Liebe
Gemeinde!
Ist
es nicht toll, wenn Stars und Prominente sich für gute Dinge einsetzen, wenn
sie für krebskranke Kinder oder die Tafeln, die Lebensmittel an Bedürftige
verteilen, oder Flutopfer oder andere, die finanzielle Hilfe nötig haben spenden,
wenn das dann im Fernsehen kommt, in den Zeitungen und im Internet steht? Ist
das nicht toll, wenn durch das Beispiel von diesen Menschen andere angeregt
werden, ebenfalls für gute Sachen oder Menschen in Not zu spenden? Geld stinkt
nicht, das ist ein altes Sprichwort. Wen sollte also interessieren, wo das
Geld, das für was Gutes oder zur Linderung von Not gegeben wird, herkommt oder
was der, der es gibt, sich dabei denkt? Wenn’s hilft, dann ist das doch schon
gut genug! Warum soll man denn aus Spenden ein Problem machen? Man kann doch
froh sein, wenn es Menschen gibt, die was geben!
Das
finde ich auch! Und das nicht nur, weil wir als Kirchengemeinde auf Spenden
angewiesen sind. Ohne Spenden könnten wir das Richtsbergmobil nicht fahren
lassen, ohne Spenden gäbe es keine Seniorennachmittage und keine Möglichkeit,
Kindern aus Familien mit wenig Geld Zuschüsse zu Konfirmandenfreizeiten oder
anderen Dingen zu geben, so dass sie mitfahren und mitmachen können. Nur drei
Beispiele. Es gibt doch genug Leute, die einfach zu geizig sind und nur an sich
denken oder die dauernd denken, dass das Geld, das sie geben, vielleicht nicht
richtig verwendet wird. Da kann man sich doch über jede Unterstützung freuen.
Warum macht Jesus dann hier alles so kompliziert, wenn er was von der
Unterstützung für die Armen, die es nötig haben erzählt? Soll ich denn ein
schlechtes Gewissen haben, wenn ich spende? Ist es etwa besser, nichts zu
geben, aus lauter Angst davor, es aus den falschen Gründen zu tun und dann am
Ende sozusagen von Gott noch eine auf den Deckel zu kriegen?
Das,
was Jesus hier in der Bergpredigt sagt, hört sich nicht nur provozierend an, es
ist es auch. Nicht wegen des merkwürdigen Bilds, das er benutzt. „Die linke Hand
soll nicht wissen, was die rechte tut“ – wenn das so ist, ist man tatsächlich
krank. Wenn ich meine Hände nicht koordinieren kann, gibt es Chaos.
Provozierend
ist das, was Jesus hier sagt, weil Jesus, wie eigentlich immer, ganz knallhart
von den Menschen her denkt, die in Not sind. Und weil er wieder einmal deutlich
werden lässt, das der Glauben an ihn als Sohn Gottes Auswirkungen hat – nicht
nur auf die innere Einstellung zu Gott und den Seelenfrieden, sondern auf das
Denken und Handeln.
„Habt
acht auf eure Frömmigkeit“ – so beginnt
die Rede von Jesus in der Übersetzung der Lutherbibel. Das ist nicht falsch.
Aber das Wort, das hier in der griechischen Originalfassung steht, heißt auch
noch: Gerechtigkeit. Frömmigkeit ist eben mehr als
beten, in der Bibel lesen,
Jesus zuhören. Frömmigkeit heißt, Gott die Ehre zu geben. Und das passiert auch
da, wo Menschen andere als von Gott geliebte und gewollte Menschen wahrnehmen
und ihnen so gerecht werden. Wo die Not anderer wahrgenommen wird. Wo Unrecht
wahrgenommen wird. Und wo ich dort, wo es mir möglich ist, einem anderen ermögliche,
sich selbst als geliebtes Kind Gottes zu sehen. Auch dadurch, dass ich konkrete
Not lindere. Und manchmal geschieht das auch durch abgeben, durch Spenden.
Die
Bibel benutzt hier das alte Wort: Almosen geben. Wörtlich übersetzt heißt das
altertümliche Wort Almosen so viel wie „das, was aus Mitleid gegeben wird; das,
was aus Gnade gegeben wird“. Und zwar direkt an den, der in Not ist. Die
modernen Bedenken von Spendern, dass das Geld vielleicht nicht ankommt und in
dunklen Kanälen versickert, die spielt hier keine Rolle, es geht um die direkte
Hilfe. Und die wird hier von Jesus kritisch gesehen. Nicht, weil Menschen
nichts geben sollten. Damals wie heute führt manchmal kein Weg daran vorbei,
Not auch durch Geld zu lindern. Aber mindestens zwei wunde Punkte rührt diese
kurze Rede von Jesus an, weil er eben ganz radikal von den Menschen in Not her
denkt.
Der
erste wunde Punkt: es ist eigentlich ein Skandal, dass Menschen auf Almosen,
auf Geschenke aus Mitleid angewiesen sind. Der frommen Gerechtigkeit, die von
Gott kommt und die vor Gott gilt, würde es eigentlich entsprechen, dass jeder
Mensch in Würde leben kann. Auch der Kranke, auch der Arbeitsunfähige, auch der
mit allen möglichen Einschränkungen. Und zwar dadurch, dass die Gelder und
Lebensmittel und Wohnungen so verteilt werden, dass es keine Gnade ist, jeden
Tag ein Essen zu haben oder die Möglichkeit zu haben, von der eigenen Arbeit
leben zu können, sondern ein Recht. Schon aus diesem Grund hat eigentlich
niemand Grund darauf, stolz zu sein, wenn er Spenden oder, um das alte Wort zu
benutzen, Almosen geben kann. Jesus kritisiert den heuchlerischen Umgang mit
Spenden, mit Almosen. Und diese Kritik greift nicht erst dann, wenn einer laut
ausposaunen lässt, wie gut er ist. Diese Kritik von Jesus, die greift schon
dann, wenn Menschen so tun, als wollten sie Not lindern, aber die Spende oder
diese Art, andere abhängig vom Mitleid oder der Gnade der Reichen zu machen,
dazu beiträgt, dass die Armen immer arm bleiben oder ärmer werden, weil sich an
ungerechten Verhältnissen nichts ändern kann.
