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Montag, 9. November 2009

Die Zeichen stehen auf... - Drittletzter Sonntag d. Kirchenjahres, 08.11.2009, Reihe I

Liebe Gemeinde!
Unruhig geht er hin und her. Immer wieder schaut er auf die Uhr. „Sie müsste doch schon längst zu Hause sein!“ denkt er immer wieder. „Ob was passiert ist?“ Sicher, die letzten Wochen waren alles andere als einfach. Da war so viel Streit. Über Kleinigkeiten. Die offen gelassene Zahnpasta-tube, die Hosen, die auf dem Fußboden gelandet sind. So viel nerviger Kleinkram. Ins Bett gehen - ohne Kuss, ohne freundliches Wort, einfach so. „Ich halt das nicht aus. Es geht alles kaputt.“ So hat er mehr als nur einmal gedacht. „Aber jetzt, wenn sie reinkommt, die Blumen sieht, lächelt, dann wird alles gut. Ja, wenn sie lächelt, dann ist es ein gu-tes Zeichen. Dann wird alles gut.“ Aber sie kommt nicht. Wieder ein Blick auf die Uhr. „Ob ihr was passiert ist? Oder macht sie sich einfach so aus dem Staub. Ohne Gruß, ohne Abschied. Sie hätte doch wenigstens anrufen können. Aber es ist doch ein gutes Zeichen, dass das Telefon nicht geklin-gelt hat. Wenn sie einen Unfall gehabt hätte, dann hätte sie angerufen. Wenn ihr was passiert wäre, dann hätte das Krankenhaus angerufen. Es ist ein gutes Zeichen. Oder nicht? Wenn ich von rechts die Scheinwerfer sehe, dann ist das ein gutes Zeichen, dann kommt sie. Direkt von der Ar-beit. Dann wird alles gut. Da ist Licht! Endlich. Das ist die falsche Seite. Mist! Das ist bestimmt die Polizei, die fahren so langsam. Die suchen bestimmt unsere Hausnummer. Und dann steigen sie aus und fangen an: Wir haben ihnen leider eine traurige Mitteilung zu machen… - Aaah, ein Glück, vorbei. Falscher Alarm. Da, jetzt, von rechts. Endlich! Der blöde Paketdienst. Wo bleibt sie denn? Wenn sie rein-kommt, lächelt, die Blumen sieht, die Tischdecke, die Kerzen, die Weingläser. Dann muss sie doch lächeln. Frauen stehen auf so was, hat Sven gesagt. Das klappt. Du wirst schon sehen. Du musst einfach die richtigen Zeichen setzen. Sven kennt sich aus. Seit acht Jahren glücklich verheiratet. Wenn der es nicht weiß… - Endlich! Das ist ihr Auto. Aber warum von links? Sie hat bestimmt einen anderen und war noch bei ihm. Warum passiert ausgerechnet mir immer so was? Aber wenn sie jetzt reinkommt und lächelt, wenn sie die Blumen sieht, den Tisch, den Wein…“. Der Schlüssel dreht sich im Schloss. Die Tür geht auf. Die Tasche, der Mantel, einfach in die Ecke geschleudert. Er scheint Luft zu sein. Kein Lächeln, kein freundliches Wort. Blumen, Tisch - das existiert gar nicht. Sie wirft sich auf die Couch, dreht das Gesicht zur Wand. In diesem Moment scheint der sowieso schon schwarze Himmel völlig auf ihn einzustürzen und ihn zu Tode zu quetschen. Alle Zeichen stehen auf…
Aus dem Lukasevangelium im 17. Kapitel:
Lesen: Lk 17,20-24
Die Zeichen stehen auf… - Ja, auf was denn nun? Men-schen sind da, die Zeichen wollen. Pharisäer. Die wollen sehen, wo Gottes Reich ist. Die wollen Gott hier auf dieser Welt sehen. Die wollen eine gerechte Welt sehen, auf der sich jeder ganz selbstverständlich an das hält, was Gottes Willen ist. Gottes Reich. Einfach gut. Einfach schön. Das muss doch möglich sein! Das muss man doch sehen können. „Jesus, du erzählst doch davon! Zeige es uns!“ „Das Reich Gottes ist mitten unter Euch!“ Sagt Jesus. „Wenn ihr auf sichtbare Beweise wartet, wenn ihr hofft, euch absichern zu können, wenn ihr in mir nicht eure Hoffnung sehen könnt, werdet ihr das, was ihr euch erhofft, nie sehen können.“ Die Zukunft hat mit mir angefangen. Sagt Jesus.
Auf was stehen die Zeichen eigentlich? „Ihr werdet euch noch wünschen, wenigstens an einem Tag wieder zu sehen, dass ich Liebe, Gerechtigkeit, Gesundheit für Kranke, Ann-erkennung für Außenseiter und so viel mehr gebracht habe und immer noch bringe! Aber ihr erdet dann nichts sehen.“ Sagt Jesus zu denen, die eigentlich wirklich ihre Hoffnung auf ihn setzen. Fromme Wünsche haben die Jünger damals. Fromme Wünsche sind das heute erst recht.
