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Samstag, 13. März 2010

Ganz bei Trost... - Lätare, 14.03.10, Reihe II

Text: 2. Korinther 1,3-7

Liebe Gemeinde!
Manchmal wird es zu viel mit dem ganzen Trost. „Es wird schon wieder. Du wirst schon sehen. Die Zeit heilt alle Wunden. Ich kenne das auch. Ich weiß wie das ist. Du musst nur…“ – Sie meinen es ja nur gut, die anderen. Sie wollen nicht, dass da jemand traurig rumsitzt. Aber manchmal ist es einfach zu viel. Ich weiß nicht, ob sie das Gefühl kennen, das Trost manchmal auch zu viel werden kann. Ganz heftig habe ich das einmal nicht bei mir selbst, sondern bei Eltern erlebt, die ihr Kind bei einem Unfall verloren hatten. Am Anfang waren ständig Leute da. Jeder wollte was Gutes sagen, was Gutes tun. „Es war uns viel zu viel. Wir hatten gar keine Zeit, mal in Ruhe nachzudenken. Jeder hat es gut gemeint. Aber ich wollte gar nicht reden und gar nichts hören!“ So hat es mir die Mutter des Mädchens nach einer Weile mal erzählt. Es ging aber noch weiter. „Und dann, als die ersten Wochen rum waren, da war dann niemand mehr da. Als ich gern jemanden gehabt hätte, der mit mir redet, da hat jeder ge-dacht, er hätte das Nötige schon getan und der Trost hätte schon gewirkt. Für alle ging das Leben dann normal weiter. Für uns nicht. Erst war es zu viel und dann nichts mehr!“
Ich erzähle das jetzt nicht, weil ich die Bemühungen der anderen schlecht machen will. Nein, es ist gut, wenn Menschen sehen, dass es anderen schlecht geht und wenn sie versuchen, mit guten Worten und mit guten Taten die, denen es schlecht geht, aufzurichten. Das ist auf jeden Fall besser, als einfach so an der Traurigkeit und am Leid von anderen vorbeizugehen und zu sagen oder zu denken: „Das geht mich nichts an, die werden schon irgendwie damit fertig.“ Aber was, glaube ich, fast jeder von uns aus eigener Erfahrung kennt, ist das Gefühl, dass es sehr schwer ist, jemanden wirklich zu trösten. Auch deshalb, weil ich ja bei mir selber auch erlebe, dass nicht alles, was wirklich gut gemeint ist und was andere mir sagen oder an Gutem tun wollen, auch den richtigen Trosteffekt hat.
Was tröstet eigentlich wirklich? Gibt es einen Trost, der sozusagen funktioniert? Es wäre schön, wenn es den wirklich gäbe! Manchmal stehe ich als Pfarrer auch so ein bisschen ratlos da und denke mir: „Eigentlich ist alles, was du jetzt sagen kannst, irgendwie nicht richtig.“ Schwere Krebserkrankungen, Sucht, gewalttätige Eltern oder Freunde, und manchmal noch viel mehr unaussprechliches Leid, bei dem mir jedes Wort falsch vorkommt. Von mir als Pfarrer erwarten die Menschen, dass ich Trost spenden kann. Aber was soll ich sagen, wenn ich mitbekomme, dass ein Mädchen mit noch nicht mal zwölf Jahren nachts die Kotze ihrer betrunkenen Mutter wegwischt und die Betten neu bezieht, nur damit niemand die Alkoholsucht der Mutter bemerkt? Was soll ich sagen, wenn ein Mann die Krebsleiden seiner Frau nicht mehr ertragen kann und er sie mit einem Kissen erstickt? Soll ich dann sagen: „Gelobt sei Gott, der Gott allen Trostes, der uns in aller Trübsal tröstet“, so wie Paulus hier schreibt? Mir kommt das selber manchmal zu einfach vor. Da fehlen mir eigene Worte, da weiß ich nicht mehr weiter und dann benutze ich Gott als Joker. Und dann denke ich: warum eigentlich nicht. Vielleicht nicht mit diesen Worten. Bestimmt fühlen sich manche auf den Arm genommen, wenn ich so geschwollen daher rede, weil sie wissen, dass ich im Normalfall anders rede. Vielleicht sind sie skeptisch, weil sie denken, der sagt das nur als Pfarrer, weil er das sagen muss. Aber das ist doch billig und auswendig gelernt. Es kann wirklich billig, auswendig gelernt und einfach nur so daher gesagt sein, wenn man gleich auf Gott verweist und dann weiter geht. Genug getröstet, nächster Fall. Aber eigentlich bleibt uns Menschen, nicht nur uns als Christen, doch gar nichts anderes übrig, wenn es um echten Trost geht, das zu leben, was Paulus hier mit Worten beschreibt, die einem heute manchmal altmodisch und unpassend