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Sonntag, 2. Januar 2011

Im Alltag steht der Himmel offen!? - 2. Sonntag n. Weihnachten, 02.01.2011, Reihe III

Text: Johannes 1,43-51
Liebe Gemeinde!

So schnell werden Kinder groß! Vor einer Woche haben wir Weihnachten gefeiert und uns an die Geburt Jesu erinnert. In einem neugeborenen Kind lässt Gott sich finden, so wurde es in allen Kirchen dieser Welt verkündigt. Und jetzt ist er schon erwachsen. Die Festtage liegen hinter uns, Weihnachten, Silvester, Neujahr – jetzt kommt der Alltag wieder. Jesus ist erwachsen geworden. Er beginnt mit seiner Mission. Vielleicht wäre der eine oder die andere gern noch ein wenig in der ruhigen, stillen Zeit geblieben, hätte sich gern noch länger an den so vertrauten Szenen der Weihnachtszeit, dem Kind in der Krippe, den klugen Sterndeutern aus dem Morgenland gefreut. Aber uns hat der beginnende Alltag wieder. Eigentlich gut so. Über-haupt als Bild für unser Leben, für den Glauben. Es ist gut, dass es Festzeiten gibt. Erholung vom Alltag. Es ist gut, dass es Orte gibt, ob die nun real oder durch gemeinsame Überlieferung und gemeinsamen Glauben geprägt sind, an denen wir uns aufgehoben fühlen, an denen wir zur Ruhe kommen – wie hoffentlich an der Krippe im Stall zu Bethlehem. Da war zwar keiner von uns körperlich, aber die Vorstellung kann fast jeder teilen. Es ist gut, dass es diese Orte jenseits des Alltags gibt. Aber wichtig ist es, da nicht stehenzubleiben und diese Orte nicht zu den Hauptorten des eigenen Glaubens werden zu lassen. Gott ist, und das macht er gerade in Jesus und durch ihn deutlich, Gott auf dem Weg mit den Menschen, auf dem Weg zu den Menschen. Gott ist Gott unterwegs. Aufbruch ins Leben, in den neuen Alltag. So wie wir uns dem stellen müssen, gerade zu Beginn eines neuen Jahres, so macht auch Jesus klar, dass der Weg mit ihm kein Verweilen im Lieb-gewonnenen ist, sondern ein Aufbruch. Die, die mit Je-sus gehen, gehen in einen neuen, veränderten Alltag. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es kommt der Alltag – aber der ist anders als vorher.
Wenn wir uns jetzt, nach den ganzen Festtagen, in den Alltag aufmachen, dann bleibt auch für uns die Frage: „Hat sich unser Alltag verändert? Wird alles immer so weitergehen? Hat Weihnachten, die Erinnerung daran, dass Gott sich ganz menschlich zeigt, uns und unseren Alltag verändert? Oder wird es immer so weitergehen, bis zum nächsten Advent, alle Jahre wieder?“
Der Alltag ist stark, keine Frage. Und vieles hält uns da-von ab, wirklich neue Wege zu gehen. Nicht nur die Gewohnheit, sondern auch die Angst vor dem Unbe-kannten, die Angst vor Überforderung. Und die Frage, ob ich überhaupt richtig glaube und ob mein Glauben stark genug ist, den Weg, auf den mich Jesus führt, wirklich zu gehen. Unsicherheit, vielleicht sogar Angst, auf dem Weg schlapp zu machen.
Wie anders ist das, was das Johannesevangelium hier erzählt. Da ist zuerst einmal von Philippus die Rede. Je-sus findet ihn, bittet ihn, ihm nachzufolgen, und der zö-gert nicht und geht mit. Jesus findet ihn. Das steht so im Evangelium. Und das ist schon mal was ganz Entschei-dendes. Bei aller Wertschätzung eigener Aktivität im Glauben, ist es zuallererst Jesus, der den Menschen fin-det. Glauben ist kein Verdienst, auch nicht das Ergebnis langer Nachdenk- und Suchbewegung, sondern ein Angesprochen werden und sich ansprechen lassen. Der erste Schritt ist nicht der, den wir Menschen machen, sondern der, der auf uns zu gemacht wird. Philippus lässt sich finden und geht dann mit. Etwas anders dann der zweite Mensch, von dem Johannes in seinem Evangelium erzählt. Nathanael. Philippus findet ihn, offensichtlich einen, der sich in seinem jüdischen Glauben gut auskennt. „Jesus ist der, auf den wir gewartet haben. Er ist der, den Mose im Gesetz und den die Propheten verkündigt haben.“ So macht Philippus ihm, Nathanael, die Begegnung mit Jesus schmackhaft. Für mich ist Philippus da so ähnlich wie Menschen, die heute andere zum Glauben einladen wollen. „Da ist einer, Jesus, in dem zeigt sich Gott ganz. In dem erfüllen sich auch deine Hoffnungen und Sehnsüchte nach einem Leben, das gelingt“ – sicherlich mit viel mehr Worten, aber im Grundsatz mit ähnlicher Aussage versuche ich als Pfarrer, versuchen Eltern und Großeltern, Freunde und Bekannte anderen einen Weg zum Glauben zu zeigen. Aber dann kommt Nathanael mit seinem Einwand „Was kann aus Nazareth schon Gutes kommen?