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Sonntag, 21. November 2010

Alles neu! - Ewigkeitssonntag, 21.11.10, Reihe II

Text: Offenbarung 21,1-7
Liebe Gemeinde!


Alles wird neu, anders, besser. Diesmal nutze ich die Chance. Ich lerne mehr in der Schule, verspricht Niki. Ich häng nicht mehr mit den Leuten rum, die mich runterziehen. Ich will nicht mehr so viel Ärger haben und nicht mehr so viel Ärger machen. Ich mache was aus meinem Leben. Alles wird neu, anders, besser. Ich trink nicht mehr, verspricht der Mann. Ich trinke nicht mehr, ich kümmere mich um Arbeit. Und ihr müsst keine Angst mehr haben, dass ich um mich schlage, wenn ich voll bin. Alles wird neu, anders, besser. Ich betrüge dich nicht mehr, ich gehe nicht mehr fremd. Ich stehe zu dir, zu unserer Familie. Gib uns noch eine Chance. Alles wird neu, anders, besser. Yes, we can. Ja, gemeinsam schaffen wir es, unser Land, die Welt besser, sicherer zu machen. Ich zeige euch den Weg. Alles wird neu, anders, besser. Ich will jetzt wirklich ernst¬haft an Gott glauben, ganz auf Jesus vertrauen. Ich will nicht mehr wie früher gleichgültig sein oder über Leute, die an Gott glauben, lächeln. Alles wird neu, anders, besser. Und wie lange? Was ist, wenn die Freunde nur noch „Streber“ sagen, einen schneiden, von tollen Wochenenden erzählen, an de¬nen Niki selbst nur gelernt hat? Was ist, wenn statt der er¬hofften Arbeit nur Absagen kommen, wenn Meinungsverschiedenheiten da sind und das Gefühl, dass alles zu viel wird? Was ist, wenn einem die Kumpels abends in der Kneipe sagen, dass die Evi gut im Bett ist und nur auf ihn wartet, er kann das doch? Was ist, wenn die politische Wirklichkeit kommt und Wahlkampfversprechen mühsamen Kompromissen wei-chen? Wie ist das, wenn eine schwere Krankheit und der quälende Tod eines geliebten Menschen dann doch Zweifel an dem gütigen Gott aufkommen lassen? Alles wird neu, besser, anders – tatsächlich für immer oder nur bis zur ersten, zweiten oder spätestens dritten Schwierig-keit?

