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Freitag, 12. Juli 2013

Zu wenig wird mehr als genug - 7. n. Tr., 14.07.2013, Reihe V



Liebe Gemeinde!
Wir setzen uns jetzt mal alle zusammen und jeder holt raus, was er hat und dann legen wir alles zusammen und teilen alles und dann hat nicht nur jeder von uns genug zum Leben, sondern wenn das alle machen, wird die ganze Welt erleben, wie viel Überfluss da ist und alle werden genug zum Leben haben.
Klar, die Wundergeschichte, die ich eben vorgelesen habe, die erzählt davon, dass ganz konkrete materielle Bedürfnisse von Menschen gestillt werden. Auch wenn in der Bibel der Satz zu finden ist: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes ausgeht“, ist es ein ganz wesentlicher Teil des Willens Gottes, der sich in den Worten von Jesus und den Worten der Propheten, Psalmen und Gesetze des Alten Testaments ausdrückt, das Menschen auch materielle Gerechtigkeit brauchen und die Sicherung grundlegender materieller Bedürfnisse wie Essen, Trinken, sichere Wohnung ein Grundrecht des Menschen ist. Klar, Jesus kümmert sich nicht nur um das seelische, sondern auch um das leibliche wohl der Menschen. Und klar, „Geben ist seliger als Nehmen“, auch das steht in der Bibel. Das alles ist richtig. Aber ich finde es trotzdem schade, wenn man die Wundergeschichte, die Lukas in seinem Evangelium, seiner frohen Botschaft für die Welt, weitererzählt, kleiner macht, als sie wirklich ist, weil man sie entweder zu sehr durch die Brille der Vernunft allein betrachtet oder zu sehr das wortwörtliche Wunder als alleinigen Maßstab dafür nimmt, wie man die Geschichte verstehen kann.
Da ist einmal die Vernunftbrille. Die lässt einen sehen: 5 Brote, 2 Fische, 5000 Leute, alles essen, 12 Körbe bleiben übrig – kann nicht funktionieren. Andererseits: die Bibel lügt ja nicht. Also versuchen manche zu erklären: natürlich hatten die Leute was dabei, aber keiner wollte es rausholen und teilen. Als die Leute das Beispiel der Jünger gesehen haben und sich in kleinen Gruppen zusammensetzten und Jesus dankte, da gingen ihnen die Herzen auf und sie teilten und es war mehr als genug. Jesus öffnet die Herzen, das ist das Wunder, Menschen teilen – und da, wo Menschen teilen, ist genug da. Vernünftig, möglich – aber in der Geschichte steckt viel mehr.
Da ist aber noch die andere Brille, die alles wortwörtlich nimmt. Jemand mit der Brille würde vielleicht sagen: Jesus hat das wirklich vermehrt, der Mensch muss sich um nichts kümmern, Jesus verwandelt die Welt in eine Art Schlaraffenland für die, die bei ihm sind. Die müssen sich, solange sie auf sein Wort hören, um nichts weiter kümmern. Aber die Geschichte ist keine Schlaraffenlandgeschichte. Nirgends in der Bibel ist davon die Rede, das Gott die Menschen aus der Verantwortung für das Leben entlässt.
Jesus ist viel mehr als einer, der Menschen dazu bringt, ihre Vernunft zu gebrauchen und viel, viel mehr als ein Wundertäter für manche Auserwählten. Die Geschichte, so, wie Lukas sie uns weitererzählt, erzählt noch viel mehr und kann noch viel mehr bedeuten.
Da ist einmal der Anfang der Geschichte. Ganz wichtig: das alles war so nicht geplant.

Freitag, 5. Juli 2013

Mein Leben gehört mir!? - Freiheit ist das Einzige, was fehlt... - 6. n. Trinitatis, Reihe V, 07.07.2013

Text: Jesaja 43,1-7
Liebe Gemeinde!
Mein Leben gehört mir! Zumindest in den Ferien oder im Urlaub! Kein Zwang mehr, zu einer bestimmten Zeit aufstehen zu müssen, sich auf etwas vorbereiten zu müssen, Aufgaben abarbeiten zu müssen, sich morgens immer zu rasieren oder was man sonst als manchmal lästige Pflicht empfindet. Mein Leben gehört mir! Endlich kann ich sein wie ich will! Mein Leben gehört mir – ein gern ausgesprochener und erst gemeinter Satz, wenn Eltern gerade älteren Jugendlichen oder gerade erwachsen gewordenen Kindern versuchen, Ratschläge mitzugeben und Richtungen aufzuzeigen, die denen, für die diese Ratschläge gedacht sind, nicht so ganz passen. Mein Leben gehört mir! Ein Satz, den ich auch von Erwachsenen immer wieder mal höre, wenn es um die Frage des Lebensendes geht. Mein Leben gehört mir – ich will darüber bestimmen, wann es Zeit ist, dass dieses Leben zu Ende geht, bevor Ärzte das Kommando übernehmen oder Schmerzen übermächtig werden. Mein Leben gehört mir! Ein Satz, den ich oft höre, wenn Erwachsene in der Mitte ihres Lebens zum Teil langjährige Beziehungen oder Ehen beenden. Mein Leben gehört mir – aber die Ferien oder der Urlaub gehen zu Ende, und dann? Mein Leben gehört mir – und dann sind da auch in den Ferien, auch im Urlaub, die Verwandten und Freunde, die man ja schon lange mal besuchen wollte, die Renovierungsaktion, die man sich vorgenommen hatte, der Garten,  der dringend auf Vordermann gebracht werden muss, der Schreibtisch, der nach Aufräumen schriet, die vielen schönen Dinge, die alle unternommen werden müssen, damit sich der Urlaub, die Ferien wirklich lohnen – und am Ende bleibt das Gefühl, dass man längst nicht alles geschafft hat. Mein Leben gehört mir – ich kann bestimmen, wann es zu Ende ist. Aber: hast du den Anfang bestimmt? Hast du es dir verdient oder gekauft? Was ist mit den Leuten, die eine Beziehung zu dir haben? Genau, mein Leben gehört mir – und was ist mit dem Menschen, der dir bis vor kurzem gut genug war, deine Launen zu ertragen, die Kinder durchzubringen, für dich was zu tun?
„Freiheit ist das einzige, was zählt – Freiheit ist das einzige, was fehlt“ – so endet ein Lied von Marius Müller-Westernhagen, das vor gut zwanzig Jahren überall in Deutschland rauf und runter gesungen wurde. Aber ist es wirklich Freiheit, einfach so zu sagen: „mein Leben gehört mir“? Bleibe ich da nicht gefangen in meinen Bildern, in meinen Wünschen, in meinen Vorstellungen, in mir selber? Wird das nicht unglaublich eng und am Ende unfrei, wenn ich nur mich und mein Leben sehe?
Mein Leben gehört mir? Oder wem? In dem Predigttext heute aus dem Buch Jesaja haben wir etwas von Gott gehört, das für mich zu dem Schönsten gehört, das in der Bibel steht: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“ Mein Leben gehört mir? Dein Leben gehört mir, sagt Gott. Manchem stellen sich vielleicht die Nackenhaare hoch. Das ist doch das Gegenteil