Beliebte Posts

Sonntag, 14. August 2011

Frieden? - "Ich hau der Schlampe eine rein" - Frieden!, 8. n. Trinitatis, 14.08.11, Reihe III

Text: Jesaja 2,1-5

Liebe Gemeinde!


Eine Welt ohne Krieg – wahrscheinlich hat es die nie ge-geben. Hier in Deutschland und in den meisten Ländern der EU kennen nur Rentner den Krieg aus eigenem Erle-ben, aber schon in Kroatien, Serbien, Bosnien und dem Kosovo vor unserer Haustür und erst recht in vielen Ländern in Asien und Afrika ist das ganz anders. Krieg und Gewalt gehörten oder gehören zum Alltag. Eine Welt ohne Gewalt, eine Welt in der sich Menschen aus allen Ländern, egal welche Religion sie haben und egal welchen Gott sie angebetet haben, von dem einen Gott zurechtweisen lassen und aus der Spirale der Gewalt – wie du mir, so ich dir, wenn du mich anmachst, dann kriegst du es doppelt zurück – ausbrechen und keiner mehr lernt, Krieg zu führen, eine Welt, in der keine Waffen mehr hergestellt werden und es nur noch darum geht, den Menschen angenehme Lebensbedingungen zu schaffen und die Menschen satt zu bekommen, eine solche Welt war ein Traum, ist ein Traum und wird es, solange ich lebe, vermutlich bleiben.

Ist es dann nicht völlig sinnlos
, solche uralten Worte vom Propheten Jesaja aus der Bibel vorzulesen und darüber zu reden? Machen wir uns denn nicht etwas vor, wenn wir sagen: Gott ist ein Gott des Friedens, wenn Gewalt im Namen Gottes nicht nur bei radikalen Terroristen oder bei den Kreuzzügen des Mittelalters eine Rolle spielte, sondern wenn auch heute noch Gewalt oder die Todesstrafe auch von Christen gerechtfertigt wird, wenn auch christliche Unternehmer und christliche Regierungen Waffen produzieren und verkaufen, wenn evangelische und katholische Militärpfarrer, wenn jüdische Militärgeistliche bei den Armeen in Afghanistan und im Irak, bei militärischen Konflikten und Auseinandersetzungen in der ganzen Welt mit im Einsatz sind? Lügen wir uns nicht selber was vor, wenn wir diese schönen Worte von Jesaja, dass am Ende der Zeit Gott dafür sorgen wird, dass Kriege nicht mehr sein werden und die Völker die Wahrheit er-kennen und in Frieden miteinander leben, wenn wir die-se schönen Worte für wichtig halten? Ja, diese Verse aus der Bibel scheinen etwas für romantische Spinner zu sein, weil die Welt anders tickt.

Ja, natürlich können wir uns zufrieden geben mit dieser Welt. Wir können feststellen, dass sie nun mal so ist, wie sie ist. Kann man nichts machen. Wir können die Worte der Bibel für frommen Selbstbetrug und für Spinnerei halten. Oder für eine nette Gewissensberuhi-gung am Sonntag, bevor dann am Montag der alte Konkurrenzkampf, der Krieg um gute Noten und Geld, die Auseinandersetzung darum, wer die besten Lebensvoraussetzungen hat, ungebremst weitergeht. Wir können aber auch ganz einfach mal versuchen, die Worte ernst zu nehmen. Wenn ich die Bibel hier an dieser Stelle ernst nehme, dann fallen mir drei Sachen auf. Das erste ist, dass sich kein Krieg dieser Welt, keine gewaltsame Auseinandersetzung und keine Herabsetzung von Menschen aus fremden Völkern oder mit einer fremden Religion dauerhaft auf Gott berufen kann. Sein Wille ist ganz offensichtlich etwas anderes. Die Versöhnung zwischen den Völkern und Menschen, der Verzicht auf Gewalt, das Ende des Leidens, gute Lebensmöglichkeiten für alle Menschen, das ist das, was am Ende im Namen Gottes da stehen wird. Es gibt keinen guten und gerechten Krieg, jeder Krieg erzeugt Leid. Und es gibt erst recht keinen Krieg im Namen Gottes.

Das zweite, was mir auffällt, ist, dass diese Wahrheit allerdings leider nichts ist, was wir Menschen herstellen können. Jesaja sagt nicht: „Strengt euch an, dann wird das schon was.“ Jesaja sagt, dass dieser Friedenszustand etwas ist, das erst ganz am Ende der Zeit kommen wird. Als Geschenk von Gott, als sein endgültiger Wille für diese Welt. Also doch nur eine Träumerei, die nichts mit der Gegenwart zu tun hat? Müssen und sollen wir uns mit dem oft gewalttätigen Alltag in der Welt zufrieden geben? Ich glaube nicht, denn da ist noch die dritte Beobachtung, die ich an dem, was Jesaja hier sagt, mache: Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des Herrn! Mit diesen Worten hört unser Predigttext auf. Für mich heißt das nichts anderes als: Lasst euch jetzt schon anstecken von dem, was erst in Zukunft Wirklichkeit werden wird. Orientiert euer Handeln jetzt schon an dem, was Gottes Willen ist, auch wenn sich dieser Willen noch nicht überall zeigt und auch wenn andere anders reden, denken, handeln und glauben. Jesaja sagt nicht, dass alle Menschen jetzt, also zu seiner Zeit, schon danach leben werden. Die, die Gottes Wort hören, die, die ihn schon kennen, die sollen den Anfang machen. Ihr, die ihr vom Haus Jakobs seid. Und durch Jesus dürfen auch wir uns angesprochen fühlen, auch wenn wir nicht zum Volk Israel gehören. Jesus hat uns in diese Geschichte Gottes mit den Menschen, mit seinem Volk mit hinein genommen. Wenn nicht die, die Gott schon kennengelernt haben, anfangen, sich von dem Guten, das Gott mit den Menschen vorhat, anstecken zu lassen, wer sollte dann den Anfang machen?

