Anspiel zur Predigt
Erntedank 13
Requisite: ein Geschenkpäckchen
Jasmina und Julian stehen vor dem Altar, Jasmina hat das
Päckchen in der Hand, schenkt es Julian, sagt dabei „Bittschön!“. Julian freut
sich, sagt „Danke!“, legt das Päckchen hinter sich ab.
Julian grübelt, macht eine Geste, die ausdrückt Ich habe eine Idee. Nimmt das Päckchen,
schenkt es Jasmina, sagt dabei „Bitteschön!“. Jasmina nimmt das Päckchen,
schaut freundlich, sagt „Danke“ und legt es hinter sich ab.
Jasmina grübelt, nimmt das Päckchen, das Spiel mit
„Bitteschön!“ und „Danke“ geht wieder von vorne los, beide schauen jetzt aber
leicht genervt.
Julian macht eine Ärger-
oder Wutgeste, die Jasmina nicht sehen kann, schnappt sich das Päckchen,
das „Bitteschön!“ – „Danke“ Spiel geht in die nächste Runde.
Jasmina macht eine Verzweiflungsgeste, aber das Spiel geht
wieder von vorne los.
Anita kommt langsam nach vorn.
Julian wird sauer, sagt ganz patzig „Danke!“ und will das
Geschenk sofort zurückgeben
Anita greift ein, schnappt sich das Päckchen, sagt: „Das
kann ich ja nicht mehr sehen! Evelina, komm mal her, schmeiß das Päckchen weg!“
Evelina kommt, nimmt das Päckchen, schmeißt es in der
Sakristei in den Papierkorb.
Jasmina und Julian schauen verblüfft, sagen dann strahlend
gemeinsam „Danke, Anita!“ und umarmen sie.
Alle gehen wieder an ihren Platz.
Predigt Erntedankfest 13
MELISSA: Hast du das gesehen?
Die waren ja mies drauf! Dabei sind Geschenke doch was Schönes! So, wie die
zwischendurch dann „Danke“ gesagt haben, da hab ich doch gedacht, die bringen
sich gleich um! Gut, dass da noch die ANITA gekommen ist und so ne gute Idee
hatte!
KB: Das kannst du laut sagen, MELISSA!
Aber ich kann die JASMINA und die JULIAN auch gut verstehen. Manchmal will man
vielleicht gar nicht „Danke“ sagen. Da nervt das einfach.
MELISSA: Dass du dich als
Pfarrer traust, so was zum Erntedankfest in der Kirche zu sagen! Du müsstest
mir und allen anderen hier doch sagen, dass wir gefälligst dankbar sein sollen
für unser Leben und das wir was zu essen haben und was zum Anziehen und …
KB: MELISSA, bleib ruhig!
Meinst du wirklich, dass das was bringt, wenn ich dir und allen anderen hier
sagen würde: Jetzt sag aber dem lieben Gott schön „Danke!“? Ich glaube, das
bringt gar nichts! Damit ich wirklich „Danke“ sagen kann, muss ich mich doch
auch freuen. Und das kann ich niemandem befehlen.
MELISSA: Aber ich kann doch auch
Danke sagen, wenn ich mich nicht freue. Meine Tante, die schenkt mir immer so
kratzige Pullover. Und da sag ich auch Danke, obwohl ich die Pullover blöd
finde. Ich hab doch meine Tante ganz lieb und ich weiß, dass sie mich auch lieb
hat, obwohl sie mir kratzige Pullover schenkt. Und deshalb sag ich Danke, weil
ich denke, dass meine Tante sonst vielleicht traurig ist.
KB: Ja, das kenne ich gut! Aber
da siehst du doch auch: eigentlich willst du deiner Tante sagen: „Du, ich hab
dich ganz lieb, auch wenn du meinen Pullovergeschmack nicht kennst.“ Und du
sagst Danke, und deine Tante denkt vielleicht: „Prima, der MELISSA gefällt mein
Geschenk!“ Deine Tante fühlt sich verpflichtet, dir immer wieder so was zu
schenken, weil sie denkt, dir gefällt es und du fühlst dich verpflichtet, Danke
zu sagen. Und vielleicht geht’s dir oder euch beiden dann mal wie der JASMINA
und dem JULIAN. Dass ihr beide völlig genervt werdet.
MELISSA: Aber was kann man da
denn machen? Soll man denn gar nicht mehr Danke sagen?
KB: Doch, das schon. JASMINA
und JULIAN haben zum Schluss ja auch zu ANITA Danke gesagt. Sie waren wieder
fröhlich, weil sie gemerkt haben, dass der ganze Zwang, Geschenke immer mit
Danke und einem Gegengeschenk zu beantworten, blöd ist. Ein Geschenk ist dann
ein Geschenk, wenn der, der schenkt, nichts erwartet und der, der das Geschenk
bekommt, sich zu nichts verpflichtet fühlen muss. Und ANITA hat den beiden
gezeigt: es geht doch auch ohne! Man kann sich auch ohne solche Geschenke gern
haben.
MELISSA: Soll ich dann meiner Tante
sagen: „Schenke mir nichts mehr, ich habe dich trotzdem lieb“? Aber ich kriege
doch gern Geschenke, nur nicht kratzige Pullover!
KB: Wir Menschen sind schon
manchmal ziemlich kompliziert, gell. Ich glaube, das musst du mit deiner Tante mal
in Ruhe klar machen.
MELISSA: Aber was hat das ganze
denn jetzt mit dem Erntedankfest zu tun, das wir heute feiern? Da müssen wir
doch dran denken, was Gott uns alles für unser Leben schenkt und dann bei ihm
bedanken. Das müssen wir doch, weil’s uns so gut geht! Weißt du, wenn ich
Bilder von Kindern aus Afrika oder so sehe, oder auch von hier, die fast nichts
zu essen haben oder nur schmutzige und zerrissene Pullover, da muss ich doch
dem lieben Gott danken, dass ich genug zu essen habe – und eigentlich auch,
dass ich eine Tante habe, die mir Pullover schenkt. Auch wenn sie kratzig sind.
Immerhin habe ich welche.
KB: Musst du das wirklich?
MELISSA: Hä, das versteh ich
nicht!
KB: Ich meine, musst du dich
wirklich bei Gott bedanken? Wenn du das Gefühl hast, du musst das tun,
dann ist es doch kein echtes Bedanken mehr. Ich finde so Tage eigentlich
merkwürdig. Gott hat keinen von uns gefragt, ob er leben will. Er hat uns das
Leben geschenkt. Klar. Aber manchmal gibt’s Momente, da kann ich nicht „Danke“
fürs Leben sagen. Da geht’s mir
einfach dreckig. Und da kann ich auch nicht
sehen, dass andere vielleicht noch schlimmer dran sind.
MELISSA: Stimmt, das wär’ ja
auch blöd, wenn ich sagen würde: „Danke, dass es anderen schlechter geht und
dass ich dadurch merke, dass du, Gott, da bist.“
KB: So sehe ich das auch. Gott
braucht mein Dankeschön nicht. Er schenkt uns Menschen das Leben und er schenkt
uns Möglichkeiten, etwas damit zu machen. Einfach so, ohne Hintergedanken. Und
vielleicht kommt der Dank dann halt nicht zum Erntedankfest, sondern spontan
irgendwann anders, wenn ich halt merke, dass ich ein tolles Geschenk bekommen
habe.
MELISSA: Jetzt wird’s mir
langsam zu kompliziert! Kannst du das vielleicht leichter erklären?
KB: Ich mach’s erstmal noch
komplizierter. In einem Brief in der Bibel steht ein Satz, den ich ganz wichtig
finde. Der Brief heißt 1. Timotheusbrief. Und darin steht: „Alles, was Gott
geschaffen hat, ist auch gut, und auf nichts, für das man danken kann, muss man
verzichten. Denn alles wird heilig, weil Gottes Wort in unserer Mitte ist und
weil wir Gott im Gebet um seinen Segen bitten.“
Für mich heißt das, das
erstmal wirklich alles ein Geschenk und gut ist. Unabhängig davon, ob wir jetzt
Danke sagen oder nicht. Zu etwas ganz Besonderem wird es dann, wenn wir unser
Danke und unser Gebet sozusagen als Antwort zu Gott bringen. Das kann aber
jeden Tag sein oder halt dann, wenn wir es erkennen. Das ist nicht festgelegt.
Und schon gar kein „Muss“. Auch dann, wenn ich vergesse, Danke zu sagen oder
wenn ich es im Moment nicht kann, bleibt das, was Gott uns schenkt, gut.
MELISSA: Das habe ich ja
verstanden. Aber was hat das jetzt mit Erntedankfest zu tun?
KB: Ich will den Menschen kein
schlechtes Gewissen machen, weil sie nicht immer erkennen, wie toll und wie
wenig selbstverständlich es ist, genug zu essen oder genug zum Leben überhaupt
zu haben. Da, wo ich geboren bin, gab es früher ganz viele Menschen, die von
dem lebten, was auf ihren Äckern und in ihren Gärten wuchs. Auch meine
Großeltern und ganz viele Nachbarn von mir und Freunde von meinen Eltern. Für
die war Erntedankfest toll und wichtig. Die haben jetzt, wo das meiste geerntet
war, wirklich oft das Gefühl gehabt, Gott aus ganzem Herzen Danke sagen zu
können, weil genug gewachsen ist, um selbst essen zu können und noch was
verkaufen zu können, damit man als Familie gut leben kann. Und ich find’s toll,
wenn sich heute auch viele Menschen, die nicht davon abhängig sind, Gedanken
machen, wo das, was zu essen da ist, herkommt und wie das so verteilt werden
kann, dass ganz viele Menschen satt werden. Aber meiner Meinung nach ist es
heute genauso wichtig, Geschenke auch wirklich annehmen zu können – ohne gleich
eine Verpflichtung zu sehen oder sich irgendwas davon zu versprechen.
MELISSA: Ich glaube, jetzt
verstehe ich ein bisschen… - Also, du meinst, dass es egal ist, wofür ich danke
sage, weil sowieso alles von Gott kommt und dass es auch nicht schlimm ist,
wenn ich das mal vergesse?!
KB So ungefähr. Ich glaube
wirklich, dass wir erst wieder entdecken müssen, wie toll es ist, ohne
Hintergedanken und Verpflichtungen beschenkt zu werden, bevor wir zum Danken
kommen. In jeder Hinsicht, weil Gott alles Gute geschaffen hat. Ich hatte
neulich ein Telefongespräch, dass war auch ein Erntedankfest obwohl der Termin
nicht im Kalender stand. Da hat mir eine Frau ganz begeistert erzählt, wie toll
ihr Geburtstag war und dass sie es klasse fand, dass so viele Menschen an sie
gedacht haben und dass das überhaupt das allerschönste Geschenk war, die
Menschen die da waren und dass sie das auch als Dankeschön für alles, was sie
für andere in den letzten Jahren gemacht hat, gesehen hat, auch wenn sie dafür
nicht immer in dem Moment ein Dankeschön gekriegt hat. Und dass sie Gott dankt,
dass es so tolle Menschen gibt. Dem kann ich mich im Moment nur anschließen.
Ich hab auch manchmal ein Dankeschön vermisst, wenn ich was gegeben habe. Aber
in letzter Zeit habe ich von vielen Menschen so viel gute Worte und
Unterstützung bekommen, das ist viel mehr Wert als jedes zwanghafte „Danke“.
MELISSA: Kannst du da noch mehr
erzählen?
KB: Könnte ich, aber das ist
dann doch, glaube ich, zu langweilig für die anderen. Da kann ja jeder selber
mal überlegen.
MELISSA: Stimmt, selber denken
und selber danken ist viel besser, als dauernd zuhören zu müssen!
KB: Ja, prima. Dann singen wir
jetzt das nächste Lied und ich kann nur noch eins sagen.
MELISSA: Amen?!
KB: Ja, so soll es sein.
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