Text: Joh 8,31-36
Liebe Konfis, liebe Gemeinde!
Wer ist eigentlich wirklich frei? Der, der sich an keine Re-geln halten muss? Der, der dienstags nicht mehr in Konfer und sonntags nicht mehr in die Kirche muss? Der, der so stark ist, dass er sich nehmen kann, was er gerade will? Ich glaube schon, dass viele Menschen, nicht nur Jugendliche, Freiheit genau so verstehen. Frei bin ich, wenn ich mich an keine Regeln halten muss, wenn ich machen kann, was mir Spaß macht und ich mich vor niemanden für irgendwas rechtfertigen muss. Ich kann es verstehen, wenn man als Jugendlicher so oder so ähnlich denkt. Schließlich kriegt man ja überall Einschränkungen mit. Offiziell darf man erst mit 18 Alkohol trinken oder rauchen, viele Filme darf man offiziell erst ab 18 sehen, für Führerschein und viele andere Sachen gibt es Altersgrenzen. Und es gibt eine Schulpflicht. Ich kann verstehen, dass viele sagen: frei bin ich dann, wenn ich mich an keine Regeln halten muss. Ja, ich glaube auch: Nur der ist frei, der sich an keine Regeln halten muss! Punkt! Ich glaube sogar, dass Jesus so gedacht hat, als er das von der Wahrheit gesagt hat, die die an ihn glauben, erkennen können und die frei macht. Frei ist der, der sich an keine Regeln halten muss. Das ist die Wahrheit. Die Wahrheit ist aber noch größer. Wirklich frei ist nämlich nur der, der sich an Regeln halten will. Nicht muss. Frei bin ich dann, wenn ich mich nicht beherrschen lasse. Weder von meinen Gefühlen und Lüsten, die ich gerade im Moment habe. Sondern wenn ich mir Zeit nehme, auch mal drüber nachzudenken, ob es wirklich gut ist, was ich gerade vorhabe und vielleicht mal nicht meiner Lust, sondern meinem Verstand folge. Frei werde ich nicht, wenn sich mein ganzes Denken und Handeln immer nur um das dreht, was ich gerade will. Dann werde ich blind. Ich sehe nur mich. Selbst die Freunde oder die anderen, die mit mir rumhängen oder bei mir sind, sehe ich nur in dem Ausschnitt, in dem sie für mich nützlich sind. Genau das ist es, was der alte Begriff Sünde eigentlich meint. Das ist nicht in erster Linie die einzelne falsche Tat, der geklaute Lippenstift, das Abschreiben, die eingetretene Scheibe oder was anderes. Sondern die Grundhaltung: nur ich selbst zähle. „Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen!“ Wer seinen Weg mit Gott geht, der kann sehen, dass das Leben viel mehr und viel bunter ist. Der muss nicht immer um seinen Vorteil kämpfen, weil er bei Gott schon längst im Vorteil ist. Die Wahrheit ist, dass wir nicht allein sind und dass nicht alles von mir abhängt. Das macht frei, weil ich eben auch mal schwach sein darf und auch mal nach rechts und links, oben und unten, vorne und hinten gucken kann und nicht nur auf meinen Bauchnabel. Wenn ich das sehen kann, werde ich auch erkennen, dass ich so frei sein darf, Regeln einzuhalten. Nicht aus Zwang, sondern weil sie schützen. Schwächere vor mir. Und manchmal auch mich selbst vor manchen Kurzsichtigkeiten. Ich habe euch versprochen, heute nicht zu lang zu predigen, deshalb mache ich auch Schluss. Erkennt die Wahrheit, werdet frei – und wenn ihr schon frei seid – lasst euch nicht wieder gefangen nehmen.
Amen
Predigten und Gedanken aus der Thomaskirche auf dem Richtsberg in Marburg
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