit möglich sind mehr als ein frommer Wunsch ist, wird auch durch den Dienst von Daniel wachgehalten.

Und nicht nur Daniel hält Hoffnung wach oder kann das tun. Konfis, die spüren, wo andere ungerecht behandelt werden und das auch sagen, Erwachsene, die ihren Nachbarn in schweren Zeiten helfen, die sich auch nicht damit zufrieden geben, dass Muslime oft mit Terroristen gleichgesetzt werden, kostenlose Nachhilfe im Cafe Central, offene Ohren für die Sorgen und Probleme anderer: es gibt vieles, auch auf dem Richtsberg, auch in unserer Gemeinde, was diese Hoffnung, von der Jesaja spricht, wachhalten kann. wie schon gesagt, was mir nicht nur am 11. September wichtig ist, ist die Art, wie Jesaja hier davon redet, dass Menschen Gott als den Herrn der Welt erkennen: nicht durch Schrecken und Tod; nicht durch Gewalt und Krieg; sondern durch Gerechtigkeit und Frieden; durch ein Ende von Terror und Diktatoren. Gebe Gott,dass wir ein glaubwürdiges Zeugnis dieser Hoffnung abgeben. Gebe Gott, dass wir uns nicht irre machen lassen, wenn andere erzählen, dass die Welt so ist, wie sie ist und dass nichts zu än-dern wäre. Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist, es ist nur deine Schuld, wenn sie so bleibt. Kein christliches Zitat, aber ein Zitat, das die Richtung anzeigt. Wobei ich nicht von Schuld reden will. Vielleicht können wir manchmal nur wenig ändern. Aber umso mehr Hoffnung leben und Gott vertrauen, dass sich Hoffnungen erfüllen. Gebe Gott, dass wir der Hoffnung nicht durch unser Verhalten im Weg stehen. Amen.

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