Wie nötig es ist, Anfänge zu wagen und sich nicht damit zufrieden zu geben, dass die Welt eben so ist, wie sie ist, zeigt mir in vielem unser ganz normaler Alltag. Niemand von uns wird ihn perfekt und friedlich gestalten können. Keiner von uns kann den Krieg in Afghanistan oder im Irak, die Christenverfolgung in Nordkorea oder das Morden in Mexiko, die Gewalt in Syrien oder die Auseinandersetzungen in Zentralafrika beenden. Kommt nun, lasst uns wandeln im Licht des Herrn, diese Einla-dung von Jesaja will den Mut zum ersten Schritt stärken. Und der fängt für keinen von uns in Afghanistan, Afrika oder Mexiko an. Sondern im ganz normalen Alltag.

Zwei Beobachtungen aus der letzten Woche, die mir ge-zeigt haben, wie nötig es ist, anzufangen und nicht aufs Ende aller Tage, wenn endgültig Frieden sein wird, zu warten. Da steht eine Achtklässlerin zitternd, empört und tief erschüttert auf der Treppe in der Schule. „Ich schlag der die Fresse ein, die Schlampe soll nur noch mal kommen. Ich hau der voll eine rein“ – so ging es die ganze Zeit. Grund war eine Beleidigung. Das Mädchen hat zwar manchmal eine große Klappe, aber eine Schlä-gerin ist sie nicht und ich mag sie. Ich will nicht über sie herziehen und nicht sagen, wie furchtbar sie doch ist. Mir zeigt so ein Verhalten nur, wie weit wir heute schon sind. Nicht weil Jugendliche so schnell draufschlagen, sondern weil Erwachsene den Jugendlichen immer wie-der beibringen, dass nur der Starke weiterkommt, der sich durchsetzen kann. Bewundert werden, auch von Erwachsenen, auch von Lehrern, Eltern, Pfarrern, meis-tens die Siegertypen, die, die es zu was gebracht haben. Bewundert werden auch von Gemeinden die Pfarrer, die das meiste rausholen, die Tricks und Kniffe kennen. Kompromissbereitschaft, nachgeben, verzichten wird gern von anderen gefordert. Wer dazu in der Lage ist, wer auf Vorteile verzichtet, wird aber nicht bewundert. Vielleicht für dumm gehalten, vielleicht bemitleidet, vielleicht gerade mal akzeptiert. Ich kann verstehen, dass das Mädchen in dieser Welt, in der ihr das vorgelebt wird, so reagiert.

Und mir zeigt es, wie nötig gerade wir Erwachsenen, gerade wir als Christen es haben, über unser Verhalten nachzudenken und zu schauen, wie und wo wir im Lichte des Herrn wandeln und wie und wo wir uns von den scheinbaren Sachzwängen dieser Welt anstecken lassen. Die zweite Beobachtung ist die Steigerung dieser kleinen Beobachtung ins Große. Vor gut zwei Wochen war ich in einer zwar vollen, aber sehr friedlichen Stadt, in London. Und vor ein paar Tagen: Bilder wie im Krieg. Erschreckend, zu was Menschen fähig sind. Gewalt, Plünderungen. Und in den meisten Meldungen waren es verwahrloste Kinder, Minderheiten, gewaltbereite Jugendliche ohne Perspektive, die regelrecht Krieg gegen die Nachbarschaft und vor allem gegen die Polizei geführt haben. Leider nicht die volle Wahrheit. Ein guter Teil der bei den Plünderungen und Gewaltexzessen festgenommenen Menschen waren Universitätsabsolven-ten, Menschen mit Beruf. Auch eine 31-jährige Lehrerin war darunter. Das Gefühl, andere ausnutzen zu dürfen, das Gefühl, sich notfalls auch mit Gewalt das, was ich will, zu nehmen, ist in der Mitte der Gesellschaft ange-kommen. Frieden fängt nicht erst dann an, wenn Gott seine Schöpfung vollendet und Schwerter zu Pflugscharen gemacht werden. Frieden fängt nicht erst dann an, wenn in Afghanistan nicht mehr geschossen wird oder in Mexiko keiner mehr umgebracht wird. Frieden fängt dann an, wenn wir, die wir es in der Hand haben, so unvollkommen und so klein es auch sein mag, anfangen, die Worte von Jesaja ernst zu nehmen. Kommt, lasst uns wandeln im Lichte des Herrn Last uns nicht auf morgen warten, bis alles fertig ist. Lasst uns nicht damit zufrieden sein, dass andere Gier, Protzen, Klauen, Besitzen wollen und Draufschlagen stark finden. Lasst uns glaubwürdig vorleben, dass Kompromisse keine Niederlagen sind. Lasst uns glaubwürdig vorleben, dass der Wert eines Menschen weder von seiner körperlichen Stärke noch von seiner Schulbildung oder seinem Reichtum abhängt. Lasst uns hoffen, dass Gott seinen Teil tut und lasst uns unseren Teil tun. Dort, wo wir es können, Vergebung statt Vergeltung zu leben und Macht nicht missbrauchen. Vielleicht würde Jesaja das heute sagen. Eine Welt ohne Krieg werden wir nicht erleben. Aber vielleicht eine Welt mit weniger großen und kleinen Kriegen und Gegeneinander und eine Welt mit mehr Hoffnung. Darauf, das wahr wird, was Gott Jesaja sehen lässt: Frieden zwischen allen Völkern, Recht und Ge-rechtigkeit.

Amen.

Keine Kommentare: