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Dienstag, 18. August 2009

Auf die Liebe, fertig, Los! 10. n. Tr., 16.08.09, Reihe I

Text: Mk 12-28-34

Liebe Gemeinde!
Kann man Liebe befehlen und verordnen? Wenn die Eltern oder die Freunde sagen: „Das wäre doch der richtige Mann oder die richtige Frau für dich, den oder die musst du heiraten!“ und bei einem selbst keine Gefühle da sind - dann wird es vermutlich schief gehen, wenn man es tut. Und selbst die scheinbar natürliche Liebe zwischen Eltern und Kind kann eben weder befohlen werden noch ist sie selbstverständlich. Malvin, Chanel und Michelle haben Glück gehabt - aber erst letzte Woche war wieder eine von leider viel zu vielen erschreckenden Meldungen in den Nachrichten, dass Eltern ihre Tochter haben verhungern lassen. Und ich glaube, dass man noch nicht mal bis zu diesen spektakulären Fällen gehen muss.Ich glaube, jedem von uns fallen Eltern ein, die mit ihren Kindern gar nicht liebevoll, vielleicht noch nicht einmal respektvoll umgehen und auch Kinder, die ihre Eltern weder liebe- noch respektvoll behandeln. Und damit meine ich nicht den Normalfall pubertierender Jugendlicher, die in einem schmerzhaften Prozess ihren eigenen Weg suchen und wo hinterher wieder Annäherung möglich ist, sondern vor allem längst erwachsene Kinder, die alles andere als liebe- und respektvoll sind. Liebe kann man nicht befehlen, sie ist leider auch nicht so selbstverständlich und natürlich, wie wir es oft gern hätten. Sie ist ein Geschenk, eine Gnade. Ist es deshalb vielleicht sinnlos, was Jesus in dem Gespräch, das wir als Predigttext gehört haben, dem Schriftgelehrten sagt, nämlich dass die unbedingte Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten wie zu sich selbst das höchste Gebot ist? Ist es Unsinn, dass der Schriftgelehrte das auch noch bestätigt und betont, dass uns nicht Äußerlichkeiten und Rituale zu Gott, dem Grund des Lebens, bringen, sondern die Liebe in dieser dreifachen Form - zu Gott, zum Nächsten, zu sich selbst? Nein, ich glaube nicht, dass es sinnlos oder unsinnig ist, so von Liebe zu reden. Vielleicht lenkt gerade diese scheinbar so widersprüchliche Art, von der Liebe zu reden, die Gedanken auf etwas Wichtiges. Liebe ist kostbar, nichts Selbstverständliches. Und wenn man nichts damit macht, nichts tut, dann wird sie verloren gehen.
Da ist einmal die erste Art der Liebe, von der Jesus und der Schriftgelehrte reden. Die Liebe zu Gott. Von ganzem Herzen, mit ganzer Kraft und Seele. Hier wird noch einmal extrem deutlich, dass man diese Liebe wirklich nicht befehlen kann. Glauben, in keiner Form, kann man herbeizwingen. Selbst im Koran, dem heiligen Buch der Muslime, die ja von vielen so oft mit Zwang im Glauben in Verbindung gebracht werden, steht der schöne Satz: „Zwang darf nicht im Glauben sein“. Zwang geht nicht - aber ich brauche eigenen Antrieb, eigene Initiative, wenn es um den Glauben und die Liebe zu Gott geht. Ich brauche den Mut, mich nicht auf messbare Lebenserfolge wie Geld, Ruhm und Ansehen zu beschränken. Den Mut, nicht dem Stärkeren einfach Recht zu geben. Den Mut, Nein zu sagen, wenn anderen gesagt wird: du bist nichts wert - als Hauptschüler, als Russe, als Behinderter, als… - da gibt es viel zu viel. Es braucht Mut und Kraft, sich nicht damit zufrieden zu geben, dass der Tod die letzte Macht im Leben hat. Es braucht Kraft, auch zu