Predigten und Gedanken aus der Thomaskirche auf dem Richtsberg in Marburg
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Donnerstag, 22. April 2010
Fast perfekt - Konfirmationen 2010, 18. und 25.04.2010
Text: Ps 8,5+6
Was ist der Mensch, dass du, Gott, an ihn denkst? Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herr-lichkeit hast du ihn gekrönt!
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern, Paten, Großeltern, Verwandte und Freunde, liebe Gemeinde!
Spiegel halten lassen, reinschauen, zurechtmachen
Jetzt geht’s wieder. Endlich. Was einem da manchmal so aus dem Spiegel entgegenschaut, das ist schon merkwürdig. Ich weiß nicht, wie es euch und ihnen heute Morgen ging. Seid ihr zufrieden gewesen? Gerade dann, wenn es drauf ankommt, ist man oft besonders kritisch mit sich selbst. Da fallen einem Sachen auf, die man sonst leicht übersieht. Aber man kann ja was dagegen machen. Brauchtet ihr Hilfsmittel, um zufrieden in den Spiegel schauen zu können oder nicht? Egal wie, es hat es sich gelohnt, wenn ich euch jetzt so ansehe. Aber ist das immer so? Wer schaut euch im Spiegel normalerweise an? Ein toller Mensch, strahlend schön, richtig gut, innerlich und äußerlich? Oder ein Wesen, mit dem ihr unzufrieden gewesen seid, manchmal ganz fremd, obwohl das Gesicht einem doch irgendwie bekannt vor-kommt? Ist auch egal, denn ich glaube, wenn er oder sie ehrlich ist, kennt jeder von uns, egal ob jugendlich oder erwachsen, beide Gefühle beim Blick in den Spiegel. Die Momente, in denen ich ganz zufrieden mit mir bin und die, in denen ich mich selbst gar nicht anschauen mag und denke, mit mir will ja keiner was zu tun haben, ich bin irgendwie nichts wirklich wert. Was uns da entgegen-schaut, ist das Bild eines Menschen. Davon gibt es ziem-lich viele auf der Welt, im Moment knapp 7 Milliarden. Da kann man, wenn man drüber nachdenkt, schon leicht das Gefühl kriegen: bei der Masse kommt es auf mich nicht wirklich an. Was ist denn an mir schon so beson-ders, dass ich wirklich wichtig bin? Wenn man weiter drüber nachdenkt, fallen einem ziemlich viele Sachen ein, die Menschen machen – auch ich – und die nicht gerade toll sind. Menschen können lügen, können sich gegenseitig das Leben schwer machen, können lästern, betrügen, neidisch und eifersüchtig sein und noch viel mehr. Seid ihr ja alles nicht, macht ihr ja alles nicht, ich weiß, oder?
Also, wer schaut mich an, wenn ich in den Spiegel schaue? Ein toller Kerl, ein tolles Mädchen, eine tolle Frau – oder jemand, von dem andere sagen: der taugt nichts, die ist dumm, die ist zu frech, der ist zu klein? Ein Mensch schaut mich an. Ein Mensch, der was kann und dem was zugetraut wird. Was ist der Mensch, dass du, Gott, an ihn denkst? Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt! Ein Mensch schaut mich an, der von Gott gewollt ist, an den Gott denkt, den Gott mit Ehre und Herrlichkeit aus-gestattet hat. Das hört sich ziemlich geschwollen an und im Alltag fällt es uns oft schwer, diese Ehre und Herr-lichkeit zu sehen. Bei uns selbst und bei anderen. Wir Menschen neigen dummerweise dazu, uns selbst nicht damit zufrieden zu geben, dass wir alle auf einer Stufe sozusagen knapp unter Gott stehen, sondern wir bauen immer noch mehr Stufen ein. Da gibt’s welche, die sind in unseren Augen ganz viel wert, weil sie so sind, wie wir es gut und richtig finden. Das ist ganz unterschiedlich, was das alles sein kann. Für die einen gehört dazu, mög-lichst cool und stark zu sein, bloß nicht zum Opfer zu werden. Für die anderen gehört dazu, möglichst schön zu sein und reich zu sein, möglichst bis 70 total jung auszusehen. Für wieder andere gehört dazu, möglichst klug zu sein und viel zu wissen. Für wieder andere, sich möglichst stark irgendwo zu engagieren. Von diesen verschiedenen Stufen und Einteilungen des Menschseins steht aber überhaupt nichts in der Bibel. Nicht nur mich und die, die so sind wie ich oder die ich bewundere, hat Gott mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt. Sondern den Menschen überhaupt. Manchmal ist das ziemlich schwer zu verstehen. Manchmal im Bezug auf mich selbst, weil ich mich nicht so gut leiden kann, manchmal, vielleicht sogar öfter, aber auch im Bezug auf