Text: 2. Korinther 1,17-22
Liebe Gemeinde!
Kann man es denn am 4. Advent nicht einfacher haben? Da erzählt Paulus wieder so was Kompliziertes von Ja und Nein und das Gott Ja sagt aber die Leute denken, dass Paulus und die anderen Ja UND Nein sagen und alles ist so kompliziert! Sollte es denn am 4. Advent nicht einfach nur mal schön sein?! In einer Woche ist Weihnachten. Und da wäre es doch schön, wenn es in der Kirche wenigstens ruhig und einfach und besinnlich ist, so dass man ein gutes Gefühl bekommt und einfach mal vom Alltag abschalten kann, Stress vergessen darf und so richtig schöne Vorfreude auf Weihnachten bekommt. Und dann machen der Pfarrer und Paulus es so kompliziert! Kann einem denn der Glauben an Gott, Jesus, nicht helfen, das Leben ein bisschen leichter und einfacher zu machen? Ist das denn zu viel verlangt in einer Welt, in der man kaum noch durchblickt und in der selbst die, die sich für Experten halten, nichts mehr wirklich auf die Reihe kriegen?
Ja, es ist eigentlich ganz einfach mit dem Glauben. Durch Jesus sagt Gott Ja zu uns Menschen. Durch Jesus sagt er uns, dass er die Welt und die Menschen retten will und dass sein Wille nicht der Tod oder die Vernichtung des Lebens ist, sondern das Leben. Ganz einfach eigentlich, was Paulus hier schreibt. Für Paulus spielt die Geburt von Jesus keine Rolle. Für ihn ist es viel wichtiger, dass Jesus nicht tot geblieben ist, sondern dass Gott in ihm gezeigt hat, dass er stärker als Tod und Schuld ist. Aber trotzdem ist es ja nicht falsch, sich daran zu erinnern, dass das alles nur deshalb passieren konnte, weil Gott sich als Mensch in dieser Welt gezeigt hat. Und zum Menschsein gehört ja nicht nur der Tod, sondern auch die Geburt. Also, ganz einfach. In Jesus sagt Gott Ja zu uns Menschen und deshalb können wir auch gern Weihnachten feiern.
Ja, alles ganz einfach- wenn nur nicht wir Menschen wären!
Wir hätten es gern einfach und machen es doch oft so kompliziert! Weil wir eben nicht nur harmoniebedürftig, liebevoll, hilfsbereit und offen für andere sein können, sondern auch ganz schön egoistisch, rechthaberisch sind und glauben, dass Gott eigentlich gefälligst so sein soll, wie ich denke, dass er sein muss. Das ging Paulus nicht anders, das ging den Menschen in Korinth, an die Paulus diesen Brief geschrieben hat, auch nicht anders. Paulus hatte versprochen, sie zu besuchen. Sie hatten sich gestritten, Paulus und die Menschen in Korinth, weil diese nach Meinung von Paulus auf dem besten Weg waren, ihren Glauben an Gott wieder zu verlieren. Und weil Paulus sich nicht streiten wollte, hat er den Besuch einfach abgesagt. Prompt kam dann natürlich der Vorwurf, dass Paulus gar nicht ernst meint, was er sagt, und wenn er Ja sagt, meint er Nein, auf ihn könne man sich nicht verlassen und überhaupt, wenn Paulus so unzuverlässig ist, dann ist wahrscheinlich auch das falsch und unzuverlässig, was er den Menschen von Jesus erzählt hat. Wenn’s kleine Mädchen wären, würde ich bei dem kleinlichen Rumgenörgel wahrscheinlich Zickenterror sagen.
Ja, wir Menschen wollen wissen, wo wir dran sind, viel-leicht gerade auch im Glauben. Wir Menschen brauchen was, an dem wir uns festhalten können. Wir brauchen einen festen Halt, der uns Stärke gibt, wenn’s im Leben schwer wird, der uns Hoffnung gibt, wenn wir merken, dass wir mit unserer Kraft nicht weiterkommen und der uns trotz aller Enttäuschungen, die wir erleben, auch Mut macht, es immer wieder mit der Liebe zu versuchen. Wir wollen das alles möglichst einfach haben. Klar verständlich. Zum Einpacken in die Tasche, zum Mitnehmen, damit wir es rausholen können, wenn wir es brauchen. Und viel kosten darf das alles auch nicht.
Aber leider ist das mit Weihnachten und Jesus und dem Glauben nicht ganz so bequem, wie es die Korinther gern wollten und wie wir das, glaube ich, auch heute noch gern hätten. Klare Ansage und Schluss! Aber so läuft das mit dem Glauben leider nicht. Auch nicht in der Adventszeit, wenn alles so schön gemütlich ist und auf das Kind in der Krippe hinausläuft. Jesus selbst sagt einmal: „Hütet euch vor denen, die euch erzählen wollen, dass sie genau wüssten, wo es im Glauben hingeht! Die, die sagen: Schau mal, hier bei mir ist Jesus, ich zeige euch viele wunderbare Sachen, die wollen oft nur von Gott wegbringen und ihren eigenen Ruhm vermehren!“ (Lk 17,20-24par) Keiner von uns, kein Pfarrer, kein Priester, kein Mitarbeiter, kein Papst, kein Bischof, kein Kling-Böhm, keine Frau Pieh, kein Daniel, ist so groß, dass er alles durchschauen könnte, was Gott meint und will. Es gibt eine absolute Wahrheit, die sicher ist: Gott hat in Jesus Ja zu den Menschen gesagt. Gott liebt diese Welt und will, dass sie nicht zu Grunde geht, sondern dass Liebe, Gerechtigkeit, Frieden sich durchsetzen und Macht gewinnen. Gott ist kein Freund der Sünde, aber ein Freund der Sünder, die er von einem Weg, der zum Tod führt auf einen Weg bringen will, auf dem am Ende ein-fach nur noch ein richtig gutes Leben ist. Aber keiner von uns kann genau sagen, wie dieser Weg dahin im Einzel-nen aussieht und keiner ist vor Zweifeln sicher. Es gibt eine absolute Wahrheit, die kennt aber nur Gott ganz. Selbst die tiefgläubigsten Menschen mit dem tollsten Be-nehmen haben immer nur einen Teil der Wahrheit. Viel-leicht kennt Gott für andere Menschen auch ganz andere Wege, die wir nicht verstehen und kennen, selbst wenn wir ihm ganz und gar vertrauen. Es reicht doch, dass wir den Weg annehmen, den Gott für uns öffnet. Und anderen helfen, die Tür zu ihrem Weg zu finden. Das ist manchmal mühsam und manchmal macht man auch die falschen Türen auf. Und so kommen die Missverständnisse zustande, auf die Paulus im 2. Korintherbrief reagiert und mit denen wir bis heute leben müssen.
Aber jetzt mal Hand aufs Herz: Was ist denn das Ent-scheidende am Glauben? Für mich das, was Paulus schreibt: dass ich annehmen kann, dass ich in Jesus Got-tes Ja zu dieser Welt entdecke. Dass ich mich, sichtbar auch durch die Taufe, als Gottes Kind fühlen darf, von ihm gewollt und geliebt. Und dass ich nicht glaube, dass Gott uns auf den Arm nehmen möchte und seine Spiel-chen mit uns treibt, sondern dass er es mit seiner Liebe zu uns ernst meint. So ernst, dass er uns durch Jesus sagt: „Weil du Mensch bist und ich dich liebe, werde ich auch Mensch. Einfach so. Für dich.“ Für mich. Nicht nur für Menschen vor 2000 Jahren. Nicht nur für Menschen, die es studiert haben. Nicht nur für Menschen, die glauben, dass sie wüssten, wo’s langgeht. Auch für die, die ihre Zweifel haben, die Ängste und Sorgen kennen und manchmal gar nicht mehr wissen und sehen, wo’s lang geht.
Ich glaube, dass Gott uns nicht die Suche nach ihm ab-nimmt, sondern dass er sagt: ich will dir helfen, mich zu finden, aber du musst das auf deinem Weg tun, ich zwinge dir nichts für dein Leben auf.
Und da bin ich für mich wieder bei Weihnachten. „Weih-nachten wird unterm Baum entschieden“ will uns der Me-dia-Markt weißmachen. Dort, wo die teuersten elektroni-schen Geschenke, Smartphones, Spielekonsolen, Tablets und mehr ausgetauscht werden, dort stehen die Weihnachtsgewinner. Ich erzähle gern aus der Schule. Deshalb zum Ende der Predigt noch mal eine fast frohe Botschaft aus meiner 10. Klasse. Nur 4 von 14, die am Donnerstag da waren, werden Weihnachten in die Kirche gehen. Nur 5 von 14 sagen, dass sie was mit dem Glauben an Gott anfangen können. Aber 10 von 14 finden, dass Geschenke zwar schön, aber nicht so wichtig sind. Auch bei Jugendlichen wird Weihnachten nicht unterm Baum entschieden. Und merkwürdigerweise ist auch für die, die sagen, dass Gott ihnen total unwichtig ist, das wichtig, was sich nicht unterm Baum, sondern im Stall von Bethlehem entschieden hat: dass in einer Welt, die oft schwer zu verstehen ist und die alles andere als liebevoll ist und in der es ganz viel Streit gibt, Liebe und Hoffnung keine Spinnereien sind, sondern dass es sie gibt und dass Versöhnung und ein Miteinander auch dann möglich ist, wenn man glaubt, dass es menschlich gar nicht mehr miteinander geht. Die Hoffnung und Erfahrung von Kindern aus Familien, die nicht einfach Vater, Mutter, zwei Kinder sind, sondern die ein kompli-zierteres Leben haben. Die Erfahrung von Jugendlichen, die sich im Prozess des Erwachsenwerdens bis an die Schmerzgrenze mit Erwachsenen und Gleichaltrigen rei-ben. Für mich ein klitzekleines Zeichen dafür, dass Gottes Ja zu uns größer ist als unser kleinliches Rechthaben wol-len. Gottes Ja ist größer als wir je glauben können. Und dieses Ja zum Leben von Gott inspiriert sogar die Men-schen, die meinen, Gott ist was völlig unbedeutendes. Weihnachten wird eben nicht in der Geschenkeschlacht unterm Baum und erst recht nicht an der Kasse vom Me-dia-Markt entschieden. Sondern Weihnachten ist längst entschieden: im Stall von Bethlehem. In Jesus, in dem Gottes Liebe ein menschliches Gesicht bekommen hat.
Amen.
Predigten und Gedanken aus der Thomaskirche auf dem Richtsberg in Marburg
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