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Mittwoch, 31. Dezember 2008

Der Ausputzer? - Neujahr 2009, ökumenischer Gottesdienst

Gesamttext: Lukas 18,18-27, Jahreslosung: Lk 18,27: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.

Liebe Schwestern und Brüder!

Einer der schönsten evangelischen Bräuche ist es, meiner Meinung nach, jeden neuen Lebensabschnitt unter ein Wort aus der Bibel zu stellen. Taufe, Konfirmation, Trauung - und schließlich auch der Abschied aus diesem Leben bei der Beerdigung. Nichts geschieht ohne einen Begleitung durch Gottes Wort. Und in manchen Gesprächen habe ich es schon erlebt, dass Menschen diese Worte, die Ihnen auf Ihren Lebensweg mitgegeben wurden, wichtig geworden sind. Die drei Bibelworte, die dadurch Teil meines Lebens geworden sind, sind mir auch bis heute liebe Begleiter. Und so finde ich es auch eigentlich schön, jedes neue Jahr unter ein Bibelwort zu stellen. Am Anfang eines Jahres sich zu vergewissern, dass Gott auch im neuen Jahr dabei sein wird, dass in allem, was an Wechselfällen und Unvorhersehbaren kommen mag, ein guter Begleiter da ist: Gottes lebendiges Wort der Liebe. Man kann schlechter ins neue Jahr starten. Aber als ich hörte, was als Wegbegleiter für das Jahr 2009 vorgesehen ist, war ich doch erstmal unzufrieden: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich, ein Wort Jesu aus dem Lukasevangelium. So ein einlullender Ausputzerspruch, habe ich mir erstmal gedacht. Was du, Mensch nicht schaffst, schafft Gott für dich. Klar sind das schöne Aussichten für ein neues Jahr. Was bei den Menschen unmöglich ist… - da fällt mir, leider, zuallererst ein: Frieden zu halten. Die Gewalttätigkeit im Heiligen Land, Gott sei es geklagt, wieder und wieder. Die nicht enden wollenden Konflikte in Afghanistan und im Irak, im Kongo, in Dafur, in manchen Teilen der ehemaligen Sowjetunion, latent auch immer noch im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina. Tibet. Der Zorn auf die Nachbarin, die nie die Hausordnung erledigt. die jungen Russlanddeutschen, die saufen und krakeelen, die Männer, die Frauen und Kinder schlagen. Die Angst vieler älterer Menschen, bei Dunkelheit vor die Tür zu gehen. Frieden sieht anders aus. Wir haben unsere Feindbilder. Nur ein kleiner Teil junger Russlanddeutscher säuft und krakeelt, die überwältigende Mehrheit der Muslime hat, wie die Mehrheit der Juden, der Christen und auch der Atheisten, ein großes Interesse an einem friedlichen Miteinander und ist weit von Terror entfernt. Aber wir verallgemeinern, grenzen ab, manchmal habe ich den Eindruck, wir können Frieden nicht ertragen. Was wir Menschen nicht können, das soll dann der Liebe Gott richten. Oder Gerechtigkeit: Weder der Kapitalismus noch der Sozialismus haben den Menschen annähernd gerechte wirtschaftliche Verhältnisse gebracht. Und weit weniger als Eignung und Begabung entscheiden auch in Deutschland die richtige Herkunft und die richtigen Beziehungen über Bildungsmöglichkeiten und die Möglichkeit, ein gutes Einkommen zu erwirtschaften. Im weltweiten Maßstab gar ist Gerechtigkeit in den Handelsbeziehungen zwischen den Staaten weiter weg denn je. Exporte von Milchpulver aus Europa nach Afrika helfen zwar unseren Landwirten, ein halbwegs stabiles Einkommen zu erzielen, sorgen aber gleichzeitig dafür, dass Landwirte in Kenia um ihre Existenz gebracht werden, weil sie zu diesem Preis keine Milch liefern können. Was bei den Menschen unmöglich ist, - in Frieden miteinander zu leben, Gerechtigkeit walten zu lassen - das ist bei Gott möglich. Der liebe Gott wird’s irgendwann schon richten - ein beruhigender Jahresanfang wäre das. Wir können so weitermachen wie immer, wir können ja doch nichts ändern. Natürlich steckt auch Trost in einem „Es wird schon werden“, wenn wir es gerade am Jahresanfang hören. Und natürlich will ich das auch nicht klein reden, wenn es wirklich um ganz persönliche Fragen geht. Um die Angst vor einer schweren Krankheit, die da ist, um die Sorge um eine Beziehung, die zu scheitern droht, um die