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Sonntag, 7. August 2011

SATT! - 7. Sonntag n. Trinitatis, Reihe III, 07.08.2011

Text: Joh 6,30-35



Liebe Gemeinde!

Wie es ist, Hunger und Durst zu haben, habe ich noch nie wirklich erleben müssen. Ich bin ein begeisterter Bergwanderer und auch schon in großer Hitze unterwegs gewesen. Natürlich hatte ich dann irgendwann auch Durst, aber ich wusste: spätestens dann, wenn ich wieder bei meiner Unterkunft bin, kann ich auch genügend trinken. Und wirklich Hunger musste ich noch nie haben. Gott sei Dank geht es hier bei uns fast allen Menschen, die so alt wie ich oder jünger sind ganz ähnlich. Die älteren Menschen, die den zweiten Weltkrieg miterlebt haben, die in Russland als Deutsche in der Trudarmee Zwangsarbeit leisten mussten, die können andere Geschichten erzählen. Aber hier und heute bei uns, da sind Brot und sauberes Wasser reichlich da. Dass es auch ganz, ganz anders sein kann, zeigen im Moment die schrecklichen Bilder aus Somalia und Kenia, wo eine unvorstellbare Dürrekatastrophe täglich hunderten von Menschen, vor allem Kindern und alten Menschen, das Leben raubt. Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. Wie würden wohl die Menschen, die von dieser Hungersnot betroffen sind, die Worte von Jesus hören? Wie haben die Menschen auf der Flucht, in Zwangsarbeiterlagern, als Kriegsgefangene oder in wirklich armen Familien, in Russland, in Deutschland, in den USA diese Worte gehört? Ja, ich bin satt und schnell dabei, diese Worte als geistige Nahrung zu verstehen. Der Glauben an Jesus, der hilft dabei, geistig nicht zu verhungern. Und darüber kann und werde ich noch was erzählen.

Aber mir gehen bei diesen Worten gerade heute die Bil-der aus Afrika genauso wenig aus dem Kopf wie viele Erzählungen von alten Menschen, die für ihre Kinder und sich ums Überleben in schweren Zeiten kämpfen mussten, weil Hunger und Durst auch mitten in unseren Ländern da waren. Und leider immer mal wieder, oft sehr versteckt, auch noch sind. Was würde Jesus tun? Würde er diesen Menschen einfach so sagen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hun-gern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. Also: glaubt an mich und dann geht es euch gut? Wenn ihr Hunger habt und Durst, dann glaubt ihr nicht genug? Nein, das würde er, denke ich, nicht tun. Er würde, so denke, glaube und hoffe ich, genau das tun, was auch in der Bibel, im Johannesevangelium, erzählt wird.

Bevor Jesus über den geistigen Hunger spricht und sich selbst als dauerhafte geistige Nahrung, die Sehnsucht und Hunger nach Tiefe und Sinn im Leben stillt, anbie-tet, stillt er den körperlichen Hunger der Menschen, die um ihn herum sind. Herr Dorn hat die Geschichte von der wunderbaren Brotvermehrung eben vorgelesen. Alle werden satt. Alle haben genug zu essen. Jesus sind die körperlichen Nöte der Menschen nicht egal. Er hat Men-schen satt gemacht, er hat Menschen geheilt, er hat Men-schen getröstet. Wenn wir heute, viele, viele Jahre spä-ter, uns auf Jesus berufen und ihm nachfolgen wollen, wenn wir ihm vertrauen, an ihn glauben und aus seiner Liebe Hoffnung für unser Leben schöpfen wollen, dann könne auch wir uns nicht nur auf das Geistige beschrän-ken. Jesus nachfolgen, an ihn zu glauben, heißt meiner Meinung nach immer auch, die Nöte der Menschen zu sehen, sie ernst zu nehmen und das, was in meiner Kraft steht tun, damit dort, wo ich es kann, Not gelindert wird. Ich glaube wirklich nicht, dass Jesus nur davon erzählen würde, dass er das Brot des Lebens ist, sondern Jesus würde in Somalia, in Kenia und an vielen anderen Orten erst mal alles dafür tun, dass die Menschen satt werden. Unabhängig davon, ob sie an ihn glauben oder Muslime sind, ob sie Naturgötter verehren oder mit Gott und Glauben überhaupt nichts anzufangen wissen.

Gott, Jesus als Gottes Sohn, als Brot des Lebens, sieht den ganzen Menschen an. Er teilt nicht zwischen den körperlichen und den geistigen und seelischen Bedürfnissen von uns Menschen. Für mich eine schöne Wahrheit, die gerade in diesem Kapitel aus dem Johannesevangelium, aus dem sowohl die Geschichte, die Herr Dorn vorgelesen hat, als auch unser Predigttext stammen, steckt. Aber da ist noch mehr. Eine unbequeme Wahrheit über uns Menschen. Das, was Gott nicht auseinanderteilt, die körperliche, leibliche Not, und die seelische, das sehen wir Menschen gern ge-trennt und setzen unsere Wünsche oft sehr einseitig auf das körperliche, auf das sichtbare.

