Beliebte Posts

Sonntag, 24. April 2011

Halluja Amen! - Ostersonntag, 24.04.2011, Reihe III

Und hierzu ein Musiktipp: Michaela Meise, Preis dem  Todesüberwinder
Text: Matthäus 28,1-10

Liebe Gemeinde!
Jesus lebt. Amen.

Eigentlich kann ich gar nicht weiter predigen. Mehr kann ich gar nicht verkündigen. Etwas Größeres kann ich nicht sagen. Jeder Versuch, zu erklären, zu beschreiben, Ostern für den Verstand handhabbar zu machen, wird scheitern. Ostern ist die radikale Frage an unseren, an meinen Glauben. Weihnachten, die Geburt eines Kindes, in dessen Lebenslauf Gott zu erkennen ist, eine große Botschaft, aber alles im Rahmen dessen, was ein Verstand irgendwie erfassen kann. Karfreitag, der Tod eines unschuldigen Menschen mit dem Gott sich ganz und gar identifiziert, auch das stellt unseren Glauben nicht auf die ultimative Probe. Geburt und Tod markieren die Grenzen des Verstandes. Aber dass der Tod nicht das Ende ist, das kann ich nicht verstehen. Jeder Versuch, hier vernünftige Erklärungen zu finden, scheitert. Klar ist, dass es ein Ereignis in der Weltgeschichte gab: ein leeres Grab, in dem doch eigentlich ein Leichnam hätte liegen sollen. Was sich da abgespielt hat, davon schweigt sogar die Bibel. Matthäus erzählt hier, dass sich Maria aus Magdala und die andere Maria, zwei Frauen, die Jesus besonders nahe waren, auf den Weg gemacht haben, um nach dem Grab zu sehen. Als sie ankommen, erleben sie eine spektakuläre Show: Erdbeben, ein blendend  weißer Engel kommt vom Himmel, ein schwerer Stein wird weggewälzt. Aber wer jetzt erwartet, dass Jesus im Nebel und unter unerhörten Effekten aus dem Grab kommt. Aber nichts in dieser Richtung passiert. Das Wesentliche ist schon längst geschehen. Das Grab ist leer, der Übergang vom Tod zum Leben ist nicht zu beobachten, er ist wirklich unaussprechlich. „Kommt und seht!“
So werden die Frauen aufgefordert, das Grab zu betreten und sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass es nichts zu sehen gibt. Wer das Leben sehen will, muss vom Tod Abschied nehmen können. Die frohe Botschaft von Ostern ist nicht die, dass wir den Tod überspielen oder verleugnen müssen. Die frohe Botschaft ist die, dass der Tod überwunden ist. Weil er ernstgenommen wird. Jesus lebt – und Menschen sterben weiterhin. Jesus lebt – und die Welt hat immer noch ihre traurigen und schrecklichen Seiten. Jesus lebt – und genau das ist der Grund, warum wir uns nicht von dem Schrecklichen und Traurigen gefangen nehmen lassen müssen, das immer noch da ist. Nicht, weil wir die Augen davor verschließen müssten. Nicht, weil wir es überspielen müssten. Die Frauen am Grab – und mit ihnen auch wir, dürfen und müssen hinschauen. Wir dürfen und müssen dem ins Gesicht sehen, was uns Angst macht. Und das ist ja ganz viel. Der Tod. Die Erfahrungen von Leiden. Die Angst, Liebe zu verlieren oder keine Liebe zu finden. Die Angst, nicht mithalten zu können. Die Angst, zu kurz zu kommen. Die Angst, dass die ganze Welt zu Grunde geht. An einem unverantwortlichen Umgang mit der Umwelt. An Aggression und Gewalt, die im täglichen Umgang von Menschen immer wieder zu spüren ist. An Intoleranz und Feindschaft allem, was anders ist, gegenüber. Die Angst, dass die Welt zugrunde geht an ungehemmten Gewinnstreben, an der Verachtung der Menschlichkeit.
Im persönlichen und gesellschaftlichen Leben, auch im Glaubensleben gibt es sehr viel, was Angst machen kann, was Zweifel daran nähren kann, dass Gott es gut mit uns meint. Es gibt viel zu viel, das uns fragen lässt, ob es wirklich stimmt, dass der Tod, dass die Leben vernichtenden Kräfte ihre Macht verloren haben. Tut nicht so, als gäbe es das nicht. Das ist die Botschaft, die der Engel mitgibt. Öffnet die Augen, seht hin, stellt euch euren Ängsten und Sorgen. Aber: ihr müsst euch nicht mehr davon gefangen nehmen lassen. „Fürchtet euch nicht!“ Auch das ist eine zentrale Osterbotschaft. Die Begegnung mit Gott, mit einem Leben, das wirklich gut ist, ist eben ganz anders als das, was wir kennen. Fürchtet euch nicht. Lasst das, was ihr gewohnt seid, was euch aber gefangen nimmt, los und geht neue Schritte in ein Leben, das unbekannt ist.