Und
da kommt der zweite wunde Punkt ins Spiel, wenn Jesus ganz radikal von den
Menschen in Not her denkt. Jesus kritisiert nicht das Mitleid oder den Versuch,
etwas gegen Not und Ungerechtigkeit zu tun. Jesus kritisiert, dass dabei nicht
die Linderung der Not, sondern der eigene Vorteil im Mittelpunkt steht. Nicht
das Geben an sich ist schlecht, sondern der Versuch, mich als Reichen – oder
als einen, der viele Möglichkeiten hat, Reichtum hat ja nicht nur mit Geld zu
tun – mit Hilfe der Notleidenden als besonders gut hinzustellen. Ich benutze
Menschen, ich benutze Not, um etwas für mich zu erreichen. Nicht der andere
Mensch als Person, als gleichwichtiges und gleichwertiges Geschöpf, das mich
mit meinen Fähigkeiten und Möglichkeiten braucht, steht im Mittelpunkt, sondern
ich mit meiner Sehnsucht nach Ruhm, Anerkennung oder wenigstens Gewissensruhe.
das ist mit dem Wort heuchlerisch gemeint. Ich spiele vor, anderen helfen zu
wollen, aber in Wirklichkeit will ich zuerst was für mich erreichen.
Es
geht nicht darum, jedes Mal zerknirscht nachzufragen, ob ich vielleicht auch
selber profitiere, wenn ich die Not anderer sehe und meinen Teil dazu beitrage,
Not zu lindern. Ich glaube nicht, dass es der Wille Jesu ist, dass wir vor
lauter Nachdenken völlig handlungsunfähig werden. Und ich glaube, dass es erst
recht nicht der Wille Jesu ist, dass wir seine Worte als moralische Waffe gegen
andere benutzen, indem wir Menschen, die spenden oder sich engagieren und das
auch öffentlich machen, gleich schlechte Motive unterstellen und uns für besser
halten. Ebenfalls in der Bergpredigt stehen die Warnung vor schnellem Urteil
und die Aufforderung, zuerst den Balken im eigenen Auge zu sehen, bevor wir den
Splitter im Auge des anderen genüsslich sezieren. Der Frömmigkeit, der
Gerechtigkeit entspricht es vielmehr, sich als Gemeinschaft der Bedürftigen
sehen zu lernen. Auf Gnade angewiesen sind wir alle. Manche in einem
materiellen Sinn, was ein Skandal ist, alle aber in dem Sinn, dass keiner von
uns von sich aus ein Leben ohne Schuld führen kann. Ich glaube, was Jesus hier
deutlich machen will, ist, dass wir uns nicht reduzieren. Nicht auf die Not,
die ein anderer hat, nicht auf die Möglichkeit, mich durch andere zu
profilieren, nicht auf das Ansehen, das ich gewinne oder genieße. Gott die Ehre
zu geben heißt, uns als Gemeinschaft vor Gott sehen zu lernen. Mit Menschen,
die auf unterschiedliche Art und Weise Hilfe brauchen.
Für
mich drückt unser Projekt Auja- bzw. Richtsbergmobil ein wenig und sicher auch
in manchem nicht perfekt aus, worum es geht. Da nehmen ältere Menschen wahr, dass
es Jugendliche gibt, die Unterstützung brauchen. Und dass sie die Unterstützung
auch dadurch geben können, dass sie mithelfen, damit zwei, die die Gabe haben,
gut mit Jugendlichen arbeiten zu können, sich hier engagieren und Arbeit finden
können. Diese Gabe hat eben nicht jeder. Und damit die zwei arbeiten können und
sich was bewegt, braucht es auch Geld. Das wird gespendet. Aber es ist noch
mehr, was da passiert. Und das ist das Entscheidende. Viele der Spender fragen
nach, kommen ins Gespräch mit Jugendlichen. Und drei andere Erwachsene bringen
ganz viel Zeit und Offenheit für Jugendliche ein, wenn es ums Planen und
Durchführen geht. Hier nehmen sich Menschen gegenseitig wahr. Und ich glaube,
dass es genau darum geht. Es geht nicht darum, Geldspenden zu verbieten. Es
geht nicht darum, anderen zu verbieten, über ihr Engagement zu reden, wenn
dadurch Aufmerksamkeit für Menschen in Notlagen erzeugt wird und andere zum
Mithelfen und Mitarbeiten motiviert werden und eben nicht die eigene
Berühmtheit oder das eigene ansehen gesteigert werden sollen. Ich glaube nicht,
dass Jesus verbieten will, andere auf Menschen in Not aufmerksam zu machen. Ich
glaube nur, dass fromme Gerechtigkeit dort entstehen kann, wo Menschen Gott die
Ehre geben und sich als das sehen, was sie sind: eine Gemeinschaft der Kinder
Gottes. Mit unterschiedlichen Geben und Möglichkeiten, mit unterschiedlichen
Nöten und Bedürfnissen. Mit der Fähigkeit, auch vor Gott füreinander einzustehen.
Junge und Alte. Kranke und Gesunde. Menschen verschiedener Herkunft.
Amen.
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