Zweifeln und Fragen zu stehen und Gott auch auf das anzusprechen, was man nicht versteht. Liebe kostet Kraft. Sie ist eigentlich nie der einfache, billige Weg. „du sollst Gott lieben mit allem, was zu dir gehört“ - das heißt nicht, du sollst dich zwingen lassen, an Gott zu glauben, sondern es ist die Aufforderung: Setz deine Kraft ein. Glaub nicht, dass es einfach und billig ist. Sei bereit, auch Anstrengungen, auch im Geist, auf dich zu nehmen. Ich finde es ehrlich, nicht so zu tun, als wäre alles immer nur einfach, sondern auch zu sagen: Glauben an Gott, der die Liebe ist, ist nicht der leichteste Weg im Leben. Äußerlichkeiten sind leichter. Auch wenn ich denke, meinen Glauben so zeigen zu können. Durch Opfer, durch Geldspenden, dadurch, dass ich auf eine bestimmte Art bete oder immer in die Kirche gehe. Das alles kann ein guter Ausdruck des Glaubens und der Liebe sein, aber das alles bleibt leer, wenn es an der inneren Beteiligung fehlt. as Wichtigste aber an dem, was Jesus und der Schriftgelehrte hier deutlich machen ist, dass es in der Beziehung zu Gott nicht nur um mich und mein ganz persönliches Seelenheil geht. Du sollst Gott lieben - investiere deine Kraft, keine Frage - und auch deinen Nächsten wie dich selbst. Gott lieben, an Gott glauben kann ich nicht, ohne dass ich die Menschen um mich herum nicht wahrnehme. Wenn ich sage: „Ich glaube an Gott und ich gehe in die Kirche und ich bete jeden Tag und lese immer in der Bibel“ und dabei meine Mitmenschen übersehe und sie wie Dreck behandle, dann nützt mir auch mein frommes Getue nichts. Gott und die Menschen gehören zusammen. Glauben, Religion, das ist was, was im Alltag spielt - oder es spielt eben keine Rolle mehr. Den Nächsten lieben - das heißt ja nicht, dass sich bei jedem, der mir begegnet, gleich Kribbeln im Bauch kriege, sondern dass ich ihn als Menschen sehe und seine Lebensmöglichkeiten fördere und mich da für ihn einsetze, wo er es bzw. mich braucht. Der springende Punkt bei alldem, bei der Liebe zu Gott und der Nächstenliebe, ist aber das Dritte, das hier nicht erst von Jesus erwähnt wird, sondern das ja schon im Alten Testament steht: „Liebe deinen Nächsten WIE DICH SELBST“. Es geht im Glauben nicht darum, sich selbst aufzugeben und als unwichtig ganz nach hinten zu stellen. Sondern es geht auch darum, sich selbst lieben zu lernen. Nicht selbstverliebt nur sich selbst zu sehen, sondern sich als liebenswert in der Gemeinschaft mit anderen zu erleben. Bevor wir überhaupt anfangen zu lieben - ob nun Gott oder Mitmenschen oder eben beide - dürfen wir wissen, dass wir geliebt werden. Bevor wir antworten können, hat Gott schon längst Ja zu uns, zu unserem Leben gesagt. Du bist was wert, du bist geliebt. Lieben, Liebe schenken, das kann nur der Mensch, der Liebe empfangen hat. Wer glaubt, nicht liebenswert zu sein, der kann zwar anderen Gutes tun, aber nicht wirklich lieben. Ich wünsche uns, dass wir durch die Art und Weise, wie wir miteinander leben
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als Gemeinde, auf dem Richtsberg und in den Familien und Freundeskreisen, anderen Menschen helfen, zu entdecken, dass sie was wert sind, dass sie geliebt sind - auch von Gott. Dass wir der Liebe nicht im Weg stehen und sie verdunkeln, sondern dass wir sie selbst erleben und mit eigenem Leben füllen. Amen

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