vorkommen. Trost kann nur dann wirklich entstehen, wenn wir uns als eine Leidens- und Trostgemeinschaft erleben. Das hört sich abgehobener an, als es eigentlich ist. Um andere wirklich trösten zu können, darf ich in mir selber nicht den absoluten Supermann oder die absolute Superfrau sehen, die alle Lebenslagen meistert, ohne dass Niederlagen, Schicksalsschläge oder schlimme Erfah-rungen mir was ausmachen. Wer so denkt, macht sich erstens was vor und wird zweitens den anderen, der im Moment wirklich Trost braucht, von oben herab behandeln. Ich bin der, der alles weiß und kann. Der andere wird sich dann immer klein und schlecht vorkommen. Wenn ich trösten will, muss ich nicht die gleichen traurigen Erfahrungen gemacht haben wie der, der Trost braucht. Aber ich muss mir eingestehen können, dass ich auch verletzlich bin und bedürftig bin. Wenn ich andere tröste, ist es manchmal hilfreich, nicht gerade selbst Trost zu brauchen. Aber trösten kann ich, glaube ich, dann am Besten, wenn ich von mir selber weiß, wie es ist, Trost zu brauchen und wenn ich solche guten Trosterfahrungen gemacht habe. Gott ist der Gott allen Trostes, von dem Paulus hier schreibt, nicht, weil er leidenschaftslos und leidenslos über allem schwebt, sondern weil er sich durch Jesus in diese Leidens- und Trostgemeinschaft mit uns Menschen gestellt hat. Gott ist das Leid nicht fremd. Er wird so sehr Mensch, dass er eben auch davor nicht wegläuft und uns dadurch zeigt, wie wichtig wir ihm sind. „Wenn’s brenzlig wird, haue ich ab!“ Ich denke, dass das eine für Menschen typische Haltung ist. Es macht ja auch keinen Spaß, in brenzlige Situationen zu geraten oder etwas so Trauruges zu erfahren, dass ich wirklich getröstet werden muss. Gott läuft nicht weg. Gott bleibt da. Weglaufen bringt nichts. Die traurigen Erfahrungen fressen sich dann nur immer tiefer in einen rein. Und wenn Menschen weglaufen, dann weiß ich: auf die kann ich mich nicht verlassen. Gott macht das anders. Er läuft nicht weg. Und er zeigt auch, dass das Leiden eben nicht das Letzte ist. Wenn Paulus an die Menschen in Korinth schreibt, dass Leiden auch mit Geduld getragen werden können und dass sich dann zeigen wird, wie stark der Trost ist, den Gott geben kann, dann schreibt er das nicht, weil Leiden etwas Tolles ist. Leiden ist traurig. Nicht toll. Und Gott ist kein Perversling, der will, dass die Menschen leiden, damit sie sich klein und mies fühlen und er groß da steht. Weglaufen bringt nichts. Wenn du dich dem Traurigen im Leben nicht stellst, dann wird auch der Trost nicht kom-men können. Die Botschaft steckt für mich in dem Brief an die Korinther. Als Christ hast du die Perspektive und die Hoffnung Leben. In der Taufe hast du ein Band mit Gott, das nicht kaputt geht. Ein sichtbares Zeichen für seine Liebe zu dir. Trost ist nicht ein Zukleistern des Bösen, sondern ein Wachhalten der Hoffnung. Das zeigt mir Paulus. Und so, wie wir mit Gott und untereinander im Leiden, im Traurigen zusammengehören, gehören wir eben auch in der Hoffnung zusammen. Trost entsteht und wächst eben vor allem dann, wenn ich weiß, dass ich nicht allein bin. Auch wenn die traurige Erfahrung einmalig ist und niemand sie wirklich mitfühlen kann, kann miteinander nach Hoffnung gesucht und Hoffnung wachgehalten werden. Hoffnung, die das Dunkel nicht überspielt, sondern die das Dunkle überwindet. Und wenn ich sie allein nicht sehen kann, allein nicht geben kann, dann gibt es eben eine große Gemeinschaft, die mir dabei helfen kann. Die Gemeinschaft der Kinder und Geliebten Gottes. Die Gemeinschaft mit Gott. Vielleicht war es das, was den Eltern, die um ihre Tochter getrauert haben, so gefehlt hat: die Gemeinschaft, die nicht weggeht, wenn der Alltag wieder da ist. Ich wünsche uns allen, dass wir nicht nur im Ausnahmefall, sondern jeden Tag, in unserem Alltag, diese Gemeinschaft spüren, die Trauriges nicht versteckt, nicht leugnet und so fähig wird, Trost zu geben. Mit Gottes Hilfe. Gott sei Dank.
Amen

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