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Samstag, 16. Februar 2013

Da sitzt er in der Ecke und weint, der Versager - Invokavit, 20.02.13, Reihe V

Text: Lukas 22,31-34
Liebe Gemeinde!
Da sitzt er in der Ecke, der Mann. Ganz hinten, da, wo es richtig dunkel ist. Ganz allein. Hofft er wenigstens. Es soll ja nicht jeder sehen, wie er weint. Männer weinen nicht! Vor allem er nicht. Er ist es doch, der der Größte war. Er war näher dran als die anderen. Er fühlte sich stark. Ja, er war sogar bereit, zu sterben. Für die Wahrheit. Er war ein Mann, der es drauf hatte. Zu dem die anderen aufsahen. Mit viel Respekt. Die allermeisten jedenfalls. Und ein paar vielleicht auch mit ein wenig Neid. Aber: muss man sich nicht Neid erarbeiten? Auf jeden Fall fühlte es sich gut an, so nah dran zu sein. Am Zentrum. Und jetzt sitzt er in der Ecke. Und weint. Und denkt nach. „Ich bin’s eigentlich nicht mehr wert, weiterzuleben!“ Nicht zum ersten Mal in dieser Nacht geht ihm dieser Gedanke durch den Kopf. „Vielleicht wäre es besser, ich würde mir einen Strick nehmen. Wie der andere, der Verräter. Ich bin auch nicht besser.“ So denkt er. „Ich hatte so eine große Klappe. Und als es drauf ankam, da habe ich genkniffen. Aus Angst. Ich Feigling.“ So denkt er, wieder und wieder. Die anderen werden jeden Respekt vor ihm verloren haben. Und die, die sowieso schon ein bisschen neidisch waren, die werden ihn das spüren lassen. Das Versagen. Du Möchtegern. Du Besserwisser. Er hört schon ihre hämischen Kommentare in seinen Gedanken. Kann er überhaupt zurückgehen, bei ihnen bleiben? Sie waren doch seine Heimat. Er weint. Immer noch. Immer wieder. „Wäre es nicht doch besser, alles hinzuwerfen?“ So denkt er, wieder und wieder. Er ekelt sich vor sich selber. Schwächling. Feigling. Verräter. Immer schneller dreht sich alles in seinem Kopf um diese Worte. Und dann kommen ihm andere Worte in den Sinn. Seine Worte. wie war das nochmal? Hat er es nicht vorhergesehen? Was hat er nochmal gesagt? Immer deutlich sind sie in seinem Kopf. die Worte. Seine Worte:
Lesen: Lk 22,31-34
Ja, Petrus war nicht der starke Glaubensheld, für den er sich selbst gehalten hatte. Ja, Petrus hat in einem ganz wichtigen Moment versagt. „Jesus? Den kenne ich nicht, mit dem hatte ich noch nie was zu tun“ – aus Angst um sein eigenes Leben verrät er die Freundschaft mit Jesus, verrät er seinen eigenen Glauben. Ob Petrus sich so geschämt hat, dass er an Selbstmord dachte, das weiß ich natürlich nicht. Aber es ist nicht leicht, die Wahrheit über sich auszuhalten, wenn sie so hart zeigt: „Du bist ganz anders, als du es dachtest. Nicht so toll, wie du dachtest, nicht so stark. Sondern eigentlich en Schwächling und Feigling, der mit dem Mund schneller ist als mit dem Herzen.“ Faszinierend finde, wie Lukas davon erzählt, dass Jesus mit diesem Versagen nicht nur irgendwie rechnet, sondern wie er mit diesem Freundschaftsverrat umgeht. Jesus hätte ja auch sagen können: „Du wirst versagen, unsere Freundschaft verraten. Deshalb stell du dich schön hinten an und wenn es dann weitergeht mit dem glauben, dann darfst du zwar dabei sein, aber ganz hinten bitte schön. Da musst du dann erstmal beweisen, dass du dazugehörst, obwohl ich mich nicht auf dich verlassen kann.“ Wäre normal gewesen, so zu reagieren. Macht Jesus aber nicht. Er sagt, ich gebe das jetzt mal mit meinen Worten wieder: „Wenn du da durch bist,

Freitag, 8. Februar 2013

Macht Liebe blind? - Estomihi, 10.02.13, Reihe VI


Liebe Gemeinde!
„Frau Schlüter, Yannick benimmt sich im Unterricht ganz seltsam. manchmal ist er wie wegtreten, manchmal schwätzt er unkontrolliert dazwischen. Die schriftlichen Leistungen sind total abgesackt. Haben sie bemerkt, dass er Drogen nimmt?“ Frau Schlüter will nicht glauben, was ihr da im Elterngespräch vorgehalten wird. „Das kann nicht sein, Yannick doch nicht! Die Oma, an der er sehr gehangen hat, ist vor einem Vierteljahr gestorben. Und vor ein paar Wochen hat seine erste Freundin mit ihm Schluss gemacht. Das gibt sich wieder!“ Erst als in einer Freitagnacht das Krankenhaus anrief und die Mischung aus Alkohol, Kiffen und Tabletten doch zu viel war, hat sie langsam gesehen was los war.
„Ist zwischen dir und Bernd alles in Ordnung? Du wirkst so unglücklich und in der Firma erzählt man sich schon lange, das Bernd was mit der Sekretärin vom Müller haben soll!“ Martina macht sich viele Sorgen um die ehe ihrer Freundin. Aber die sagt nur: „Ach, wir haben nur ein bisschen Stress. Jessica hat’s in der Schule schwer, Mutter wird langsam dement, und das färbt ein bisschen ab. Aber Bernd und eine andere? Nein. Dazu leiben wir uns zu sehr.“  Erst als sie nach Hause kommt und tatsächlich Herrn Müllers Sekretärin im Bett liegt, muss sie die Wahrheit sehen.
„Ach, Kind, es geht mit mir zu Ende! Ich habe keinen Appetit mehr, ich will endlich wieder bei deinem Vater sein. Alles tut so weh! Seit Monaten komm ich nicht mehr aus dem Bett raus. Mit meinen 82 Jahren will ich endlich sterben.“ „Ach Mutter, das sagst du immer. Du wirst noch hundert!“ Und schon ist Frau Meier aus dem Schlafzimmer der Mutter raus, nachdem sie sie gefüttert hat. Ja, sie ist krank, die Mutter. Aber übers Sterben reden. Nein, das soll nicht sein. Das hat noch Zeit.
Manchmal werden gerade dann, wenn es um einen ganz wichtigen, geliebten Menschen geht, die Augen zugemacht. Unangenehme Wahrheiten werden verdrängt. Was nicht sein soll, das darf auch nicht sein. Krankheit, Tod, Drogen, Negatives überhaupt, nein, das alles soll das schöne Bild der Liebe, der guten Welt nicht stören.
Sicher ist das, was hier im Lukasevangelium von den Jüngern von Jesus erzählt wird, etwas anders. Aber sie verstehen auch nicht, dass Jesus von seinem bevorstehenden Tod und der Auferstehung erzählt. Tod und Leid – kann das denn sein bei dem Menschen, der ihr Leben so sehr geprägt hat? Darf das denn sein, bei dem Menschen, der ihnen so viel Gutes über Gott und ihr Leben gesagt hat, dem sie so sehr vertrauen? Nein, das kann, darf, soll nicht sein! Es wird doch so weitergehen – mit den guten Worten und Taten, mit den Heilungen und der Gemeinschaft, oder?
Manchmal wird die Geschichte von den Jüngern, die die Ohren und Augen vor der Leidenserzählung von Jesus zu machen und dem Blinden, der trotz seiner Blindheit in Jesus den verheißenen Messias sieht und der wegen seines Vertrauens wunderbar geheilt und sehend wird, so erzählt, als wären die Jünger die Bösen oder zumindest die Deppen. Hier sind die, die es eigentlich wissen müssten, die schon lange mit Jesus unterwegs sind, die glauben, ihn zu kennen – und die kriegen das Entscheidende nicht mit. Und dort ist der gute Behinderte,

Mittwoch, 6. Februar 2013

Wo laufen wir denn? - Mit Gott unterwegs, Gebetswoche zur Einheit der Christen

Predigt gehalten im ökumenischen ACK-Gottesdienst in Marburg, St. Peter und Paul
Micha 6,6-8 und Lukas 24,13-35

Predigt Mi 6,6-8 / Lk 24,13-35
Liebe Gemeinde!
Wo laufen sie denn? Ja, wo laufen sie denn? Wo laufen wir denn? Ja, wo laufen wir denn? Beim Nachdenken über Kirche und Gemeinde, über Christsein und Ökumene kommen mir manchmal die beiden Herren an einer Pferderennbahn in den Sinn, die Loriot vor vielen Jahren bildlich zum Leben erweckt hat. Vor lauter Missverständnissen, Unkenntnis, Ignoranz, gepaart mit einem Schuss Besserwisserei, wird das Wesentliche verpasst und am Ende bleiben beide frustriert zurück, während sich das Publikum lachend an dem scheiternden Dialog ergötzt. Wo laufen wir denn? Immer im Kreis herum, wie auf einer Rennbahn, mit dem Ziel, am Ende den Großen Preis gegen die Konkurrenz zu gewinnen? Und wer wäre die Konkurrenz? Andere Religionen und Weltanschauungen oder doch die Brüder und Schwestern in anderen Kirchen und Gemeinschaften? Oder sind wir eher die beiden gesetzten Herren, deren Dialog völlig scheitert und die dadurch Wesentliches verpassen? Lacht dann wenigstens noch ein Publikum von draußen über uns oder hat sich dieses Publikum schon längst von uns verabschiedet, so wie Loriot und sein Humor heute für die unter 35-jährigen, vielleicht auch unter 40- oder 45-jährigen doch auch recht altbacken wirkt?
Die Fragen, ob wir laufen, wo wir laufen, wohin wir unterwegs sind und was dabei geschieht, sind für mich keine nebensächlichen Fragen. Eine Grundwahrheit des Glaubens, der uns verbindet, und zwar nicht nur Christen verschiedener Konfessionen, Kirchen, Gemeinden und Gemeinschaften, sondern auch Christen und Juden, eine Grundwahrheit dieses Glauben ist es, dass er in Bewegung bringt. Glauben an den EINEN Gott bewegt. Als Lesung aus dem ersten Testament haben wir Verse aus dem Buch Micha gehört, die weltweit das Motto der diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christen bilden. Wie so oft ist diese biblische Lesung etwas beschnitten. Die Stoßrichtung des Prophetenwortes ist es nicht, den Menschen die Freude an schönen Glaubensfesten und gut gestalteten Ritualen nehmen zu wollen. Unmittelbar vor der Kritik erinnert der Prophet an die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei, an den Weg, den Gottes Volk in die Freiheit gegangen ist und daran, dass diese Freiheit immer gefährdet war und sie, mit Gottes Hilfe, immer wieder gesucht und erkämpft werden musste. Gott bringt in Bewegung – und deshalb kann eine rituelle Erstarrung nicht