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Sonntag, 17. Juni 2012

Ziel: Liebe! - 2. Sonntag nach Trinitatis, 17.06.202, Reihe IV

Text: 1. Korinther 14,1-5+23-26 (NGÜ)
Liebe Gemeinde!


Menschen werfen vor Begeisterung die Arme in die Luft, rufen unverständliches Zeug, sind total aus dem Häuschen. Wer nichts damit zu tun hat glaubt, in einen Haufen Irrer geraten zu sein. Als ich selber ein paar Jährchen jünger war, möchte ich nicht wissen, was Leute gedacht haben, die mich bei einem Open-Air-Konzert gesehen haben, heute kann sowas vielleicht mal in Frankfurt im Waldstadion passieren. Und vielleicht passiert das ja mir oder anderen heute Abend um 22.30 Uhr hoffentlich, nach einem Sieg von Deutschland gegen Dänemark oder in 14 Tagen nach einem 4:3 nach Verlängerung im Endspiel der EM für Deutschland gegen Holland, die vorher die Spanier rausgeworfen haben. Begeisterung treibt Menschen dazu, manchmal nach außen ziemlich merkwürdige Dinge zu tun. Bei uns bringt man das mit Konzerten oder Sport in Verbindung, eigentlich nicht mit Kirche. In der Kirche flippt keiner begeistert aus. In Deutschland zumindest eher nicht. In anderen Kirchen, in Nord- und Südamerika oder in Afrika, findet man das öfter mal. Und vielleicht hat der eine oder die andere hier das schon mal persönlich erlebt oder zumindest im Fernsehen gesehen. Bilder von Menschen in Gottesdiensten, die begeistert die Hände nach oben reißen, die anfangen zu tanzen zu rufen, keine richtigen Sätze, sondern die so begeistert sind, dass es keine richtigen Worte für das gibt, was Gottes Geist in ihnen und durch sie macht. Ich glaube, hier im Got-tesdienst wären die allermeisten ziemlich verwundert, wenn jemand anfangen würde, so zu beten.

Das ist eigentlich nichts anderes als die „von Gott einge-gebene Sprache“, von der Paulus redet, wörtlich schreibt er vom „Reden in Zungen“. Manche finden es schade, dass es das bei uns so selten gibt. Andere sind sicher ganz froh. Vom Glauben an Gott begeistert zu sein, ist etwas ganz tolles. Und ich bin froh, dass viele Menschen auf so unterschiedliche Art hier bei uns begeistert sind. Ich denke an
unsere Kindergottesdienstmitarbeiterinnen, die schon viele Jahre immer wieder Kindern Mut machen, an Gott zu glauben. Ich denke an Ehepaare, die in ihrer Nachbarschaft ganz selbstverständlich und begeisternd Glauben praktisch leben. Ich denke an die jungen Er-wachsenen, die wir haben, und die Konfis und anderen Jugendlichen ganz praktisch vorleben, dass der Glauben an Gott nichts Verschnarchtes ist, sondern mitten in die Gegenwart passt. Ich denke an die Kirchenvorsteherin-nen, die sich mit viel Spaß in unserem Jugendprojekt „Auja-Mobil“ engagieren und an manche andere, die ein-fach oft selber begeistert sind und andere begeistern kön-nen. Begeisterung gibt’s also – auch wenn die Leute nicht immer gleich ausflippen. Obwohl Paulus selbst manch-mal so begeistert war, dass er in diesen Sprachen, die von Gott eingegeben sind, in Zungen, redete, war er sehr skeptisch, was den Wert von dieser Art von Begeisterung in der Öffentlichkeit angeht.

Paulus schreibt etwas, das ich wunderschön finde: „Das soll also euer Ziel sein: Ein Leben, das von der Liebe be-stimmt wird!“ Er merkt, dass das sehr nötig ist, nicht erst heute. Er merkt, dass auch Christen manchmal sehr lieblos miteinander umgehen, weil sie sich nach äußerlich sichtbarer Begeisterung in gute und weniger gute Christen einteilen. Für Paulus ist es am wichtigsten, dass alle Miteinander versuchen, gemeinsam immer mehr Schritte auf dem Weg zu gehen, den Gott uns zeigt. Ihm ist es wichtig, dass dabei eigentlich keiner auf der Strecke bleibt, weil mache schon losspurten und andere dabei abhängen. Es kommt nicht darauf an, als erster bei Gott zu sein, es kommt darauf an, miteinander zu laufen. Denn es ist nicht unsere eigene Leistung, dass wir bei Gott erkennen, was Liebe ist, dass wir Liebe erfahren, sondern das ist ein Geschenk Gottes. Und deshalb sagt Paulus: Dieses begeisterte, aber für andere schwer oder gar nicht verständliche Reden, das ist was Privates. Als Einzelner kann ich Gott so danken und ihn loben. Aber wenn sich Menschen versammeln, wenn Leute zusammenkommen, um von Gott zu hören oder sich auszutauschen, dann ist was anderes viel wichtiger: prophetische Rede.

Als Jugendlicher kann man vielleicht mit diesem Begriff gar nichts anfangen, könnte ich mir vorstellen. Und als Erwachsener? Vielleicht auch nicht viel mehr. Wenn man das im normalen Alltag benutzt, dann höchstens in dem Sinn, dass man als Prophet etwas voraussagen kann, was in der Zukunft passieren wird. Und so was soll vernünftig sein? Und so was soll man als Christ können? In dem Sinn kann ich bestimmt nicht prophetisch reden. Aber weder Paulus noch die Propheten, die es vor allem im Alten Testament in der Bibel gibt, die legen ihren Schwerpunkt auf eine Zukunftsvorhersage. Es geht eigentlich darum, Gottes Wort in der Gegenwart so zu sagen, so von Gott zu erzählen, dass es in der Gegenwart die Leute erreicht und die Leute verstehen, was Gott sagen will. Verständlich von Gott zu reden, das ist gar nicht mal so leicht. Verständlich zu reden, das heißt, den Verstand nicht auszuschalen. Beim Reden nicht und beim Zuhören nicht. Verständlich reden, das heißt auch: so zu reden, dass die andere verstehen, was gemeint ist. Jugendliche reden anders als Erwachsene. Manches, was für mich als Hesse selbstverständlich ist, ist für einen Norddeutschen unverständlich. Und je nachdem, welche Bücher man gelesen hat oder welche Fernsehsendungen man sieht oder was man gern für Musik hört, sind auch die Erwartungen an die Wörter, den Satzbau und das, was einen tief drinnen berührt, ganz anders. Prophetisch reden können ist also wirklich ein großes Geschenk, auch wenn es nichts mit der Vorhersage der Zukunft zu tun hat. Etwas, das Mühe macht. Und etwas, das wohl auch nicht immer gelingt. Aber vor allem etwas, das ganz sicher nicht auf Pfarrer oder studierte Menschen beschränkt ist. Paulus sagt, dass das was ist, was eigentlich jeder anstreben soll. Im Prinzip kann das jeder und ist auch eine Aufgabe von jedem Christen

Warum? Ich glaube, weil Paulus drei wichtige Merkmale von solcher Rede nennt, die wirklich wichtig sind. Er-bauung, Ermahnung und Trost. Hört sich ja ziemlich verstaubt an. Wenn man es überhaupt versteht, dann so, als wäre das nichts für Menschen von heute. Erbauung, so altmodisch sich das anhört, heißt nichts anderes, als das was aufgebaut. Gemeinschaft. Gemeinschaft mit Gott und Gemeinschaft untereinander. Wenn ich von Gott rede, dann eben nicht so, dass andere fertiggemacht und ausgeschlossen werden, nicht so, dass ich mich als den Superalleswisser hinstelle und die anderen als kleine Dummerchen, sondern so, dass die Einladung und die Liebe, die Gott uns schenkt, auch rüberkommt. So, dass was entstehen kann, so dass der, der zuhört, das Gefühl bekommt: eigentlich gehöre ich dazu und bin gemeint. Ermahnung hört sich noch furchtbarer an. Aber damit ist nicht gemeint, mit erhobenem Zeigefinger andere schlecht zu machen, sondern sich gegenseitig zu helfen, aus der eigenen Trägheit und Bequemlichkeit rauszukommen. Und Trost, klar – die Traurigkeit, die jeder manchmal mit sich rumschleppt, die Traurigkeit über eigenes Versagen oder über den Verlust eines Menschen oder über was anderes, was Leben schwer macht, die soll kleiner werden. Sich trösten, sich gegenseitig zu helfen, nicht zu bequem zu werden und sich trösten – eigentlich ganz wunderbare Aufgaben. Nicht nur für Pfarrer.

Paulus lässt das auch ganz praktisch werden. Was ist, wenn einer kommt, der keine Ahnung hat, und alle nur in dieser begeisterten, aber unverständlichen Art von Gott reden? Das bringt dem nichts, der hält die Christen für arme Irre, sagt Paulus. Wenn man aber was Vernünftiges sagt, dann wird er erkennen, dass Gott auch ihn meint, dann wird er erkennen, was er bisher falsch gemacht hat, dann wird er spüren, dass Gott auch ihn liebt und wird zum Glauben finden. Ob wir das schaffen? Es sit ein Geschenk. Ein Geschenk, um dass wir immer wieder bitten dürfen. Ein Geschenk, das unseren Verstand zum Partner hat. ein Geschenk, das uns und andere am Ende hoffentlich mindestens genauso begeistert macht wie ein gutes Konzert oder der Aufstieg oder die Meisterschaft einer Lieblingsmannschaft. Ein Geschenk, das aber sehr viel länger hält, als diese Begeisterung und dass leben auch wirklich stark macht. Wir brauchen Begeisterung, die richtig rausgeht, ganz bestimmt. Aber wir brauchen noch mehr: Die Liebe. So, wie Paulus es schreibt – und diese Verse stehen wirklich hintereinander: Nun aber bleiben Glauben, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die Größte unter ihnen. Das soll also euer Ziel sein: ein Leben, das von der Liebe bestimmt wird.

Amen.

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