Als die Frauen dem Ungewohnten trauen, als sie sich wieder aufmachen und voller Freude ins Leben gehen, da begegnet ihnen, so erzählt es Matthäus hier, auf wunderbare, aber völlig unspektakuläre Art und Weise. Jesus begegnet im Leben. Jetzt lässt sich das als Pfarrer von der Kanzel leicht behaupten. Aber wie ist das denn im Alltag? Keinem von uns ist Jesus so begegnet wie den beiden Frauen. Keiner von uns hat ihn so gesehen, konnte vor ihm auf die Knie gehen und seine Füße umfassen. Also alles doch nur erfunden? Wie gesagt, Ostern ist die echte Probe des Glaubens. Weil wir Menschen tatsächlich ganz auf das Vertrauen und den Glauben zurückgeworfen sind, ohne handfeste Beweise. Wenn ich jetzt sage, dass Jesus mir im Gebet begegnet, dass ich spüre, dass Jesus da ist, wenn beim Abendmahl mit einem alten Menschen dieser Mensch viel Lebensfreude ausstrahlt, dass Jesus da ist, wenn ein junges Mädchen, das viele Schwierigkeiten hat und viele Schwierigkeiten macht, in Konfer anfängt, einen Sinn in ihrem Leben zu entdecken, wenn eine Jugendliche, die bis vor kurzem durch ihre Aggressionen aufgefallen ist, diese in den Griff bekommt und freundlich auf Menschen zugeht, wenn ich noch viel mehr aufzählen würde, wo meiner Meinung nach Jesus wirklich lebendig zu spüren gewesen ist, dann ist das natürlich alles kein Beweis im klassischen Sinn. Ich habe bei diesen und anderen Gelegenheiten gespürt: Jesus lebt. Seine Kraft bringt heute noch Menschen dazu, sich dem Leben zuzuwenden. Seine Kraft verändert heute noch Leben zum Guten. Aber jemand, der skeptisch ist, der nicht glauben kann oder nicht glauben will, wird mit Sicherheit andere Erklärungen finden. Gott bietet Leben, bietet Glauben an. Er bietet an, er zwingt nicht.
In der Erzählung der Begegnung mit dem Auferstandenen, so, wie Matthäus sie überliefert, bekommen die Frauen, die Jesus zuerst sehen, die als Erste in ein neues Leben gehen, den Auftrag, den anderen zu erzählen, dass sie dem lebendigen Jesus in Galiläa begegnen werden. Jetzt wohnen wir natürlich nicht in Galiläa und sie können mich mit Recht fragen, warum das denn auch heute noch so wichtig sein sollte. Ich glaube, dass es wichtig ist, weil Galiläa der Ort war, an dem der Alltag stattfand. Nicht die Hauptstadt Jerusalem, in der die wichtigen Feste stattfanden und in der die Oberschicht wohnte, sondern das Land mit den normalen und einfachen Menschen, dort, wo sich der Alltag abspielt, ist der Ort, an dem Jesus erscheint. Jesus sagt das – und schwupp, schon ist er wieder weg. Auch der Auferstandene lässt sich nicht festhalten. Leben lässt sich nicht festhalten. Nur annehmen und leben. Kommt und seht – seht, dass alle Trauer ein Ende haben wird und dass das Leben siegt. Seht, dass es nichts zu sehen, aber alles zu erleben gibt.
Für mich hat Ostern, gerade so, wie der Evangelist Matthäus davon erzählt, etwas von einem weißen Blatt Papier. Für manche nichts weiter als ein leeres Blatt. Für andere ein Raum, der ganz viele Möglichkeiten zur Gestaltung öffnet. Eine Einladung, loszulegen, dem Leben Ausdruck zu verleihen und etwas zu gestalten. Ostern gibt es nichts zu sehen, aber viel zu erleben. Dann, wenn ich mich traue, mich dem Leben zu öffnen. Dann, wenn ich mich traue, mein Leben, meine Trauer, meine Angst, meine Schuld anzusehen und im Vertrauen auf den, der mir ins Leben vorangegangen ist, loszulassen und abzulegen. Und mit dem Leben neu zu beginnen. Das Blatt neu zu beschreiben. Und das Schöne an der Einladung zum Leben im Glauben: Ich darf sie immer wieder annehmen. Wenn ich merke, dass ich mein Blatt mit falschem gefüllt habe, dass Zweifel, Angst und Schuld stark werden, darf ich einen Neuanfang nehmen. Neu auf Ostern schauen. Auf Gott, der in Jesus die Macht des Todes zerbrochen hat und einen Neuanfang schenkt. Ostern stellt unseren Glauben auf die Probe. Trauen wir uns, mehr zu sehen? Trauen wir uns, das Unsichtbare, Unfassbare nicht als Bedrohung wahrzunehmen, sondern als Einladung zum Leben? Trauen wir uns, dem Unbekannten, dem Leben zu trauen oder lassen wir uns gefangen nehmen – von unseren Bildern, von unseren Ängsten, von dem, was wir schon längst zu kennen glauben?
Trauen wir uns zu glauben und zu leben! Gelobt sei Gott, Halleluja, Jesus lebt!
Amen.

Keine Kommentare: