Liebe Gemeinde!
Was ändert sich eigentlich morgen früh? „Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt!“ Das wünsche ich uns allen. Für den 1. und 2. und 3. Januar 2009. Für den 30., 31. Dezember 2009. Für den 1. Januar 2010. Die Schwester meines Großvaters hat mir dieses Lied beigebracht, ich muss so etwa 4 oder 5 Jahre alt gewesen sein. Von Anfang an hat mich dieses Lied sehr berührt. Es ist nicht die Entscheidung meiner Mama oder meines Papas oder meiner Oma, ob ich morgen wieder wach werde. Es kann sein, dass Gott genau das nicht will. Es mag sich merkwürdig anhören, manche denken vielleicht auch, dass ich das jetzt erfunden habe, aber mir hat das keine Angst gemacht. Als Kind hab ich mir gedacht: Wenn Gott mich nicht wach werden lassen will, dann wird er was anderes Schönes mit mir machen. Gott hat mich seitdem viele tausend Mal wach werden lassen. Dafür bin ich dankbar. Und ich hoffe, dass er mich und vor allem die Menschen, die ich liebe, auch noch sehr, sehr oft wach werden lässt. Aber das Gefühl, das nichts selbstverständlich und nichts wirklich vorhersehbar und planbar ist, hat mich nicht losgelassen. Auch als meine Oma mir als ich etwas älter war, vielleicht so 10, den guten Rat mitgab, nie zornig über jemanden ins Bett zu gehen. Zu traurige, zu düstere Gedanken an der Schwelle zu einem neuen Jahr, beim Abschied von einem alten Jahr? Ich weiß nicht, dass mag jede und jeder selbst beurteilen. Mir geben sie allerdings Gelassenheit. Vor uns liegt ein neues Jahr. Noch ist kein Blatt des Kalenders herumgedreht oder abgerissen. Aber leer und unbeschrieben ist das Jahr schon jetzt, wenige Stunden, bevor es überhaupt beginnt, nicht. Wir denken an Geburtstage oder andere Feste, die anstehen. An Urlaube und Reisen oder auch an anstehende Operationen oder ärztliche Behandlungen. Wir denken an Prüfungen oder wichtige Termine, an so vieles, was uns ungeheuer wichtig ist. An schöne Dinge und an Dinge, vor denen wir uns fürchten. Aber letztlich haben wir davon nichts wirklich in der Hand. Es ist schön und gut, Pläne zu machen. Ich selber bin eigentlich auch so ein Pläne machen und Vorfreude Typ. Aber: „Morgen früh, wenn GOTT will, wirst du wieder geweckt“. Uns bleibt eigentlich nichts anderes, als unsere Zukunft, unsere Pläne, unsere Wünsche und unsere Befürchtungen in Gottes Hand zu legen. Klar, wir können und dürfen eine Menge tun und vorbereiten. Wir brauchen und dürfen nicht aufgeben. Sicher ist unsere Zukunft aber nicht. Dafür ist sie gewiss. Davon erzählen auch die beiden Verse des heutigen Predigttextes. „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehre umtreiben, denn es ist ein köstlich ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade.“ (Hebr 13,8+9) Wir können uns darauf verlassen, dass Gottes Liebe uns hält. Dass Gott seinen guten Willen, den er in Jesus Christus Gestalt hat werden lassen, nicht ändert, sondern dass dieser Wille bleibt. Der Wille, uns Menschen Frieden und Gerechtigkeit zu bringen. Der Wille, uns Menschen zur Umkehr zu bewegen. Der Wille, Versöhnung in Liebe zu stiften. Ein festes Herz ist dabei etwas ganz anderes als ein hartes Herz. Ein hartes Herz ist ein Herz aus Stein, das zur Liebe nicht fähig ist. Das nur sich selbst wahrnimmt. Hart geworden vielleicht auch durch die Erfahrung, von anderen enttäuscht und hintergangen zu werden, durch die Erfahrung, dass nur dann etwas zu erwarten ist, wenn andere Menschen ausgestochen werden. Im Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr ist es, Gott sei es geklagt, sehr leicht, viele Beispiele für Hartherzigkeit zu finden. Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise ist auch deshalb entstanden, weil Menschen nur ihren eigenen Profit im Blick hatten und arme Menschen gnadenlos über den Tisch zogen. Das Politchaos in Hessen hat auch damit zu tun, dass Politiker und Parteien aus wahltaktischen Gründen nicht in der Lage waren, über ihren eigenen Schatten zu springen. Und ich gebe auch nur ungern zu, dass ich manchmal sehr genervt auf Menschen reagiert habe, die mich während irgendwelcher Vorbereitungen störten und Geld von mir an der Haustür wollten. Hartherzigkeit ist kein Phänomen, das nur Bänker und Politiker befallen konnte. Hartherzig ist auch so manches Urteil von mir oder vielen anderen, wenn mal wieder „die Banken“, „die Wirtschaft“, „die Politik“ verantwortlich gemacht wird und der eigene Egoismus, das eigene Versagen, die eigene Ratlosigkeit einfach weggeblendet wird. Hart wird ein Herz leicht dann, wenn es nicht fest sein kann. Hört sich merkwürdig an. Aber wenn ich glaube, mich nur auf mich selbst verlassen zu können, wenn mein Herz unruhig ist, weil ich alles planen, machen, im Griff haben will, dann verkrampfe ich. Es ist wie beim Sport. Bei einem Krampf macht der Muskel zu, nichts geht mehr. Ein fester Muskel ist dagegen ein gut trainierter Muskel, der auch bei Belastungen nicht zu macht, sondern beweglich bleibt. Das gilt im übertragenen Sinn auch für das feste Herz. Ein festes Herz ist beweglich, kann sich der Welt und anderen öffnen, weil es vertrauen und sich anvertrauen kann, weil es sich gehalten und geliebt wissen kann. Es ist, wie der Hebräerbrief schreibt, ein Gnade, dieses Herz zu haben. Eine Gnade, zuallererst Gott und seiner Liebe vertrauen zu können, weil Jesus Christus unabhängig vom Kalenderjahr und vor unserer Zeit und nach unserer Zeit für die unverbrüchliche Liebe und Zuwendung Gottes steht. Es gibt, und das wird auch beim Rückblick auf ein zu Ende gehendes Jahr wieder deutlich, manches, was es schwer macht, Vertrauen, Hoffnung und Liebe zu spüren, Gottes Gegenwart zu erfahren. Geplatzte Träume, Sorgen wegen Krankheit, und leider oft auch der Tod lieber Menschen, der nicht immer als Erlösung kam, sondern manchmal auch vor der Zeit. Und der, selbst wenn er als Erlösung erfahren werden konnte, doch einen leeren Platz im Leben hinterlässt. Es bleiben aber auch die anderen Erfahrungen. Die guten und gelungenen Begegnungen. Wunschkinder, die gesund geboren wurden. Liebe, die erfahren und geteilt wurde. Neue, wahrgenommene Chancen. Und, wenn wir ehrlich sind, werden wir in einem Jahr etwas ähnliches sagen können. Wir dürfen und müssen altes und Vergangenes loslassen. Wir dürfen neues erwarten. Wir müssen vielleicht auch neues befürchten. Aber wird dürfen gewiss sein: in all dem wird sich eins nicht ändern. Dass unsere Zeit Gottes Zeit ist. Von ihm begleitet und gehalten. Dass er seine Liebe zu uns nicht ändert. Jesus Christus, gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Das bleibt. Und deshalb können wir hoffentlich getrost in das, wie ich finde, gar nicht so kindliche, Lied zumindest gedanklich einstimmen: „Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt.“ Und dann wird Er dir auch die Kraft geben, diesen Tag zu leben. Gebe Gott uns die Kraft, Vergangenes loszulassen, neues zu erwarten, Vertrauen zu haben in das Gute, dass er für uns will.
Amen
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