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Samstag, 22. Dezember 2012

Gott bei der Arbeit... - 3. Advent (und auch am 4. gehalten) 2012, Reihe V

Liebe Gemeinde!
Manchmal ist es schön, anderen bei der Arbeit zuzusehen. Aber dabei gibt’s Unterschiede. Einmal gibt’s die bequeme Art. Ich lehne mich gemütlich zurück, lasse andere für mich arbeiten. Wenig Einsatz, bei dem möglichst viel für mich herauskommt. Faul sein soll sich schließlich lohnen. Diese Art von Zusehen meine ich nicht. Ich finde sie auf Dauer unmenschlich, weil sie unglaublich egoistisch ist und andere Menschen nicht als Menschen, sondern nur als Mittel zum Zweck sieht, die hoffentlich dumm genug sind, das Ganze nicht zu durchschauen. Es gibt aber auch eine andere Art von Zusehen. Die, bei der ich mir die Zeit nehme, genau hinzuschauen, was der andere macht. Weil es mich vielleicht interessiert, weil ich was daraus lernen kann, weil ich Anregungen für die eigene Arbeit finde, weil ich auch mal Zeit zur Ruhe finde. Diese Art, anderen bei der Arbeit zuzusehen, ist ganz wichtig und wertvoll. Wer immer nur für sich selbst arbeiten will, wer glaubt, immer nur aktiv sein zu müssen, der verlernt es auf Dauer, zu lernen, zu leben. Der bleibt in sich selbst gefangen und wird am Ende wirklich leer und hohl wie seine Arbeit vermutlich auch. Es ist zutiefst menschlich, hinschauen zu können, von der Arbeit der anderen für sich selbst zu lernen und das, was für das Eigene passt, mitzunehmen. Und genau das erleben wir hier in der ersten Hälfte von dem, was ich gerade als Predigttext vorgelesen habe. Dieser Abschnitt aus dem Prophetenbuch gibt uns einen Einblick in die himmlische Arbeit Gottes. Er lässt uns Gott sozusagen bei der Arbeit zuschauen. Natürlich kann jetzt ganz viel dagegen gesagt werden.
Zum Beispiel: „Pfarrer, warum redest du vom Himmel? Davon steht nichts in den Bibelworten. Und im Himmel fliegen Flugzeuge und da gibt es ferne Galaxien, aber dass Gott da wohnt, diese Vorstellung passt doch nicht in die heutige Zeit.“ Alles richtig. In der Schule waren Mathe und die Naturwissenschaften meine liebsten Fächer. Und trotzdem finde ich, dass Himmel als Bild für eine Art Wohnort Gottes aus vielen Gründen gut ist.  Erstens hat es was mit unserem normalen Leben zu tun, ohne das es das Gleiche wäre wie unser Leben hier auf der Erde. Zweitens können wir aus eigener Kraft nicht so einfach dahin. Trotz aller Forschung und aller Hilfsmittel bleibt es uns doch auch ein ganzes Stück weit entzogen. Und drittens lädt der Himmel einfach dazu ein, nach oben zu schauen, ihn zu betrachten. Gott will uns nicht niederdrücken, wir sollen nicht dauernd nach unten sehen, sondern er will uns aufrichten – auch das steckt für mich in diesem Bild. Und der Einwand, dass das so nicht wörtlich in dem steht, was ich aus der Bibel vorgelesen habe, ist nur die halbe Wahrheit. Oft wird gerade dieser Abschnitt aus dem Buch Jesaja so verstanden, als würde von Anfang der Mensch, der in besonderer, guter Beziehung zu Gott steht, angeredet. „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht der Herr“, oft wird das so verstanden, als sollte man als Mensch, der eine besondere Nähe zu Gott hat, loslegen und zu allen gehen, die man für trostbedürftig hält und sie am besten auf einmal trösten. Die Kinder ohne Eltern und die alleinlebenden Alten und die Leute in den Gefängnissen und die Kranken und die Trauernden und die und die und die und die und die auch noch. Vor lauter Trostbedürftigkeit kann einem ganz schwindlig werden und der Auftrag, da überall zu trösten, der würde auch den frommsten Christen und den gläubigsten Juden am Ende umhauen. Der Auftrag an den MENSCHEN, hier in der Gestalt des Propheten, der kommt in unserem Bibelabschnitt erst in der Mitte. Da heißt es „Es sprach eine Stimme: Predige!, und ICH sprach: Was soll ich predigen?“ Vorher gewährt uns diese Geschichte aus der Bibel einen Einblick in die HIMMLISCHE Arbeit Gottes. Natürlich kann man da fragen: „Aber mit wem redet Gott denn da?“
Es gibt die uralte Vorstellung, dass Gott von Engeln und anderen „Himmelswesen“  umgeben ist. Und als Christ kann ich auch glauben, dass Jesus ja nicht nur in den gut 30 Jahren seines Lebens auf der Erde existiert hat, sondern schon vorher ein Teil von Gott war. Aber auch das sind alles nur Bilder, an die man so wörtlich gar nicht glauben muss. Wichtig ist, dass diese Bilder deutlich machen: Gott ist von Anfang an Gott in Beziehung. Beziehung gehört zum Wesen Gottes mit dazu. Er ist kein tauber Stein, kein Einsiedler ohne Kontakt zu Außenwelt, sondern Gott ist immer Gott in Beziehung. Und weil Beziehung zu seinem Wesen gehört, ist das nicht nur auf den Umgang mit den Menschen beschränkt, sondern bildet sich auch auf besondere Art und Weise in der dem Menschen entzogenen göttlichen Welt ab. Es ist also nicht zuallererst der Mensch, der andere irgendwie trösten soll, auch nicht der von Gott besonders begabte, sondern Gott gibt sich sozusagen selbst den Auftrag, die Voraussetzungen zu schaffen, dass Trost in dieser Welt erfahren werden kann. Als Mensch darf  ich mich als Bedürftigen sehen. Ich muss nicht zuerst trösten, damit ich für Gott gut bin, sondern er macht sich auf den Weg zu mir, will erst Trost entstehen lassen, damit von da aus mehr geschehen kann und ich als Mensch aktiv werden kann. Ich glaube tatsächlich, dass gilt: Nur wer getrost ist, kann auch selber trösten. Getrost, nicht unbedingt schon getröstet. Getrost heißt für mich, dass ich auch in Situationen, die ich kaum aushalten kann und die mir zeigen, wie bedürftig ich bin, mit der Gegenwart und der Liebe Gottes rechne, auch wenn ich sie im Moment vielleicht nicht direkt erfahren kann. Manchmal steckt ja auch gerade im Zugeben der eigenen Zweifel und Trauer ein Stück Trost für andere. Die Bewegung des Trostes beginnt bei Gott. ER kommt auf UNS zu. Für mich das Entscheidende an diesen Worten aus der Bibel. In der Wüste lässt er sich einen Weg zu seinen Menschen bahnen. Die Wüste steht für eine Welt, in der Leben schwer ist. Es ist nicht nur heiß und trocken, sondern die Wege sind auch schwer zu erkennen und wo eben noch ein Weg war, kann er im nächsten Augenblick durch einen Sandsturm schon weg sein. Gott kommt mit seinem Trost durch die Wüsten des Lebens auf die Menschen zu. Damals, als die Worte zum ersten Mal zu hören waren, durch die Wüste eines Lebens in einem fremden Land mit fremder Sprache und fremder Religion ohne Aussicht auf Rückkehr in die Heimat leben zu müssen. Und heute? Durch welche Wüsten sucht sich  Gott heute einen Weg zu den Menschen? Vielleicht durch die Wüste der Jagd nach dem großen Geld, der alles Leben untergeordnet wird, wie es manchmal scheint. Es gibt viele, ganz unterschiedliche Erfahrungen, wo für einen Menschen, für mich, Leben wie eine Wüste, fast aussichtslos und ausweglos scheint. Und dann sollen auch noch die Gräben zugeschüttet und die Hügel eingeebnet werden: das, was den Blick auf Gottes Liebe verstellt, soll klein gehalten werden und das, was von Gott trennt, Schuld, die wir auf uns laden, soll nicht mehr vom Trost und der Liebe trennen. Schöne Bilder. Vor allem, weil sie deutlich machen, dass GOTT die Hindernisse für uns aus dem Weg räumt.
Erst dann geht es los mit der menschlichen Leistung. Und das ist hier die Predigt des Propheten. Das, was er sagen soll, das hört sich nicht attraktiv an. Leben ist vergänglich, das sagt er. Tolle (ironisch) Botschaft. Du bist endlich. Hört niemand gern. Aber es ist die Wahrheit. Und nur dann, wenn ich mir nichts vormache, kann ich Trost erfahren, der wirklich stark ist. „Das Wort des Herrn bleibt ewig“, das ist der Kern der Botschaft des Propheten. Wort des Herrn – das ist nicht die gedruckte Bibel, sondern das ist die Zusage Gottes, seinen Bund mit den Menschen aufrecht zu erhalten. Das ist die Liebe Gottes, die sich dem Menschen ganz zuwendet. Das ist die endgültige Vernichtung von dem, was dem Leben im Weg steht.  Darauf könnt ihr euch verlassen, sagt der Prophet. Gottes Liebe ist eben nicht so vergänglich wie das Leben der Menschen. Trost liegt nicht darin, dass ich als Mensch unendlich und unsterblich und mit Superkräften ausgestattet sein müsste, damit ich mit meinem bisschen Leben was wert wäre. Trost kann darin liegen, dass ich auf der einen Seite die Unvollkommenheit meines eigenen Lebens annehmen kann und in aller Unvollkommenheit darauf vertrauen kann, dass Gott seinen Weg zu mir immer wieder sucht und findet und seine Liebe viel stärker und haltbarer ist als alles, was ich als Mensch schaffen könnte.
Und das spiegelt sich dann eben auch im Schluss der Worte aus der Bibel wider. Da ist die Rede davon, dass von Jerusalem Freude ausgehen wird und dass Gott dort wohnt. Das ist nicht nur heute angesichts der unfriedlichen Lage in der Stadt schwer vorstellbar, das war es auch damals. Jerusalem war fast komplett zerstört, verarmt und der Tempel, der Ort, an dem Gott im Glauben der Menschen damals wirklich erfahrbar ist, war völlig kaputt. Und genau da, wo Menschen nur Trümmer sehen und denken, Gott hätte sich aus dem Staub gemacht, wird Trost und Frieden und Gerechtigkeit wachsen und Gott wird wieder zu erfahren sein. Seine Liebe und seine Zuwendung sind stärker als jede Zerstörung, als jeder Zweifel, weil die Welt eben ganz anders ist, als es im Sinn Gottes gut wäre. Nicht Vergänglichkeit, Zerstörung und Tod, nicht die Trostlosigkeit ist am Ende stark, sondern Freude, Geborgenheit, Trost und Erlösung sind es. Und das nicht deshalb, weil wir so toll wären oder weil wir es uns verdient hätten oder weil wir schon mal vorgearbeitet hätten. Nein, sondern einfach deshalb, weil Gott es so will, weil er die Menschen liebt, wie wir auch in wenigen Tagen wieder feiern dürfen.

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