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Freitag, 21. September 2012

Freiheit, sie gilt für Menschen, Völker Rassen - damit jeder sieht, wie frei wir sind! - 16. Sonntag n. Tr., Reihe IV, 23.09.2012

Die Überschrift ist mal wieder "inspiriert" (negativ gesagt: geklaut) - der 1. Teil von "Herr, deine Liebe", Strophe 3, der 2. Teil mal wieder von Casper, diesmal aus XOXO
Predigttext: Apostelgeschichte 12,1-17 (ich beschränke mich nicht, wie die Perikopenordnung, auf die Verse 1-11, weil gerade Vers 17 nochmal deutlich macht, worauf es hinauslaufen soll)

Liebe Gemeinde!
Gott befreit. Die frohe Botschaft der Freiheit der Kinder Gottes ist stärker als aller Hass von Machthabern, die ihre Herrschaft mit Gewalt aufrecht erhalten wollen. Die frohe Botschaft der Freiheit der Kinder Gottes ist stärker als die Sehnsucht der Mehrheiten, Minderheiten leiden zu sehen und sich auf Kosten der Minderheiten zu amüsieren. Gott befreit.
Es ist kein Märchen, das Melissa und Kristina eben vorgelesen haben, keine fromme Heldengeschichte, die nett, aber uralt ist und sich längst erledigt hat. Auch wenn die Geschichte von Petrus, der mit Hilfe eines Engels aus dem Gefängnis freikommt, manches an sich hat, was man als kritischer Mensch im 21. Jahrhundert nicht mehr wortwörtlich nehmen mag, auch wenn uns heutzutage manches konstruiert und doch sehr ideal erzählt vorkommt: der Kern der Geschichte ist heute noch genauso aktuell wir vor 2000 Jahren. Die Geschichte ist lang, aber ich möchte mal versuchen, das an ein paar Punkten deutlich zu machen.
Da ist erstens der leider immer noch aktuelle Punkt, dass Hass und Gewalt versuchen, die frohe Botschaft der Befreiung durch Jesus tot zu machen. Herodes versucht in der Geschichte, seine Herrschaft dadurch zu stabilisieren, dass er eine Minderheit als Opfer für die Vorurteile der Mehrheit leiden lässt. Bis heute gibt es Christen, die in Ländern wie Nordkorea, im Irak, im Norden des Sudan wegen ihres Glaubens verfolgt, eingesperrt und mit dem Tod bedroht werden. Es gibt bis heute viel zu viele Menschen, die wegen ihres Glaubens verfolgt, gefangen und getötet werden. Und gerade deshalb müssen wir Christen aufmerksam und sensibel sein, wenn das umgekehrt geschieht. Wenn in Gesellschaften, in denen Christen nicht verfolgt werden, andere zum Bösen schlechthin gemacht werden. Bei den Nazis waren das die Juden – und bis heute gibt es in Deutschland viel zu viele Dummköpfe, die versuchen, Juden aus Deutschland rauszukriegen. Oder dumme Menschen, die Muslime pauschal als Terroristen oder Gefahr für die Gesellschaft verunglimpfen. Gerade aus unserer eigenen Geschichte heraus, gerade weil auch hier die Apostelgeschichte zeigt, dass christlicher Glaube ein Glaube der Freiheit ist und dass wir eine Frohbotschaft und keine Drohbotschaft weiterzugeben haben, müssen wir klar und deutlich für die eintreten, denen ihre Freiheit, zu glauben, ihre Freiheit, in Würde Mensch sein zu dürfen, abgesprochen werden soll.
Aus Angst und Hass werden Menschen verfolgt – aus Hass und noch mehr aus Angst sind die Mauern der sichtbaren und unsichtbaren Gefängnisse gebaut. Natürlich ist nicht jedes Gefängnis sinnlos. Menschen müssen vor Mord,
Vergewaltigung, vor dem Angriff auf ihre Würde geschützt werden und manchmal geht das sicher nur dadurch, dass diejenigen, die eine Gefahr für andere sind, sicher weggesperrt werden. Ich meine eher die Gefängnisse, die wir durch unsere Vorurteile zum Beispiel bauen. Auch die sind aus der Angst, zu kurz zu kommen, gebaut. Oder wenn ich mir meines eigenen Glaubens nicht sicher bin, dann sehe ich eine Bedrohung darin, dass andere einen Glauben haben, der ihnen hilft. Aus Angst, sozial abzustürzen, aus Angst, vor anderen als lächerlich da zu stehen, aus Angst, den Ansprüchen, die an mich gestellt werden, nicht zu genügen, bauen wir unsichtbare Gefängnisse aus Lügen, Vorurteilen, manchmal auch aus körperlicher oder seelischer Gewalt. Manche von uns wissen sicher, wie das ist, in solche unsichtbaren Gefängnisse eingesperrt zu sein. Manche wissen auch, wie leicht man selbst andere in diese Gefängnisse einsperrt.