“ Eigentlich hätte alles doch ganz anders sein müssen! Nazareth, das war zur Zeit Jesu ein kleines, unbedeutendes Dorf in Galiläa. Und dort vermutete man eher das einfache, bäuerliche oder handwerkliche Leben. Leute wie Jesus, Zimmerleute, in scheinbar ganz normalen Familien aufgewachsen, die gab es zuhauf. Und so einer soll der Messias sein, der, in dem die Hoffnungen auf ein Leben mit Gott sich erfüllen? Das erwartete man wohl eher von jemandem aus den großen, vornehmen Städten in Judäa, der mit Recht als neuer David, als König hätte durchgehen können. Aber so ein Handwerker? Menschen heute, auch wir sind anders. Wir haben andere Erwartungen, andere Vorurteile. Aber ich glaube, dass es manchen Eltern oder Großeltern ähn-lich geht wie Philippus. Dass sie, wenn sie ihre Kinder oder Enkel zum Glauben einladen wollen, zu hören be-kommen: Das passt doch nicht in unsere Zeit. Wenn’s Gott gibt, dann habe ich ihn mir aber ganz anders vorge-stellt. Und als Pfarrer bekomme ich so etwas auch immer wieder zu hören. Auch von Leuten, die gebildet sind und die sich gut in der Bibel auskennen. Und auch bei uns selbst sind doch manchmal ähnliche Vorurteile da. Wir haben unsere eigenen Vorstellungen, wie Glauben zu sein hat und wie Gott uns begegnen soll. Je nach Typ hat man es gern feierlich oder locker-fröhlich. Oder man erwartet Gott dort, wo die ganz Armen sind. Oder in schönen Kirchen, wo man sich ihm näher fühlt. Wenn etwas nicht so ist, dann wird man skeptisch. Ob das seine Richtigkeit hat? Mir haben doch alle immer erzählt, Gott müsse majestätisch oder revolutionär, kumpelhaft oder erhaben sein. Was kann denn gut daran sein, wenn es anders ist?
Die Vorurteile werden dann nicht durch Argumente, sondern durch lebendige Begegnung überwunden. Jesus begegnet Nathanael. Und er macht sich nicht lustig über dessen Vorurteile. Er lobt ihn dafür, dass er sich Gedan-ken gemacht hat und eine Position hat. Und diese Be-gegnung bringt Nathanael zum Glauben. Nicht die Ein-ladung des Philippus. Vielleicht muss ich mir das sagen, wenn ich enttäuscht bin über den Gottesdienstbesuch, über Schüler, Konfis und andere, vielleicht müssen sich Eltern und Großeltern oder andere, die selbst im Glau-ben stehen, immer wieder bewusst machen: Unsere Einladungen, unsere Argumente stoßen immer wieder an Grenzen. Sie können Menschen dazu bringen, im guten Fall, dass sie sich ein Stück bewegen und neugierig werden. Aber Glauben wecken kann nur Gott, kann nur Jesus selbst. Nathanael kommt zum Glauben, weil er erfährt: „Jesus kennt mich!“ Aber für Jesus selbst ist das nur der erste Schritt. Er verspricht mehr: der Himmel wird offen stehen. Jesus lässt die Welt zum Himmel hin durchsichtig werden. Auf dem Weg im Glauben, auf dem Weg mit Jesus den Himmel sehen – nicht, in dem wir den Kopf von der Erde wegdrehen und unseren Blick nur in den Himmel richten, sondern indem wir hier, auf dem Weg, sehen, was da ist und in vielem ein Stück Himmel auf der Erde sehen. Das ist das Versprechen, das uns Jesus gibt. Natürlich ist unsere Welt alles andere als himmlisch. Aber in der Gemeinschaft mit Gott, dort, wo Gerechtigkeit herrscht, dort, wo Kranke nicht ausgegrenzt werden, wo Heilung erfahren wird. dort, wo Hungernde satt werden. Dort, wo Jugendliche ernst ge-nommen werden und alte Menschen nicht missachtet oder abgeschoben werden, dort, wo Not gelindert wird. Dort, wo Menschen sich aufmachen und etwas gegen menschenunwürdige Zustände tun, überall dort sehen wir den Himmel offen.
Was wird uns auf unserem Weg im vor uns liegenden Jahr begegnen? Werden wir den Himmel offen sehen? Werden wir mit Jesus gehen? Wird unser Alltag neu, anders sein? Oder werden Zweifel und Vorurteile es uns schwer machen, den Weg, den er mit uns gehen will, zu gehen?
Wir wissen es nicht. Keiner von uns kann in die Zukunft sehen. Was wir aber, was wir nicht nur zu Beginn eines neuen Jahres wissen und uns sagen lassen dürfen, was auch in diesen Versen aus dem Johannesevangelium steckt: wir müssen in den Alltag gehen. Aber wir dürfen darauf vertrauen, dass Jesus uns in unserem Alltag fin-det, zu uns kommt oder Menschen schickt, die uns im-mer wieder zu ihm führen. Wir dürfen sagen, was uns belastet und was Verstehen schwer macht. Und wir dür-fen glauben und vertrauen, dass gerade das uns näher zu ihm führt. Ich wünsche uns, dass unser Alltag in diesem Jahr neu wird. Gestärkt, gehalten, begleitet. Ich wünsche uns, dass wir ganz oft den Himmel offen sehen.
Amen.

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