So, wie die Menschen hier in unserer Predigtgeschichte. Damit sie an Jesus glauben können, wollen sie noch ein Zeichen. Gerade eben sind fünftausend Menschen satt geworden. Und da fällt ihnen ein: Mose hat dem Volk Israel bei seiner Wanderung durch die Wüste 40 Jahre lang Gottes Brot, das vom Himmel fiel, Manna, gegeben, damit das Volk nicht verhungert. Typisch Mensch, denke ich mir. Einmal, weil man gern etwas Handfestes hat. Bei Konfirmanden und Schülern, bei Gesprächen mit zweifelnden Erwachsenen und manchmal vielleicht sogar auch ganz tief in mir selber drin, da höre ich immer wieder den Wunsch: „In dieser oft so kaputten Welt, in der so vieles nicht in Ordnung ist, da bräuchte ich doch ganz eindeutige Beweise, sichtbare, greifbare Zeichen, die mir ohne jeden Zweifel beweisen: Gott gibt es wirklich.“ Beweise, die allgemein gültig wären, gibt es aber nicht für die Liebe. Das ist nicht immer so ganz leicht auszuhalten. Typisch Mensch aber auch, weil man nicht genug bekommen kann: da gab es ein Essen, das satt gemacht hat, und schon wird es zur Selbstverständlichkeit, dass man sich nicht mehr darum kümmern möchte. Durch Mose hat Gott immerhin, so erzählt es die Bibel, 40 Jahre lang dafür gesorgt, dass das Volk Israel genug zu essen hat. Da wäre es ja nur richtig, dass Jesus, der ja mehr ist als Mose, überhaupt immer dafür sorgen sollte, wenn er Recht hat. Typisch Mensch – und typisch Gott, typisch Jesus, dass er uns nicht aus unserer Verantwortung entlässt und erst gar nicht auf diese Spielchen eingeht.

Wahres Leben ist eben immer mehr als die reine Befrie-digung von Grundbedürfnissen. Wahres Leben ist mehr als ein ständiges „immer mehr, immer bequemer“ von materiellen Zuwendungen und materiellen Genüssen. Wahres Brot ist mehr als etwas, was kurzzeitig satt macht, was verderben, verschimmeln, hart und trocken werden kann. Was jetzt wahres Leben, wahres Brot ist, das kann ich nur aus meinem Glauben, aus meiner Be-gegnung mit Gott, mit Jesus, mit seiner Liebe sagen. Nicht für alle Zeiten und für alle Menschen gültig, denn nicht ich habe oder bin dieses wahre Brot, das wahre Leben, sondern ich kann selber nur davon essen. Und deshalb noch kurz, bevor ich etwas zum Inhalt, zu meinem Geschmack vom wahren Brot sage, ein paar Gedanken, warum Jesus hier ausgerechnet davon spricht, dass er das Brot des Lebens ist.

Brot ist etwas, was für fast alle Menschen zu den absoluten Grundnahrungsmitteln gehört. Brot ist die Grundlage von ganz vielem – und oft wird es als selbstverständlich hingenommen und kaum beachtet. Vielleicht ist das ja auch manchmal mit Gottes Liebe ganz ähnlich. anderes scheint größer, leckerer, sensationeller, drängt sich nach vorn – und doch bleibt sie die Grundlage von allem. Mehr als das gehört aber für mich der Gedanke dazu, das Brot vom Anschauen und Wissen, dass es da ist allein nicht satt macht. Ich muss reinbeißen, kauen, schmecken. So sehe ich auch den Glauben, so sehe ich Jesus und Gottes Liebe. Gott macht uns ein Angebot. Aber reinbeißen, schmecken, kauen – das müssen wir. Er stellt uns bereit, was wir zum Leben brauchen – Liebe, Vergebung, Anerkennung, die Fähigkeit, sich gegenseitig als Mensch wahr- und ernst zu nehmen. Aber ob wir etwas damit anfangen, ob wir seinen Weg gehen oder einen Weg, der nicht satt macht, weil er egoistisch nur das eigene sieht und Verge-bung und Liebe als Schwächen auslegt, das liegt an uns. Gott zwingt niemanden zur Liebe und zum Glauben. Je-sus bietet Leben an – wir selber müssen dann leben. Und dieses Leben, dass den Geschmack des wahren Brotes kennt, das kann dann wirklich verändert sein. Für mich gehört da ganz vorn die Erkenntnis hin, dass Menschen, auch ich, immer wieder schuldig werden und auf Verge-bung angewiesen sind. Dass wir aber, trotz dieser Un-vollkommenheit, eine ganze Menge Gutes tun können. Für mich gehört in dieses Leben Das Selbstbewusstsein, dass ich meinen Wert nicht dadurch habe, dass andere schlechter als ich sind. Sondern dadurch, dass ich weiß: ich bin geliebt und liebenswert, trotz aller anderen Sei-ten, die ich auch habe. Für mich gehört dahin, dass ich die Kraft habe, Dinge in die Hand zu nehmen, die Lebne zum Guten ändern. Mein Leben und das Leben von an-deren. Nicht erst irgendwann und irgendwo in einem fernen Himmel, sondern schon jetzt auf dieser Welt. In dieser Welt. In der vielen nicht nur das Brot des Lebens, sondern auch das Brot zum Leben fehlt. Jesus gibt bei-des. Ich wünsche mir, dass er mich, uns alle vielleicht, dazu fähig macht, unser Brot mit Freude zu genießen und anderen dort, wo wir es können, Brot zu geben. Brot für Leib und Seele.

Amen.

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