Text:
Zefanja 3,14-17 (ohne Reihe)
Liebe
Gemeinde!
Freude
über Freude! Freu dich endlich! Du hast jeden Grund dazu! Freu dich, es ist
Weihnachten! Freu dich, dass du ein Dach über dem Kopf hast! Freu dich über das
gute Essen! Freu dich über die Verwandten, die Kinder, die Eltern, die
Großeltern, die Freunde, über alle einfach, die du in diesen Tagen siehst,
gesehen hast, sehen wirst! Freu dich über die Geschenke! Freu dich! Freu dich,
dass morgen endlich mal kein Feiertag ist, dass morgen alles vorbei ist!
Mich
erschlägt sie oft genug, die Aufforderung, mich zu freuen. Als ob man Freude
mit einem Schalter anknipsen könnte! Ich freue mich über vieles, auch über
Weihnachten. Ich freue mich, dass ich keine Not leiden muss, sondern, im Gegenteil,
manchmal bei anderen ein bisschen Not lindern kann. Ich freue mich, dass ich
mit ihnen Gottesdienst feiern kann und ich freue mich, dass wir gleich nach der
Predigt das passende Lied zu dem Predigttext singen werden. Und worüber freuen
sie sich? Worüber haben sie sich in den letzten Tagen gefreut? Oder hatten sie
vielleicht wenig oder gar keinen Grund gefunden, sich zu freuen? Wie gesagt,
Freude kann keiner befehlen. „Jetzt freu dich doch über das Geschenk von Tante
Martha!“ – diese Aufforderung ist völlig sinnlos, wenn das Geschenk eben nicht
den Geschmack trifft und man sich höchstens darüber freut, dass Tante Martha an
einen gedacht hat. Wer Kinder hat oder sich an die eigene Kindheit erinnert,
weiß vielleicht gerade davon in diesen Tagen ein langes Lied zu singen. Wie das
ist, wenn man sich freuen soll und artig Danke sagen soll und einem gar nicht
so recht danach ist. Freude kann man nicht befehlen. Und je mehr dann darauf
bestanden wird, dass man sich doch eigentlich gefälligst freuen soll, desto
mehr Widerstand kommt oft. Freude kann man nicht anknipsen.
Aber
Freude kann man auch nicht ausknipsen, wenn sie da ist und echt ist. Das ist
das tolle an ihr. Kurz vor Weihnachten hatte ich ein langes Gespräch mit einer
jungen Frau. „Ich bin ein totaler Weihnachtsfreak und freu mich voll auf
Weihnachten“ hat sie gesagt – und dann
hat sie mir erzählt, was ihr da alles wichtig ist. Und das waren nicht nur
Geschenke, die Frau glaubt an Gott und ihr ist auch der Inhalt wichtig. Aber
eben auch viele äußere Sachen. Auch, dass sie Weihnachten in ihrer Familie
feiert. Und dann hat sie mir von ihrer Familie erzählt. Der Vater körperlich
schwer krank, die Mutter psychisch krank. Und kurz vor der Scheidung. Der
kleine Bruder, noch keine 18, ist seit vielen Jahren abhängig von Alkohol und
Drogen und dadurch belügt, betrügt und bestiehlt er die ganze Familie. Und
Weihnachten ist diese chaotische und kaputte Familie zusammen, Streit
vorprogrammiert, und trotzdem freut sich die junge Frau. Freude kann man nicht
verbieten und nicht ausknipsen.
Jauchze,
Tochter Zion, frohlocke, Israel, sei fröhlich von ganzem Herzen, Tochter
Jerusalem! Alle Worte, die es in der hebräischen Bibel zur Beschreibung von
Freude gibt, kommen in den Versen, die ich eben vorgelesen habe, vor, und in
der deutschen Übersetzung ist das ja ähnlich. Tochter Zion, das steht mehr oder
weniger für den Mittelpunkt der Welt. Der Zion, das ist der Berg, an dem alle
Welt zusammenkommen wird, um Gott zu erkennen, um Frieden zu finden, um die
Gerechtigkeit und Liebe zu erfahren, die Gott aller Welt schenkt. Zum Zion
werden nicht nur die Menschen, die immer schon an Gott glaubten kommen, sondern
auch die Menschen aus allen Völkern und Religionen, die guten Willens sind.
Eine Hoffnung, die nicht erst durch Jesus in diese Welt gekommen ist, sondern
die schon durch die Propheten wachgehalten wurde. Dabei ist der Zion kein
beeindruckender Berg wie der Mount Everest oder der Watzmann. Er ist eher ein
Hügel, gegen den selbst Vogelsberg und Rhön
fast wie Hochgebirge anmuten. Und
selbst in Israel gibt es sehr viele beeindruckendere Erhebungen. Aber
ausgerechnet der Zion ist der Ort der Sehnsucht und der Freude und der Hoffnung
für Juden in der ganzen Welt, bis heute. Gottes Stärke, Gottes Größe und Güte,
das alles braucht nicht die äußere Mächtigkeit und Gewalt, um zu beeindrucken.
Gott hat deine Strafe weggenommen, deine Feinde abgewendet, du musst kein
Unheil mehr fürchten – Grund zur Freude für die Menschen, die auf Gott warten,
die sich nach Frieden sehnen, denen Gerechtigkeit und Lebenssinn abhanden zu
kommen drohen. Und das manchmal ja auch aus eigenem Unvermögen, aus eigener
Schuld. Freude, die deshalb da ist, weil sie mit einer guten Zukunft rechnet.
Nicht mit materiellem Wohlstand oder ewiger Gesundheit, sondern damit, dass am
Ende Gottes Liebe alles zusammenführt, was jetzt als schwer und schmerzhalft
empfunden wird. Vielleicht ist das, mehr geahnt als gewusst, der Grund, warum
sich die junge Frau, von der ich Ihnen eben erzählt habe, aus vollem Herzen
freuen kann, obwohl alles rund um ihr Leben und ihre Familie nach den
alltäglichen, scheinbar objektiven Maßstäben, eher trübe und düster ist und
Weihnachten sicher nicht besonders kuschlig in ihrer Familie war. „Ich glaube
an die Sonne, auch wenn sie nicht scheint; ich glaube an die Liebe, auch wenn
ich sie nicht fühle; ich glaube an das Gute, auch wenn ich es nicht sehe; ich
glaube an Gott, auch wenn er schweigt.“ Ein Jude im Warschauer Ghetto hat
dieses Bekenntnis aufgeschrieben, und für mich drückt sich in diesen Worten das
aus, was die Freude, von der der Prophet redet, die Freude, die die junge Frau
empfindet und das, was wir ja an Weihnachten feiern, zusammenbringt und
zusammenhält. Die Welt ist nicht einfach gut und schön, auch nicht zu
Weihnachten. Dadurch, dass Gott uns Menschen zu seinem Bild geschaffen hat, und
damit hat er uns auch die Freiheit, zu entscheiden und zu handeln gegeben, dadurch
haben wir die Möglichkeit, uns für das Falsche zu entscheiden. Und diese
Möglichkeit haben wir reichlich genutzt und uns vor das Gute und die Liebe
gestellt, so dass andere auch durch unsere Schuld das nicht erkennen konnten. Aber trotz allem gibt Gott uns nicht auf,
trotz allem erfahren Menschen Liebe und Grund zur Freude. Eben gerade dadurch,
dass Gott gnädig ist, dass er nicht auf Recht und Bestrafung besteht, sondern
Wege zum Leben öffnet. Als Christen glauben wird, dass Jesus die Erfüllung
dieser Zusagen ist. Der Zion ist nicht der höchste Berg der Welt – und trotzdem
Ort der Sehnsucht nach Frieden, Liebe, Gerechtigkeit, Erfüllung. Jesus ist
nicht der Superheld, der mit Superkräften reinhaut und alles vernichtet – aber
in ihm wird lebendig, was Liebe wirklich bedeutet und wie mächtig Vergebung
ist. Weder die Verheißungen der Propheten noch die Geburt Jesu haben schlimme
Erfahrungen und Böses aus der Welt gebracht. Auch nicht in den Weihnachtstagen.
Aber beides lässt vielleicht die Hoffnung auch im eigenen Leben wachsen und die
Freude größer werden. die Freude über das, was möglich und am Ende wirklich
mächtig ist, was größer ist als alles, was sich an dunklen Erfahrungen, an
Sonne, die nicht scheint, an Liebe, die nicht gespürt werden kann vor Gott und
die Liebe gestellt hat. Es geht nicht darum, auch nicht zu Weihnachten, die
Wirklichkeit schön zu reden oder gar schön zu fressen oder zu saufen. Es geht
darum, tiefer zu sehen. Und deshalb war das vorweihnachtliche Gespräch mit
dieser jungen Frau für mich ein so großes Geschenk, weil sie mich gelehrt hat,
wirklich tiefer zu sehen – gerade dadurch, dass sie ihre Wirklichkeit nicht
ausgeblendet hat, sondern den Mut hatte, die Freude, die Gott schenkt, schon im
Alltag vorwegzunehmen.
Aber
diese Freude ist nicht die einzige Freude, von der der Prophet erzählt. Am Ende
kommt noch etwas anderes: Gott freut sich. Es wird gar kein Grund der Freude
erzählt. Es wird nicht erzählt, dass Gott sich freu, weil die Menschen endlich
mal alle Gebote halten oder in Frieden leben oder endlich alles teilen. Nein,
Gott wird sich freuen. Einfach so. An seinen Menschen, an den Menschen. Weil er
sie liebt. So sehr, und das ist eben unsere Überzeugung als Christen, dass er
selbst Mensch geworden ist. Größere Liebe gibt es nicht als die, dass Gott durch
Mitmenschlichkeit im wahrsten Sinn des Wortes zeigt, dass wir wirklich zu ihm
gehören. Worüber könnte, sollte sich Gott bei mir, in meinem Leben freuen? Bei
Ihnen? Bei dir? Mir fällt eigentlich immer eher das ein, worüber er sich ganz
bestimmt nicht freuen kann. Aber vielleicht hilft uns ja Weihnachten wirklich,
vielleicht helfen uns diese alten prophetischen Texte, die garnichtmal direkt
auf Jesus gemünzt sind, tatsächlich, die Perspektive zu wechseln. So, wie Gott
die Perspektive wechselt und Mensch wird, so können wir das Leben mit den Augen
der Lieb und Freude, die von Gott kommt, anschauen und Leben vielleicht auch
dort ein bisschen heller werden lassen, wo zuerst nur dunkel und wenig
Freudiges gesehen wird. Gott freut sich – und wir dürfen uns mitfreuen. Freue
dich, Tochter Zion. Jauchze laut, junge Frau, die du alles andere als eine
perfekte Familie hast. Und danke, Gott und danke dieser jungen Frau, dass Liebe
und Freude kein leerer Befehl bleiben, sondern da sein dürfen. Trotz allem, in
allem. Hier und jetzt in dieser Welt.
Amen.
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