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Mittwoch, 28. Mai 2008

1+1+1=3? Predigt Trinitatis 08, 18.05.08, Reihe VI


Text: 2. Korinther 13,11-13, Begrüßung Konfis 08/09

Liebe Gemeinde!

Haben sie, habt ihr heute Morgen schon geküsst? Wenn nein, dann wäre ja jetzt die perfekte Gelegenheit, das nachzuholen. Schließlich haben wir es ja gerade aus der Bibel gehört: „Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss!“ Das schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth. Und weil nicht nur ich finde, dass die Bibel kein verstaubtes Buch ist, das nur etwas über die Zeit vor 2000 und mehr Jahren erzählt, sondern weil sie auch ganz viele Wahrheiten über das Leben heute enthält, wäre das doch auch heute mal überlegenswert: Grüßt einander mit dem heiligen Kuss!

Keine Angst, ich will jetzt nicht zu einer Massenknutscherei im Gottesdienst aufrufen. In Frankreich, Spanien, der Türkei und in manchen anderen Ländern wäre das vielleicht kein so großes Problem wie bei uns. Da ist die küssende Begrüßung normal. Hier bei uns finde ich es, zum Beispiel auch in Konfer, immer wieder interessant zu beobachten, wie Menschen sich begrüßen. Mit einem Kuss begrüßt man diejenigen, mit denen man befreundet ist. Oder die Familie. Ein Kuss drückt Nähe aus. Man vertraut einander und ist miteinander vertraut. Und da berührt sich unsere Wirklichkeit in Marburg im Mai 2008 mit der Geschichte der Menschen in Korinth, an die Paulus vor langer Zeit diese „Kusszeilen“ geschrieben hat. „Übrigens, liebe Brüder, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, bewahrt Zusammenhalt und Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss!“ Natürlich fällt einem heute auf, dass Paulus die Schwestern nicht erwähnt. Mit den Frauen hatte Paulus so seine Schwierigkeiten. Aber das ist gar nicht der springende Punkt. Es geht um Nähe und Freundschaft, die man sich schenkt. Um Nähe und Freundschaft, die auch Streit und Kritik aushalten. Schon im 1. Brief, den Paulus an die Gemeinde in Korinth schreibt, und erst recht im 2. Brief geht es um ganz viel Streit zwischen Paulus und der Gemeinde und zwischen den Menschen der Gemeinde untereinander. Da haben die Reichen in der Gemeinde die Armen blamiert, da gab’s Streit darum, welche Regeln man befolgen muss und da stand dann nicht mehr der Glaube an Gott im Mittelpunkt, sondern die Rechthaberei, welcher Prediger oder Missionar denn mit seiner Auslegung die meisten Gemeindemitglieder auf seine Seite ziehen kann. Ein total zerstrittener Haufen, noch dazu auch mit einem verzweifelten Paulus zerstritten. Und dann das. Ausgerechnet den Leuten, bei denen man den Eindruck hat, die würden sich am liebsten an die Gurgel gehen, wird Grund zur Freude nahe gelegt und empfohlen, sich mit einem Kuss zu begrüßen. Die Nähe, die das ausdrückt, die geht trotz allem Streit nicht kaputt, weil sie eine Nähe ist, die von Gott geschenkt und gestiftet wird. Kommt euch nahe, nehmt euch wahr! Denn Gott ist euch doch mit seiner Liebe schon längst nahe gekommen. Aller Streit kann diese Liebe nicht kaputt machen. Küsse können missbraucht werden, klar. In der Bibel gibt es den Judaskuss, durch den Jesus verraten wird. Und ich glaube auch im Alltag können viele ein Beispiel finden, wo sie selbst erlebt haben, dass ein Kuss nicht freiwillig gegeben wurde und kein Ausdruck von Nähe, sondern von Zwang oder missbrauchter Macht war. Aber trotzdem können auch diese schlechten Beispiele das Gute nicht kaputt machen.

Es gibt eine Nähe, eine Verbindung von Menschen untereinander, die hält auch schlimmen Streit und große Meinungsverschiedenheiten aus. Gerade deshalb finde ich, dass der Predigttext auch richtig gut zu dem Anlass heute passt. Einmal natürlich zur Begrüßung der neuen Konfis. Ich will nicht, dass ihr euch untereinander ständig abknutscht und ich werde euch auch garantiert nicht mit dem unheiligen Pfarrerkuss begrüßen. Aber ich finde es toll, dass hier deutlich wird: man kann auch verschiedener Meinung sein, sich streiten, aber trotz allem gehört man zusammen und der andere bleibt Bruder, Schwester, Mensch, auch wenn er oder sie mal total anderer Meinung ist. Weil Gottes Liebe größer und stärker ist. Sie ist das, weil Gott nicht ein für allemal immer gleich ist, ein ferner Block, der seit Jahrtausenden irgendwo unverändert im Jenseits drauf wartet, dass Menschen irgendwelche merkwürdigen Dinge anstellen um nach dem Tod in den Himmel zu kommen, sondern weil Gott in Bewegung ist. Auf uns Menschen zu, mit uns Menschen, damit wir auch vor dem Tod auf gute Art leben können.

Gott ist Gott in Bewegung - das feiern wir nicht nur, weil heute eine neue Konfirmandengruppe begrüßt wird, die sicher hoffentlich manchmal stillsitzt, aber die ganz bestimmt auch Spaß an Bewegung haben wird, sondern weil heute auch einer der unbekanntesten kirchlichen Feiertage ist. Trinitatis - das Fest der Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit Gottes. Gott ist Gott in Bewegung. Nicht nur auf eine ganz bestimmte Art lässt er sich von Menschen erfahren und begegnet ihnen, sondern lebendig, immer wieder neu. Als, wie es die Tradition sagt, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Das sind keine drei Götter, sondern das ist eins. Dinge, die wir als unterschiedlich sehen und wahrnehmen, gehören doch ganz tief und fest zusammen. Für mich lässt sich beides, Konfer und die Dreieinigkeit, ganz gut mit dem hier (Ü-Ei hochhalten) vergleichen.

Fangen wir mal mit Konfer an. Da ist zuerst die Verpackung, die Lust machen soll, zuzugreifen. Bunt, mit einer netten Schrift. Vielleicht ist das in Konfer die Aussicht, ein schönes Fest am Ende zu bekommen mit vielen Geschenken und auch Geld. Ja, das ist für viele so der äußere Anlass, zuzugreifen und zu kommen. Wenn man es dann auspackt, dann sieht das erstmal nicht so bunt aus. Man weiß vielleicht auch gar nicht so richtig, was man damit anfangen soll. Aber wenn man mitmacht, reinbeißt, nicht nur zuguckt, dann stellt man fest: kann ja ganz lecker sein! Jedenfalls gab es ja zum Beispiel im letzten Jahrgang einige, die jetzt mitarbeiten möchten und eigentlich gibt es in jedem Jahrgang immer wieder welche, die sagen: war ne gute Zeit. Aber es steckt noch mehr dahinter. Man kann nicht nur genießen, man muss auch selber Hand anlegen und was auspacken. Man sieht am Anfang nicht, was am Ende rauskommt. Und nicht immer gefällt einem das, was rauskommt. Aber das Ü-Ei Geschenk kann man vielleicht einem anderen schenken, der sich drüber freut - und so hat es auch im Teilen Sinn. Auch mit Konfer. Selbst wenn ich jetzt nicht selber was damit anfangen kann - vielleicht kann ich später viel mehr damit anfangen. Oder ich erzähle jemandem was davon, Eltern, Geschwistern, Bekannten - und denen wird plötzlich etwas wichtig, was ich für nutzlos hielt. Und was ist jetzt das Entscheidende am Ü-Ei? Das Entscheidende ist, das alles zusammengehört. Jedes für sich hat seinen Sinn, aber erst dadurch, dass verschiedene Sachen zusammenkommen, wird es zu etwas Besonderem und Guten. Ein Ü-Ei ohne Schokolade ist kein Ü-Ei und eins ohne Spielzeug auch nicht. Manchmal finde ich die Schokolade wichtiger, manchmal das Spielzeug. So wird das auch in Konfer sein. Es ist nicht immer jedem und zu jeder Zeit das Gleiche wichtig.

Und so ist das auch mit Gott. Gott macht sich auf ganz unterschiedliche Art auf den Weg zu Menschen, er wird auch manchmal unterschiedlich wahrgenommen, aber in allem ist das doch der eine und derselbe Gott. Vater, Sohn, Heiliger Geist - drei sind eins. Im Rechnen scheint das unlogisch zu sein, wenn ich losrechne: 1+1+1=1. Klar, da gehört jetzt die „3“ hin. Aber wenn ich noch mal auf Paulus höre, dann kommt mir noch was anderes in den Sinn. Es muss nicht unlogisch sein, dass aus Dreien eins wird. Paulus schreibt: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus - Im Menschen Jesus begegnet Gott Menschen. Gnädig. Das heißt: er nagelt sie nicht auf ihre Schuld und das, was sie falsch gemacht haben fest, sondern er schenkt ihnen die Chance, neu anzufangen. Er lässt sich als Mensch am Kreuz festnageln, damit wir Menschen frei werden von der Angst vor dem Tod, von der Angst zu versagen. Gnade.

Und die Liebe Gottes - Liebe, die auch den Zorn kennt, weil sie sich nicht mit Lieblosigkeiten zufrieden gibt. Liebe, die den Menschen und allem, was ist gilt. Weil alles, was ist, auch das, was wir Umwelt nennen, seinen letzten Grund in Gott hat. Liebe, die da war, bevor Gott sich in Jesus Christus sichtbar gemacht hat und die auch da ist, wo Menschen die Gnade Jesu nicht kennen. Liebe.

Und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes - Verbindung über alle Grenzen hinweg. Verbindung von Menschen untereinander und Menschen mit Gott. Das Zulassen verschiedener Sprachen, verschiedener Fähigkeiten und Möglichkeiten der Menschen im Glauben und Handeln. Die Vielfalt als Chance und nicht als Bedrohung. Vielfalt als Ergänzung dessen, was ich kann. Zusammengehalten von Gott als Heiliger Geist. Die Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Und schon ist aus drei Dingen auch logisch eine Einheit entstanden. Natürlich kann man jede Seite für sich betrachten. Aber am Ende gehört es zusammen und findet seinen Sinn darin, dass die Vielfalt in der Größe Gottes, die größer ist als alles, was wir uns vorstellen können, zusammengehalten wird. Eins kann am Ende ohne das andere nicht sein. Auch wenn es manchmal Konkurrenz, Streit, Missverständnisse und unterschiedliche Wahrnehmungen gibt. Diese Erfahrung wünsche ich nicht nur den neuen Konfis, sondern auch uns als Gemeinde, als Teil der einen, großen Gemeinschaft der geliebten Kinder Gottes. Damit wir aus vollem Herzen uns und der Welt wünschen können: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen“. Das wir uns nahe fühlen und annähern. Untereinander und Gott. Ob wir uns dabei jetzt küssen oder nicht. Amen

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