Angst davor, dass die Kinder gerade dabei sind, einen Weg zu nehmen, der augenscheinlich nicht zum Guten führt. Natürlich tut es da hoffentlich gut zu hören: Da, wo du, Mensch, am Ende bist, wo du wirklich überfordert bist, da bin ich, Gott, noch längst nicht fertig mit dir, da helfe ich dir, Wege zu finden. Diesen Trost dürfen wir natürlich mithören. Aber nicht als Beruhigungspille, die Gott zum Ausputzer degradiert und uns Menschen in mehr oder weniger frommen Gedanken ein ansonsten mehr oder weniger gedankenloses Leben leben lässt. Dazu ist es tatsächlich hilfreich, finde ich, das ganze Evangelium zu hören. Denn da macht Jesus ganz unmissverständlich deutlich, auf welcher Seite Gott zu finden ist. Auf Seiten der Armen. Jetzt wäre es natürlich leicht, sich gerade in Zeiten einer großen Unsicherheit an den Finanzmärkten sich zu empören über Fehlverhalten von Bänkern, überzogene Managergehälter, den beliebten Satz: „Die da oben kriegen im Zweifel den goldenen Handschlag und wir armen kleinen Leuten müssen es ausbaden“ zu wiederholen und sich gut zu fühlen und zu wissen: Gott ist auf meiner Seite. Aber im weltweiten Vergleich sind wir alle, auch und gerade die Christen des Mittelstands, unglaublich reich. Und das auf den ersten Blick Gemeine an dem Evangelium ist ja, dass der reiche Mann sehr wohl ein guter Mensch war, der sich an Gottes Gebote hielt und vermutlich auch denen, die ärmer waren, abgegeben hat. Und trotzdem bekommt er kein Lob von Jesus, sondern den Satz „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt“. Unbequeme Aussichten. Denn Jesus stellt uns mit dem reichen jungen Mann ganz radikal die Frage: „Bist du bereit, das, worauf du deine Sicherheit gründest, loszulassen?“ Bist du bereit, dich ganz auf Gott zu verlassen - und nicht trotz allem, was du an Gutem tust, am Ende doch auf die Sicherheiten, dein Geld, deinen Reichtum, das was du dir selbst schaffen kannst und geschaffen hast? Ich hätte mir gern die Frage zum Jahresanfang erspart. Weil ich genau weiß, dass ich wie der reiche Jüngling traurig davon gehe. Ich kenne mich gut genug. So weit alles loslassen? Beunruhigend. Auch für unsere Kirche - und ich rede hier bewusst in der Einzahl, denn Jesus wollte keine Konfessionen, sondern es ging ihm um die EINE Gemeinschaft der Menschen, die darauf vertrauen, dass Gott in ihm lebendig geworden ist, um die, mit unseren Worten, EINE, weltweite Kirche, die sich, Gott sei es geklagt, immer noch in Spaltungen wieder findet. Auch für unsere Kirche ist es notwendig, immer wieder zu fragen: gründen wir uns nur unseren Worten nach im Vertrauen auf Gott allein oder lieben wir nicht unsere selbstgemachten Sicherheiten viel mehr? Wer loslässt, wer Sicherheit aufgibt, gewinnt - alles andere als ein modischer Slogan, alles andere als ein bequemer Weg. Gott lässt sich nicht kaufen - nicht mit guten Taten, nicht mit Geld. Gott ist da, wo der Mensch ganz schutzlos ist. Aber er weiß, dass wir nicht fähig sind, das wirklich auszuhalten. Deshalb die Zusage unserer Jahreslosung: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich. Da, wo wir zweifeln und verzweifeln, da, wo wir feststellen müssen: so gut, wie wir dachten, sind wir, ist unser Leben nicht, da kann er allein neues entstehen lassen. Neue Wege zum Leben. Wenn wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. Ich finde nach wie vor, dass es ein guter Brauch ist, jeden Abschnitt des eigenen Lebens, jedes neue Jahr unter Gottes Wort zu stellen. Und mittlerweile finde ich auch, dass gerade die Jahreslosung 2009 eine gute Überschrift über ein neues Jahr ist. Weil sie nicht vertrösten und einlullen will und bequem ist, sondern weil sie aufrüttelt, Mut zum Loslassen geben will und Mut, sich auch unbequemen Anfragen Gottes zu stellen. Gebe Gott, dass unser Vertrauen und unser mut 2009 wachsen. Gebe Gott, dass wir dann, wenn es nötig ist, den Trost seiner Worte hören können, dass wir aber auch unsere Ohren nicht verschließen, wenn er uns anfragt.

Amen.

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