Menschen zweifeln, wenn ihnen versprochen wird, dass alles neu, anders, besser wird. Weil sie bei anderen und bei sich selbst aus eigener Erfahrung merken, dass die Kraft zu wirklicher Veränderung oft nicht lang anhält und dann alles weiter geht wie gewohnt – manchmal eben wirklich alles andere als gut. Menschen zweifeln. Aus Enttäuschung. Über sich selbst, über andere. Und weil wir Menschen die Erfahrung machen, dass Veränderungen manchmal sehr weh tun. Gerade heute. Alles wird anders – 29 Namen werden gleich vorgelesen. 29 Namen von 29 Menschen, die in unserer Gemeinde seit dem letzten Ewigkeitssonntag gestorben sind. 29 Menschen, die fehlen. 29 Leben von Kindern, Ehemännern und Ehefrauen, Geschwistern, Verwandten, Freunden, die sich geändert haben. Was soll das Gerede von einem neuen Himmel, einer neuen Erde, wenn ein wichtiger Teil des eigenen Lebens unter diesem Himmel und auf dieser Erde fehlt? Wieder so eine Vertröstung, „alles wird gut“, wo doch nichts gut ist? Wieder so ein Warten, das kein Ende nehmen will? Nein, vertrösten und von harter Wirklichkeit ablenken wollen diese Worte aus der Bibel nicht. Sie wollen helfen, über eine harte und traurige Welt hinauszusehen und Gott mehr zuzutrauen, als Menschen je zu tun in der Lage wären. Der Seher Johannes, eine Art Prophet, schreibt vor diesem Bild von einer schönen, neuen Welt in ganz viel düsteren Bildern, die den neuen Harry Potter und alle düsteren Filme, die je im Kino gelaufen sind, weit in den Schatten stellen, von der Wirklichkeit der Christen seiner Zeit. Von Verfolgung und Bedrohung. Von Lebensgefahr. Von der Schwäche, aus Angst Gott und sich selbst zu verraten. Von der Gleichgültigkeit. Und er schreibt von dem Leid, das durch Hass, Rache, Gleichgültigkeit und aus der Erfahrung, dass wir Menschen unser Leben ganz und gar nicht im Griff haben, entsteht. Er schreibt davon in Bil-dern, die schwer zu verstehen sind. Er redet nichts schön. Er macht den Menschen nicht vor, dass sie nur ganz fest glauben müssten und schon bliebe ihnen das alles erspart. Im Gegenteil. Oft scheint es ja denen, die nicht auf Gott vertrauen, die zynisch leben, die sich am Leid und der Angst anderer freuen, besser zu gehen. Denen, die skrupellos andere ausnutzen, damit sie im Vorteil sind. Denen, die sagen, es ist doch nicht schlimm, wenn ein Mensch stirbt, eine Ansammlung von Molekülen weniger in dieser Welt, mehr nicht. Denen, die vor Krieg, Vergewaltigung, Menschenhandel und Mord nicht zurückschrecken, um Gewinn zu machen. Denen, die mit dem Tod Geschäft machen und aufgeschnittene Körper ausstellen, die den Menschen als eine Art Maschine sehen. Nein, schonungslos wird die Wirklich-keit erzählt. Zu der Leid und Trauer gehören. Leid, Trauer, Zweifel, auch einem, der noch so fest und vertrauensvoll glauben kann, bleibt das nicht erspart. Im Vertrauen auf die neue Wirklichkeit, die Gott in Jesus hat anbrechen lassen, schreibt Johannes aber auch von dieser neuen Welt. Johannes erzählt davon, dass Gottes Ziel für das Leben nicht ist, dass wir im Sumpf der Hoffnungslosigkeit und Ausweglosigkeit, der Trauer und des Verlustes steckenbleiben oder uns nur an ein irgendwie schöneres Gestern klammern könnten, weil alles, was kommt, nur schlechter als die Vergangenheit sein könnte. Nein, es gibt eine Zukunft. Eine Zukunft, von der nur in Bildern erzählt werden kann. Eine Zukunft, die ans Licht bringen wird, was wirklich stark ist. Es gibt eine Zukunft, die die Hoffnung auf eine gute, gerechte Welt, auf einen Sieg des Lebens rechtfertigt. Gott wird mitten unter den Menschen wohnen: siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er selbst wird bei ihnen wohne. Gottes Hütte oder, so kann es auch übersetzt sein, Zelt. Ein Bild, das auf das Alte Testament zurückgeht. Gott, so erzählt die Bibel, zog wie in einem Zelt mit dem Volk Israel. Wo dieses Zelt, diese Hütte auf der langen Wanderung von Ägypten in das gelobte Land aufgeschlagen wurde, da war Gott wirklich da. Eine tolle Vorstellung und für mich die Grundlage des Glaubens. Gott wohnt nicht in einem Palast oder im Himmel, sondern mitten unter den Menschen. In Jesus hat er das ganz deutlich gemacht. In ihm war Gott in dieser Welt, in diesem Leben erfahrbar. Nicht weit weg. Nicht wir müssen uns auf einen weiten Weg zu Gott machen, sondern bevor wir uns aufmachen, hat Gott sich schon zu uns aufgemacht. Gott kommt zu uns. Und er wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Der Tod behält nicht das letzte Wort. Das Leben im Glauben ist kein Leben ohne Tränen und ohne Leid, aber ein Leben, das wissen darf, dass Trost wartet. Auch in Zeiten, in denen er noch so fern zu sein scheint. Das alles steht un-ter der Verheißung: Siehe, ich mach alles neu! Der, der das von sich sagt, Gott, macht alles neu. Er ist es, der die Hoffnung wachhält, dass sich Leben lohnt, dass sich Ge-rechtigkeit und Frieden durchsetzen, dass Leid und Unterdrückung ein Ende haben. Er macht alles neu. Wo Menschen alles neu machen wollen, wo Menschen endgültige Erlösung versprechen, wird es schiefgehen. Wir Menschen bleiben mit unseren Möglichkeiten begrenzt. Das, was wir tun, wird nie perfekt sein und unglaublich viel Leid entsteht dadurch, dass Menschen andere mit Gewalt zu ihrem Glück oder zu einem Glauben zwingen wollen, der angeblich glücklich macht. Wir Menschen müssen und dürfen uns nicht an Gottes Stelle setzen und absolute Herrschaft über das Leben und Sterben anderer ausüben wollen. Wir können uns gegenseitig keine endgültige Erlösung verschaffen. Was wir können ist es, zu hoffen und aus dieser Hoffnung heraus zu leben. Vorzuleben, was dem Leben dient, weil das Leben von Anfang an Gottes Wille ist. Die Zukunft hat begonnen. Sie ist noch nicht da, noch nicht fertig. Wir dürfen an der Zukunft, an Gott Zukunft für die Welt mit bauen. Durch Vertrauen, das wir trotz aller Versagenserfahrungen uns gegenseitig schenken. Weil wir hoffen dürfen, dass Gott auch das, was scheitert, zum Guten führen kann. Wir dürfen mit bauen, mitarbeiten, besser machen. Aber wenn wir glauben, es fertig machen zu müssen, werden wir uns und die Menschen, die mit uns leben, letztlich wirklich fertigmachen und scheitern.

Es ist nicht die Erfahrung, die dafür spricht, dass alles anders, besser, alles neu wird. Gute Absichten scheitern. Menschen verletzen sich gegenseitig, weil wir nicht in der Lage sind, perfekt zu sein. Es ist nicht die Erfahrung, die uns Hoffnung schenkt. Zu oft erfahren wir, das Leben abbricht, das Abschied weh tut. Es ist der hoffende Glaube, das Vertrauen, das Gott wirklich A und O ist, Anfang und Ende, dass Gott alles Reden, Tun und Handeln umfasst. In ihm ist der Anfang und das Ziel des Lebens und das Ziel ist gut. Das Ziel liegt im Leben, das Gott schenkt. Im Leben, das getröstet und gut ist. Das Ziel ist ein Geschenk. Wir können darauf hin leben und glauben. Mit Rückschlägen und Umwegen. Wir müssen es nicht zwingen. Wir dürfen leben.

Amen

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