andere, die ich nicht mag und von denen ich denke, die sind schlechter als ich. Vielleicht, ich wünsche es mir und euch und ich bete dafür, ist Konfer so ein guter Baustein und Mutmacher auf dem Weg, auch in dem Menschen, der ganz anders ist als ich und als ich es gut finde, den zu sehen, der er vor Gott und für Gott ist. Ein Mensch, der geliebt wird und der fähig ist zu lieben. Das sind für mich die Ehre und die Herrlichkeit, die der Mensch hat. Die Fähigkeit, trotz allem, was schief gehen kann, zu lieben und die Liebe von anderen anzunehmen. Die Fähigkeit, nicht nur Dinge zu machen, die mich selbst voranbringen, sondern mit anderen und für andere etwas zu machen. Auch, wenn es mir selbst keinen unmittelbaren Nutzen bringt. Wie gesagt, wenn es gut gelaufen ist, ist Konfer vielleicht so ein kleiner Baustein auf dem Weg, das für sich wirklich hören und im Leben umsetzen zu können. In Konfer mussten wir es miteinander aushalten. Nicht immer einfach, weil eben viele ganz unterschiedliche Lebensent-würfe aufeinanderprallen. Und auch viele Arten mit Kirche, Glauben und Gott umzugehen. Ich weiß nicht, was ihr mitnehmt aus diesem Jahr. Wenn es gut läuft, das Gefühl, Mensch sein zu dürfen und auch in schwierigen Situationen nicht gleich weggeschickt zu werden oder es wert zu sein, dass man sich auch mit euch beschäftigt, wenn ihr ganz anders seid, als viele es wol-len. Wenn es richtig gut gelaufen ist, vielleicht auch den ein oder anderen Ansatz, das auch mal bei anderen zu probieren. Menschen, die anders sind, nicht niederzuma-chen oder zu denken, die sind nichts wert, sondern es mit ihnen immer wieder zu versuchen. So, wie Gott es mit jedem von uns immer wieder versucht. Ich wünsche euch, dass Konfer keine Endstation ist, sondern ein Anfang, aus der Ehre und der Herrlichkeit, die ihr habt, was zu machen und anderen dabei zu helfen, in ihrem Leben das auch entdecken zu können. Das ist nicht der leichteste Weg im Leben. Weil er sich nicht mit dem zufrieden gibt, was da ist, sondern auf das hofft und sich an dem orien-tiert, was möglich ist. Es ist immer bequemer, einfach so das zu machen, was ich sowieso gerade mache und nichts Neues oder anderes zu probieren. Ihr seid Menschen – probiert doch einfach mal aus, anderen zu helfen, ihre Menschlichkeit zu entdecken. Dabei wird es Rückschläge geben. Das ist manchmal leichter gesagt als getan, mir fehlt oft die Kraft dazu. Da ist es gut, zu wissen: Ich bin nicht allein. Gott will mir Kraft geben, es trotzdem immer wieder mit diesem Weg zu versuchen.
Ich glaube, dass das auch für Eltern gut tun kann, die entdecken, dass ihr Kind, je erwachsener es wird, desto mehr eigene Wege geht, mit denen man sich als Mutter oder Vater auch mal schwer tut. Das, was der Psalm sagt, das ist es, was Gott auch von meinem Kind denkt – und von mir. Auch wenn mein Kind im Moment Schwierigkeiten hat. Auch wenn ich mit meiner Kraft am Ende bin. Das gilt auch für Großeltern, Lehrerinnen und Lehrer, Vikarin, sogar für mich als Pfarrer. Wir brauchen diese Erinnerung, um nicht durchzudrehen, um nicht an Schwierigkeiten, am Zweifel an uns selbst oder an anderen Menschen kaputt zu gehen. Gott denkt nicht an uns, weil wir alles perfekt machen und für alles sorgen müssen, sondern weil wir als Menschen es wert sind. Einfach so. Weil wir lieben können. Auch wenn wir es manchmal mühsam lernen müssen. Konfer als Station auf dem Weg, in sich selbst und im anderen echte Men-schen sehen können – ich wünsche euch, ihnen, mir, uns allen, dass das so sein möge. Dass die Zukunft für euch, für uns eine Zukunft ist, in der die Liebe, die Gott in unser Leben gelegt hat und die wir weiterschenken kön-nen, wirklich kräftig wird. Wenn ich eure Konfirmations-sprüche sehe, dann habe ich da wirklich gute Hoffnung, denn sie erzählen alle von einer solchen Zukunft, in der es sich zu leben lohnt. Ich wünsche euch, dass sie euch zu guten Wegweisern werden. Und ich wünsche uns, dass wir alle gern in den Spiegel schauen, egal wie viele Falten, graue Haare, Pickel oder sonstige Schwachstellen entdecken, weil uns da immer wieder jemand entgegenlächelt, der Mensch ist – von Gott geliebt und gewollt. Amen
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