Befreiung aus den Gefängnissen, die aus Hass und Angst gebaut sind, das ist ein großes Thema dieser Geschichte von Petrus. Hier in der Geschichte kommt ein Bote Gottes, ein Engel, der die Befreiung in Gang setzt. „Ich habe noch keinen Engel gesehen, alles Quatsch!“, so werden vielleicht manche denken oder es laut sagen. Aber wenn man sich die Geschichte noch mal genauer anschaut, dann fällt auf, dass der Engel auch für Petrus merkwürdig unsichtbar bleibt und sein Handeln eher unspektakulär ist. Ein helles Licht – mehr nicht. Im übertragenen Sinn heißt das: Gottes Gegenwart macht Leben auch da hell, wo Menschen in der Dunkelheit ihres Lebens gefangen gehalten werden, zu versinken drohen. Es geht nicht darum, sich Engel irgendwie körperlich vorzustellen, sondern es geht um die Gegenwart Gottes, die Leben hell macht, verändert. Auch durch Boten. Ganz konkret fallen mir Menschen ein, die sich für Gefangene einsetzen, die aus politischen oder aus Glaubensgründen eingesperrt sind. Den Menschen hilft, dass sie wissen: wir sind nicht vergessen. Die frohe, befreiende Botschaft, dass Gott kein Gott der Gewalt und des Hasses ist, sondern der Freiheit und der Liebe, macht auch in dunklen Gefängnissen Leben heller. Aber auch zwei andere Beobachtungen aus der Geschichte sind mir hier an dieser Stelle noch wichtig. Zum einen geschieht das Eingreifen des Boten Gottes nicht gewalttätig. Im Gegenteil. Es wird genau erzählt, wie waffenüberlegen die Soldaten des Herodes sind. Gottes Bote schlägt nicht dazwischen, er vernichtet die Soldaten nicht, sondern er setzt der angedrohten Gewalt Frieden entgegen. Ganz unspektakulär geschieht die Befreiung. Die Ketten fallen ab. Mehr wird nicht erzählt. Und überhaupt ist es nicht der Engel, der letztlich Petrus befreit. Der Engel weckt ihn, stupst ihn an, ermuntert ihn, aufzustehen, sich fertig zu machen, loszugehen. Aber das alles macht Petrus letztlich selber. Und als er in Freiheit ist, verschwindet der Bote Gottes. Und erst im Verschwinden erkennt Petrus, dass dieser Bote überhaupt da war. Boten Gottes ermuntern zur Selbständigkeit, zur Freiheit und schaffen keine neuen Abhängigkeiten. Boten Gottes trauen Menschen etwas zu. Für mich ein bis heute wichtiger Gesichtspunkt. Gott nimmt uns Menschen unser Handeln nicht ab, er macht uns nicht zu willenlosen Marionetten, sondern er schenkt uns Möglichkeiten, die wir ergreifen können und müssen. wir sind Partner, Gegenüber Gottes, geliebte Kinder, keine seelen- und willenlosen Maschinen. Und die Begegnung mit Boten Gottes erschließt sich erst im Nachhinein, in der Deutung. Ich kann nicht sagen: Da und dort will und werde ich Gott finden und ihm begegnen. Es ist anders. Erst in der Rückschau erschließt sich mir, wo Gott mir in meinem Leben wirklich nahe gekommen ist. Ziel der ganzen Erzählung ist nicht der Bericht eines übernatürlichen Wunders, sondern die Befreiung des Petrus dazu, die frohe Botschaft von Gott weiterzusagen. Gottes Liebe lässt sich nicht einsperren. Und Gott befreit Menschen zum Handeln – auch in scheinbar aussichtslosen Situationen.
Aber auch scheinbare Nebenaspekte sind nicht unwichtig. Da wird davon erzählt, dass die Gemeinde für Petrus gebetet hat und auch, dass sie dann, als Petrus wiederkommt, miteinander im Gebet waren. Manchmal kommt es einem vielleicht vor, als sei Beten zu wenig, als sei Beten nichts, was etwas ändert. Aber hier wird deutlich, dass wir Christen darauf vertrauen dürfen, dass Gebet Leben verändert. Unsere Art, füreinander einzustehen ist das Gebet. Beten und Handeln kann nicht gegeneinander ausgespielt werden. Beides gehört zusammen.
Dann sind da noch die verwirrte Magd Rhode, die Petrus vor der Tür stehen lässt und die anderen, die nicht glauben können, dass er tatsächlich da ist. Für mich ist das ein Zeichen dafür, dass wir zwar oft von Freiheit träumen, auch von der Freiheit der Kinder Gottes, von Befreiung träumen und Befreiung aus den Gefängnissen auch unserer Angst im wahrsten Sinn des Wortes erbeten – dass wir dann aber auch einen Moment brauchen, um diese Freiheit tatsächlich zu erkennen und anzunehmen und wirklich die Möglichkeiten zu sehen, die Gott eröffnet. Auch für und mit und durch andere Menschen. Christen sind keine Superhelden und Blitzmerker, denen immer gleich alles klar ist. Beruhigend, denn sonst wäre ich bestimmt keiner, wenn mir immer gleich alles klar sein müsste.
Und das letzte was mir an dieser Geschichte wichtig geworden ist, ist die Reaktion von Petrus. Petrus bleibt nicht in der Gemeinde, die im so vertraut ist und die ihm auch in schweren Zeiten im Gebet nahe war, sondern er bricht auf, geht weiter, damit die Botschaft der Freiheit, die frohe Botschaft Gottes, weitergetragen wird. Ein Aufbruch. Ein Aufbruch ins Unbekannte, in die Freiheit und Offenheit der frohen Botschaft, die keine Gewalt braucht, die Ketten sprengt, die aus großen und kleinen Gefängnissen befreit.
Gebe Gott, dass auch wir so frei werden, seine Kinder zu sein, dass wir anderen von dieser großen Freiheit weitererzählen und ihnen die Freiheit lassen, die Gott uns schenkt.  Die frohe Botschaft der Freiheit der Kinder Gottes ist stärker als die Sehnsucht der Mehrheiten, Minderheiten leiden zu sehen und sich auf Kosten der Minderheiten zu amüsieren. Gott befreit. Hoffentlich auch uns.
Amen

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