Stehen die Zeichen nicht schon längst drauf, dass die Welt zum Teufel geht? AIDS - es gibt genug, die sagen: „Das ist eine Strafe Gottes. Sex zum Spaß, Homosexuelle - Gott haut mit AIDS rein“, sagen sie, die glauben, dass sie wissen, was Gott will. Klimakatastrophe, Inselstaaten, die es viel-leicht bald nicht mehr geben wird, Dürren und Überflutun-gen, alles Gottes Strafe für den sorglosen Umgang mit sei-ner Schöpfung. Sicheres Zeichen für den Weltuntergang. Gottes Gericht. Sagen nicht wenige, die glauben, dass Gott ihnen seine Weisheit gegeben hat. Finanzkrise, Arbeitslo-sigkeit, Hungerkatastrophen. Sichere Zeichen, dass die Welt zum Teufel geht und nur die davon kommen, die als Frau lange Haare und Röcke tragen, die auf die richtige Art beten und nicht fernsehen, die Gesetze und Regeln befolgen, von denen behauptet wird: „Das ist Gottes endgültiger Wille!“
Jesus bleibt da ganz gelassen. „Lauft denen nicht nach, die euch erzählen wollen: Wir wissen, welche Zeichen Gott be-nutzt!“
Worauf die Zeichen stehen, was die Zeichen bedeuten, das weiß ich nicht. Aber das weiß niemand. Kein noch so frommer Christ, kein Moslem, kein Buddhist, kein Wis-senschaftler, kein Politiker. Für mich stehen die Zeichen nicht drauf, dass der Himmel einstürzt und die Welt zum Teufel geht und Gott anfängt, die zu vernichten, die seinem Willen irgendwie im Weg stehen. Benutzt euren Verstand, eure Möglichkeiten und fangt an das, was ihr verbockt habt, aufzuräumen. Darauf weisen für mich die Zeichen hin. nicht mehr. Das wär’ doch schon was.
Außerdem frage ich mich die ganze Zeit: „Warum suchen Menschen schon seit Jahrtausenden immer wieder in Ka-tastrophen und schlechten Dingen Anzeichen dafür, dass Gott endlich wiederkommt und die Welt zum Guten bringt?“ Ich finde keine Antwort auf diese Frage. Ich finde es doch viel logischer, bei dem Guten anzufangen. Gott ist die Liebe. Jesus hat Kranke gesund gemacht. Er ist zu den Opfern gegangen. Er hat Menschen vergeben, die sich selbst nicht vergeben konnten. Selbst der Tod war nicht das Ende. So viel Gutes und noch viel mehr. Und dann suchen Menschen im Bösen Zeichen dafür, dass die Welt besser wird? Versteh ich nicht.
Was ich verstehe, ist was anderes. Wir Menschen brauchen Zeichen. Wir sehnen uns nach Sicherheit. Und scheinbar geben uns Zeichen genau das. Wenn der Lehrer die Arbeit in der Mitte mit einem Lächeln zurückgibt, kann sie nicht schlecht gewesen sein. Wenn ich meinen Glücksschuh trage, schieße ich bestimmt ein Tor. Wenn meine Frau mein Lieblingsessen kocht, dann hat sie bestimmt gute Laune und ich kann ihr auch was Unangenehmes sagen. Moment mal! Hat sie vielleicht ein schlechtes Gewissen und will mir was beichten und mit dem Essen gut Wetter machen? Zeichen halt.
Wenn der Menschensohn kommt, wenn das, wofür Jesus steht, wenn das Gute, wenn die Liebe diese Welt endgültig und total verändern, dann ist das nicht vorhersehbar. Wie ein Blitz, der den ganzen Himmel hell macht. Plötzlich, oh-ne Vorhersage, werden wir das Gute, das neue Leben haben. Plötzlich, ohne Vorwarnung, werden wir eins sein mit Gott. Nicht durch die Zeichen, bei denen wir glauben, wir müss-ten ihnen irgendwie nachlaufen.
Liebe kann ich nicht planen. Liebe kann ich nicht vorherse-hen. Sie trifft mich, sie trifft die Welt wie ein Blitz. Oder gar nicht.
Wenn sie jetzt reinkommt und lächelt, wenn sie die Blumen sieht, den Tisch, den Wein…“. Der Schlüssel dreht sich im Schloss. Die Tür geht auf. Die Tasche, der Mantel, einfach in die Ecke geschleudert. Er scheint Luft zu sein. Kein Lä-cheln, kein freundliches Wort. Blumen, Tisch - das existiert gar nicht. Sie wirft sich auf die Couch, dreht das Gesicht zur Wand. In diesem Moment scheint der sowieso schon schwarze Himmel völlig auf ihn einzustürzen und ihn zu Tode zu quetschen. Alle Zeichen stehen auf…
Wie von ganz weit weg hört er ihre Stimme. „Schatz, die letzten Wochen waren so blöd. Du weißt schon. Lass uns essen gehen. Ich hab keine Lust, zu kochen oder aufzu-waschen. Ich mach mich nur schnell frisch…“ Sie steht auf, nimmt ihn in den Arm, gibt ihm einen Kuss auf die Nase, lächelt, geht ins Bad. Und der Himmel…
Amen

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