Predigten und Gedanken aus der Thomaskirche auf dem Richtsberg in Marburg
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Dienstag, 24. Dezember 2013
In eigener Sache...
Die Predigt zum 2. Weihnachtstag 2013 ist die letzte, die ich als Gemeindepfarrer der Thomaskirche auf dem Richtsberg veröffentliche. Ab dem 1. Januar werde ich eine neue Stelle als Kreisdiakoniepfarrer für Marburg und Kirchhain antreten. Als "Funktionspfarrer" werde ich sehr viel seltener predigen dürfen. Am 12. Januar (1. Sonntag nach Epiphanias) vertrete ich mich sozusagen noch einmal selbst und am 19. Januar (2. Sonntag nach Epiphanias) werde ich mich offiziell verabschieden. Diese beiden Predigten werde ich, wie immer, veröffentlichen. Aber danach wird es imemr wieder größere Pausen geben. Ich möchte allen, die mich in diesem Blog in den vergangenen gut 5 1/2 Jahren begleitet haben, ganz herzlich danken. Ihnen und Euch allen wünsche ich gesegnete Weihnachten und ein gutes, behütetetes Jahr 2014!
Freu dich - endlich! 2. Weihnachtstag 2014, Predigttext ohne Reihe
Text:
Zefanja 3,14-17 (ohne Reihe)
Liebe
Gemeinde!
Freude
über Freude! Freu dich endlich! Du hast jeden Grund dazu! Freu dich, es ist
Weihnachten! Freu dich, dass du ein Dach über dem Kopf hast! Freu dich über das
gute Essen! Freu dich über die Verwandten, die Kinder, die Eltern, die
Großeltern, die Freunde, über alle einfach, die du in diesen Tagen siehst,
gesehen hast, sehen wirst! Freu dich über die Geschenke! Freu dich! Freu dich,
dass morgen endlich mal kein Feiertag ist, dass morgen alles vorbei ist!
Mich
erschlägt sie oft genug, die Aufforderung, mich zu freuen. Als ob man Freude
mit einem Schalter anknipsen könnte! Ich freue mich über vieles, auch über
Weihnachten. Ich freue mich, dass ich keine Not leiden muss, sondern, im Gegenteil,
manchmal bei anderen ein bisschen Not lindern kann. Ich freue mich, dass ich
mit ihnen Gottesdienst feiern kann und ich freue mich, dass wir gleich nach der
Predigt das passende Lied zu dem Predigttext singen werden. Und worüber freuen
sie sich? Worüber haben sie sich in den letzten Tagen gefreut? Oder hatten sie
vielleicht wenig oder gar keinen Grund gefunden, sich zu freuen? Wie gesagt,
Freude kann keiner befehlen. „Jetzt freu dich doch über das Geschenk von Tante
Martha!“ – diese Aufforderung ist völlig sinnlos, wenn das Geschenk eben nicht
den Geschmack trifft und man sich höchstens darüber freut, dass Tante Martha an
einen gedacht hat. Wer Kinder hat oder sich an die eigene Kindheit erinnert,
weiß vielleicht gerade davon in diesen Tagen ein langes Lied zu singen. Wie das
ist, wenn man sich freuen soll und artig Danke sagen soll und einem gar nicht
so recht danach ist. Freude kann man nicht befehlen. Und je mehr dann darauf
bestanden wird, dass man sich doch eigentlich gefälligst freuen soll, desto
mehr Widerstand kommt oft. Freude kann man nicht anknipsen.
Aber
Freude kann man auch nicht ausknipsen, wenn sie da ist und echt ist. Das ist
das tolle an ihr. Kurz vor Weihnachten hatte ich ein langes Gespräch mit einer
jungen Frau. „Ich bin ein totaler Weihnachtsfreak und freu mich voll auf
Weihnachten“ hat sie gesagt – und dann
hat sie mir erzählt, was ihr da alles wichtig ist. Und das waren nicht nur
Geschenke, die Frau glaubt an Gott und ihr ist auch der Inhalt wichtig. Aber
eben auch viele äußere Sachen. Auch, dass sie Weihnachten in ihrer Familie
feiert. Und dann hat sie mir von ihrer Familie erzählt. Der Vater körperlich
schwer krank, die Mutter psychisch krank. Und kurz vor der Scheidung. Der
kleine Bruder, noch keine 18, ist seit vielen Jahren abhängig von Alkohol und
Drogen und dadurch belügt, betrügt und bestiehlt er die ganze Familie. Und
Weihnachten ist diese chaotische und kaputte Familie zusammen, Streit
vorprogrammiert, und trotzdem freut sich die junge Frau. Freude kann man nicht
verbieten und nicht ausknipsen.
Jauchze,
Tochter Zion, frohlocke, Israel, sei fröhlich von ganzem Herzen, Tochter
Jerusalem! Alle Worte, die es in der hebräischen Bibel zur Beschreibung von
Freude gibt, kommen in den Versen, die ich eben vorgelesen habe, vor, und in
der deutschen Übersetzung ist das ja ähnlich. Tochter Zion, das steht mehr oder
weniger für den Mittelpunkt der Welt. Der Zion, das ist der Berg, an dem alle
Welt zusammenkommen wird, um Gott zu erkennen, um Frieden zu finden, um die
Gerechtigkeit und Liebe zu erfahren, die Gott aller Welt schenkt. Zum Zion
werden nicht nur die Menschen, die immer schon an Gott glaubten kommen, sondern
auch die Menschen aus allen Völkern und Religionen, die guten Willens sind.
Eine Hoffnung, die nicht erst durch Jesus in diese Welt gekommen ist, sondern
die schon durch die Propheten wachgehalten wurde. Dabei ist der Zion kein
beeindruckender Berg wie der Mount Everest oder der Watzmann. Er ist eher ein
Hügel, gegen den selbst Vogelsberg und Rhön
Sonntag, 22. Dezember 2013
Vorhang auf - Christvesper als Licherkirche am Heiligabend 2013
Hebr.6,19f. i.V. mit Rembrandt „Die Heilige Familie mit dem Vorhang“
Liebe
Gemeinde!
Vorhang
auf! Die Vorbereitungen sind zu Ende, jetzt darf das Wichtigste endlich gesehen
werden. Es ist ein spannender Moment, wenn man sich zum Beispiel für einen
anderen Menschen besonders schön macht – als Bräutigam oder als Braut oder
einfach so, weil man etwas Schönes feiern will, wenn man sich Mühe gibt – „eine
Minute noch, ich bin gleich so weit“ – und dann die Tür öffnet, den Vorhang der
Umkleidekabine oder was auch immer zur Seite zieht und den Blick frei gibt. Wird der andere mit staunend offenem Mund und offenen Augen da stehen – oder
wird er gleichgültig schauen? Wird es dem, für den man das macht, gefallen –
oder wird er etwas zu kritisieren haben und vielleicht nur aus Höflichkeit
schweigen. Vorhang auf – und dann gibt’s kein Zurück mehr. Vielleicht ist es
bei manchen heute Abend zu Hause ähnlich, mit einem schön geschmückten Zimmer –
was werden die, die mitfeiern, sagen, wenn die Tür aufgeht und sie es sehen?
Oder mit Geschenken. Liebevoll ausgesucht und verpackt und wenn dann zwar nicht
der Vorhang aufgeht, sondern das Geschenk ausgepackt wird, aber trotzdem dann
der Inhalt zu erkennen ist und die Frage im Raum steht: Gefällt es? Vorhang
auf! – genau das hat Rembrandt vor über 450 Jahren gemalt. Ich möchte Ihnen und
Euch dieses Bild in diesem Jahr schenken, mit nach Hause geben. Zu Weihnachten.
Vorhang auf für Weihnachten. Und was sehen wir, wenn wir den Vorhang öffnen,
die Karte aufklappen? Weihnachten? Das soll Weihnachten sein?
Gut,
manches mag am Licht heute Abend liegen. Da sieht man nicht so gut. Aber als
dieses Bild gemalt wurde da gab es auch keine perfekten Lampen, wenn man es
gegen Abend betrachtete, dann wird man nicht viel mehr gesehen haben, als jetzt
zu sehen ist. Vorhang auf also – und das soll dann Weihnachten sein? Da fehlt
doch alles, was Weihnachten ausmacht: die Engel, die Hirten, der Stall, der
Ochs und der Esel, der Heiligenschein, nichts davon da. Stattdessen: eine gut
angezogene Mutter, die ihr Kind liebevoll in den Arm nimmt. Ein Kind, gut
genährt, gut angezogen, das ein wenig neugierig auf die schaut, die es vor dem
Vorhang betrachten. Eine Katze, die sich an einem wärmenden Feuer kauert. Und
wenn man ganz genau hinschaut, im Hintergrund kein primitives Strohlager,
sondern ein Himmelbett auf der linken Seite und den Vater, der Holz hackt, auf
der rechten Seite. Wäre nicht die Wiege, in der das Kind offensichtlich
geschlafen hat, der hellste Ort auf dem Bild, würde die nicht die liebevolle
Umarmung von Mutter und Kind den Fußboden heller erstrahlen lassen als das
Feuer direkt daneben, niemand würde dann
auf die Idee kommen, dass es mit dieser Familie etwas ganz besonderes
auf sich haben könnte. Deshalb hieß das Bild auch eine Zeit lang einfach „Die
Holzhackerfamilie“ und nicht „Die Heilige Familie mit dem Vorhang“. So wenig
Weihnachten! Oder doch: so viel Weihnachten. Der Vorhang ist weg, und wir sehen
Gott, das Heiligste. Der Vorhang, der im Tempel Gott und Menschen trennte und
hinter den nur einmal im Jahr der Hohepriester treten durfte. Hier in dem Bild
steht der Vorhang dafür, dass wir den Blick auf Gott frei gemacht bekommen.
Dass das Geheimnis Gottes nicht exklusiv für wenige Auserwählte an besonderen
Tagen sichtbar ist, sondern alle Welt kann Gott sehen. Weihnachten feiern wir,
dass Gott sich in dieser Welt zu erkennen gibt.
Und
das so, dass er so ganz und gar Mensch wird, dass er gar nicht als Gott erkannt
wird, schon gar nicht auf den ersten Blick. Es war und ist ja tatsächlich so,
dass es alles andere als selbstverständlich ist, in Jesus Gottes Sohn, das Heil
der Welt zu sehen. Es sind eben keine Äußerlichkeiten, die ihn unzweifelhaft
erkennbar machen, sondern es ist das, was sich in der Begegnung mit ihm
abspielt, es ist eine Beziehungs- und Glaubensfrage. Für mich drückt sich das
in dem Bild ganz unnachahmlich aus. Der Glanz liegt zum einen in der Wiege, dem
Ort, von dem aus das Kind aufgenommen wird. Er bleibt da, ein Ort göttlicher
Gegenwart. Aber da, wo die Frau das Kind aufnimmt,
Hände hoch, das ist ein Überfall! - Christvester mit Krippenspiel am Heiligabend 2013
Ansprache (kommt eigentlich nach dem Krippenspiel):
Hände
hoch, das ist ein Überfall!
Wieso
sehe ich jetzt niemanden, der die Hände hoch nimmt? Habt ihr etwa keine Angst vor mir? Glaubt ihr
etwa, dass ich das nicht ernst meine? Schade…
Nein,
eigentlich gar nicht schade. Es ist doch schön, wenn niemand Angst haben muss.
Und es ist auch schön, wenn Menschen, die eigentlich was Böses wollen,
plötzlich ganz andere Dinge machen und merken, dass sie eigentlich gar nicht
böse sein müssen, sondern dass es viel schöner ist, wenn Menschen sich
verstehen und keiner mehr Angst vor dem anderen haben muss.
Klar,
ich weiß, auch über 2000 Jahre, nachdem Jesus geboren worden ist, gibt es
Räuber und Menschen, die anderen was Böses wollen. Aber genauso lange macht
Gott auch Menschen das Angebot: auch wenn du noch so böse Gedanken und Pläne
hattest und vielleicht auch schon mal schlimme Dinge in deinem Leben gemacht
hast, habe ich dich lieb, bin ich auch für dich da, schicke ich dich nicht weg
und gebe dir die Chance, dass du dich änderst.
Dass
Menschen keine Angst mehr haben müssen, das ist für mich eigentlich ein ganz,
ganz schöner Teil von Weihnachten. „Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige
euch große Freude, die alle Menschen erleben werden“ – das ist das, was die
Engel den Hirten sagen, die sich ja auch erst einmal total erschrecken. Keine
Angst! Eine tolle Sache!
Ganz
so ist es ja bis heute leider nicht. Auch Leute, die ganz fest an Jesus glauben
und die mit viel Spaß seinen Geburtstag feiern, haben heute noch manchmal
Angst. Manche vor echten Räubern. andere davor, im Dunkeln einzuschlafen. Andere
davor, in der Schule schlechte Noten zu kriegen. Oder davor, arm zu werden oder
immer arm zu bleiben. Davor, dass einen keiner lieb hat. Manchmal hat man auch
Angst vor sich selbst, vor den bösen Gedanken, die man vielleicht hat oder
davor, was richtig Schlechtes zu machen. Wahrscheinlich fällt euch allen noch
viel mehr ein.
Deshalb
finde ich es total wichtig, immer wieder Weihnachten zu feiern und zu hören:
„Fürchtet euch nicht! Habt keine Angst“. Nicht vor dir selber. Auch, wenn du
wirklich mal was richtig Schlimmes gemacht hast, darfst du, wie die Räuber, zu
Jesus kommen und dich ändern. Der schickt dich nicht weg. Hab keine Angst –
auch nicht im Dunkeln. Auch wenn du niemanden siehst, ist Gott bei dir. Und
auch nicht vor schlechten Noten. Für Gott bist du wichtig, auch wenn du nicht
so toll rechnen oder schreiben kannst.
Gott
hat sich klein gemacht, als Kind hat er sich gezeigt, damit niemand Angst haben
muss, sondern damit alle sehen, dass er wirklich die Liebe ist. Und damit alle
auch, wie die Räuber, das Angebot erkennen können, dass er uns macht:
Du brauchst keine Angst zu haben, du darfst zu mir kommen, ich habe dich lieb.
Du brauchst keine Angst zu haben, du darfst zu mir kommen, ich habe dich lieb.
Genug
geredet, lasst uns feiern. Ohne Angst. Denn Gott ist da. In dieser Welt. Heute.
Und jeden Tag.
Amen.
Krippenspiel:
Der
Kaiser, die Hirten und eine Räuberschar
Lied
vor dem Krippenspiel: Seht, die gute Zeit ist nah (EG
18)
1. Szene: Am
Hofe des Kaisers in Rom
Mitspieler:
Augustus und sein Hofstaat und Erzähler/in
Augustus:
Ich bin der große Kaiser Augustus und habe alle Macht der Welt. Und ich habe
viele Minister und Ratgeber. Was mir fehlt, ist Geld in der Staatskasse. Liebe
Minister und Ratgeber, habt ihr keine Idee?
Minister
1:
Wir haben eine Idee, großer Kaiser. Mach doch mal eine Volkszählung, dann weißt
du, wie viele Untertanen du hast.
Minister
3:
Und dann kannst du von jedem Untertanen eine eigene Steuer verlangen.
Augustus:
Wie soll das denn funktionieren?
Minister
2:
Jeder Mann geht mit seiner Familie in die Stadt, in der er geboren wurde. Und
dort lässt er sich in die Steuerlisten eintragen.
Augustus:
Ihr seid wirklich gute Minister. Jetzt wird die Staatskasse wieder voll. Ich
erlasse sofort einen Befehl, dass alle Menschen gezählt werden sollen.
Erzähler/in:
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging,
dass alle Welt gezählt würde. Und diese Zählung war die allererste und geschah
zu der Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass
er sich zählen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auf auch
Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt
Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlecht Davids
war, damit er sich zählen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die war
schwanger.
Lied:
Seht
die gute Zeit ist nah (EG 18)
2. Szene:
Herbergssuche
Mitspieler:
Josef, Maria und Wirte (1-3)
Josef:
Komm, Maria, bald sind wir in Bethlehem.
Samstag, 21. Dezember 2013
Mit Engeln auf Du und Du - 4. Advent, Dialogpredigt, Lukas 1,26-38
Eigentlich wäre ja was anderes dran, ich weiß. Aber bevor ich am 19. Januar aus der Gemeinde verabschiedet werde, wollte eine ehemalige Konfirmandin (mittlerweile ist sie 15) mit mir noch mal eine Dialogpredigt halten. Sie durfte sich den Text aussuchen und hat sich eben einen anderen aus den Perikopentexten für diesen Sonntag ausgesucht. Die Gedanken stammen tatsächlich von ihr. Deshalb an dieser Stelle noch mal vielen Dank an Melissa, die mich in den letzten zwei Jahren oft in Gottesdiensten unterstützt hat.
Text: Lukas 1,26-38
KB: Milli, bist du eigentlich schon mal
einem Engel begegnet? Hat mit dir schon mal ein Engel geredet?
Milli: Keine Ahnung, ich weiß es nicht.
Ich habe noch nie so eine Erscheinung gehabt und Stimmen gehört.
Glücklicherweise, sonst würde ich vielleicht denken, ich bin verrückt. So einem
Engel, wie er oft gemalt wird, mit Flügeln und so, bin ich nie begegnet. Aber…
KB: Aber was?
Milli: Aber manchmal, da hatte ich das
Gefühl, dass Gott ganz besonders nah bei mir ist und dass da Menschen sind, die
mir was mitteilen wollen, was von Gott kommt.
KB: Aber woher wusstest du, dass das
von Gott kam? Wenn du da keine richtigen Engel gesehen hast, dann kannst du dich
doch auch getäuscht oder dir was eingebildet haben.
Milli: Klar, das könnte sein. Ich
kann’s halt nicht wissen, so wie ich Vokabeln wissen kann oder die binomischen
Formeln in Mathe. Aber ich konnte es spüren. Das kann ich nicht richtig
erklären. Wenn ich mich mal zum Beispiel in der Schule richtig unwohl und
allein gefühlt habe, weil ich dachte, ich hätte keine richtig gute Freundin,
die zu mir hält, dann kam jemand, der mir weitergeholfen hat, der mir Mut
gemacht hat. Und ich glaube, dass er mir von Gott einfach sagen wollte: Du bist
nicht allein! Du bist was wert! So eine gute Botschaft halt von Gott. Und ich
hab mal gelernt, dass Engel eigentlich „Botschafter“ heißt, wenn man es ins
Deutsche übersetzt. Und vielleicht hab ich den dann gar nicht als Engel
erkannt, weil er ganz normal aussah und er war ein Engel. Aber wie ist das denn
mit dir?
KB: Mir geht’s da genauso wie dir.
Engel mit Flügeln oder weiten weißen Gewändern hab ich bis jetzt nur auf
Bildern gesehen. Aber manchmal merke ich auch, dass Gott mir durch andere eine
Botschaft schickt. Manchmal sogar durch Menschen, die sich dagegen wehren
würden, wenn ich ihnen sage, dass sie von Gott kommen. Anfang der Woche hat mir
ein Schüler zum Beispiel, bei dem ich manchmal das Gefühl hatte, mit dem komm
ich gar nicht klar, was total Nettes geschrieben, was mir Mut gemacht hat, weil
ich im Moment manchmal schon ein bisschen die Krise kriege, wenn ich an das
denke, was ich hier alles noch erledigen will und vor allem daran zweifle, ob
ich das, was ab Januar kommt, auch gut mache. Ich glaube nicht, dass es einen
objektiven Beweis für Engel gibt. Aber ich glaube, dass Gott uns Menschen immer
wieder Botschaften gibt, auch durch Menschen, die er sich dafür aussucht. Wir
müssen aber auch bereit sein, sie zu hören.
Milli: Ja, klar. Aber ist das mit den
Engeln in Menschengestalt nicht ein bisschen zu wenig? Wenn ich die Geschichte
vom Engel Gabriel und Maria, die wir eben gerade vorgelesen haben, mir
anschaue, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass Gabriel so ein Engel war. Da
muss doch noch mehr gewesen sein. Ich glaube, dass Gott auch Wege zu Menschen
findet, die wir nicht verstehen und erklären können.
KB: Wenn das anders wäre, hieße es ja
auch Wissen und nicht Glauben… - schlechter Witz. Im Ernst. Ich glaube auch,
dass Gott da mehr Möglichkeiten hat, als wir uns vorstellen oder berechnen
können. Aber ich stelle mir diese Art von Engel nicht so richtig körperlich
vor, sondern als so eine Art Kraftfeld, wie ein Magnetfeld oder ein
elektrisches Feld, etwas, was da ist, was einen zum Schwingen bringt oder Dinge
bewirkt, aber eben nicht als objektive Gestalt zum Beispiel gemalt werden kann.
Ich glaube, dass da ganz viel von der persönlichen Begegnung abhängt.
Milli: Aber Maria ist doch sicher mehr
als einfach einem Kraftfeld begegnet. Und die Hirten bei Betlehem, von denen
Lukas ja in seiner Weihnachtsgeschichte erzählt, doch auch. Das war doch mehr
als ein reines Gefühl.
KB: Ja, schon. Aber ich glaube
trotzdem, dass alles an der persönlichen Begegnung hängt. Egal, ob das, wie bei
Maria, eine Eins-zu-Eins-Begegnung war oder wie bei den Hirten mehrere
beteiligt waren. Für andere lässt sich das nicht objektiv beschreiben oder
malen oder fotografieren. Das Entscheidende ist halt, dass ich, oder Maria oder
die Hirten oder du im entscheidenden Moment einfach den Mut hast, das was dir
begegnet, was du erlebst oder hörst als
Freitag, 6. Dezember 2013
Erlösung! - 2. Advent, 08.12.2013, "außerdem" Text der EKKW
Text: Lukas 1,57-66
Liebe
Gemeinde!
„Der
Tod war für ihn eine Erlösung.“ Immer wieder habe ich diesen Satz in den
vergangenen zweiundzwanzig Jahren bei Beerdigungsgesprächen gehört. Er muss nun
nicht mehr leiden. Sie muss nun nicht mehr bei wachem Verstand miterleben, wie
die Krankheit ihr jede Freiheit nimmt. Er liegt nun nicht mehr als wimmerndes
Häufchen Elend im Bett eines Altersheims, wo er doch so stolz auf das eigene Haus
und seine Körperkraft war. Sie muss nun nicht mehr die Schmerzen aushalten, die
ihr der Krebs bereitet hat. Der Tod als Erlösung. Immer mal wieder. Immer mal
wieder, wenn auch seltener, höre ich: „Der Tod war für uns eine Erlösung“.
Jetzt müssen wir nicht mehr die Schreie in der Nacht hören, nicht mehr
mitansehen, wie die geliebte Mutter uns fremd wird, nicht mehr im eigenen Haus
gefangen sein, weil sich alles nur noch um die Pflege dreht. Erlösung,
Freiheit. Hier oft sehr dramatisch, manchmal im Alltag viel weniger dramatisch.
In
zwölf Tagen sind die Schülerinnen und Schüler erst einmal von dem Stress
erlöst, gerade in der Adventszeit unheimlich viele Arbeiten schrieben zu
müssen, Angst vor dem eigenen Nichtwissen zu haben und morgens früh aufstehen
zu müssen. Und die Lehrer sind dann von motzigen, unmotivierten Schülern
erlöst. Freiheit auf Zeit, ein Stück Erlösung, immerhin.
Erlösend
ist es auch, wenn die Angebetete endlich „Ja“ sagt – oder der Angebetete.
Frisch verliebt, man weiß nicht, wohin mit den Gefühlen, dann die Angst: „Liebt
er, liebt sie mich auch? Blamiere ich mich, wenn ich meine Liebe gestehe?“
Nächte, schwitzige Hände – und dann: die Liebe ist gegenseitig! Eine Erlösung!
Endlich frei von Angst und freie Fahrt für die Liebe. Welche Erlösung!
Und
wir beten um Erlösung. Immer neu, immer wieder, manchmal auch ernsthaft und
nicht nur, weil’s im Gottesdienst oder in Konfer gerade alle sprechen. „Erlöse
uns von dem Bösen“. Mache uns frei, im Kopf, im Herzen, in den Händen, wirklich
das Richtige zu tun. Lass uns so frei sein, unserem Egoismus ein Schnippchen zu
schlagen. Hilf uns, so frei zu sein, nicht zu verzweifeln und nicht nur das
Dunkle zu sehen. gib uns den Mut, zu handeln, wenn es nötig ist und etwas zu
lassen, wenn es falsch ist. Mach uns frei. Zum Guten. Erlöse uns. Von dem
Bösen.
Von
einer Erlösung erzählt auch der Predigttext für heute. Lukas hat die Geschichte
von der Geburt Johannes des Täufers aufgeschrieben. Und dabei erzählt er, wie
Zacharias, der Vater von Johannes, erlöst wird.
Lesen: Lk
1,57-66
Zacharias
wird erlöst. Er kann wieder sprechen, jubeln, danken, loben – und später
vielleicht auch mal mit seinem Kind schimpfen, das sicher auch – aber er wird
frei. Seine Zunge löst sich. Erlösung. Und die Leute drumherum, die Nachbarn,
Verwandten, Freunde, danach auch viele
Fremde, überall in der Gegend, die sehen hier Gott am Werk. Wenn schon die
Namensgebung eines Kindes so was auslösen kann, was muss das dann für ein Kind
sein? Das kann nur mit Gott in Verbindung sein. Da sind sie sich einig. Und
irgendwie ist ihnen das unheimlich. Aber der Reihe nach.
Wie
kommt es überhaupt dazu, dass Zacharias seine Sprache verliert und kein Wort
mehr rausbringt? Wieso braucht er überhaupt Erlösung? Zacharias war Priester.
Ein guter, frommer Mann. Er und
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