Text: Lukas 16,1-9 NGÜ
Liebe Gemeinde!
Jeder schaut auf seinen Vorteil. Solange das Geld, das ich ausgebe oder mit dem ich handele, nicht mein eigenes ist, kann ich damit machen was ich will und fremdes Geld zu meinem Vorteil einsetzen. Und wenn ich dadurch auch noch gute Beziehungen aufbauen kann, die mir nützen: umso besser! Vor drei Jahren begann die weltweite Finanzkrise genau nach diesem Muster. Da haben Menschen mit Geld, das ihnen nicht gehörte, rumgespielt, ihren Vorteil gehabt, aber ausbaden mussten das andere. Treue, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, diese Werte spielten keine Rolle mehr. Hauptsache, die eigene Kasse stimmt. Von der Kirche, von Christen, von Jesus selbst, da wird zu Recht anderes erwartet. Wenn ich mich als Christ verstehe und denke, dass dazu mehr gehört als nur ein geistiges Leben mit Gebeten und Bibellesen und Gottesdienstbesuchen, dann erwarte ich von mir – und anderen – im Sinn von dem, was ich glaube, von Jesus verstanden zu haben, auch in meinem Alltag ein ganz anderes Verhalten. Da erwarte ich Treue, nicht nur in der Ehe oder anderen Beziehungen, sondern auch gegenüber Aufgaben, die ich übernommen habe. Da erwarte ich Aufrichtigkeit und Verlässlichkeit. Von mir selbst, von Menschen, die sich auf Jesus berufen und sagen, dass sie an ihn glauben. Und natürlich gehe ich davon aus, dass Jesus selbst genau so was auch den Menschen, denen er begegnet ist, vorgelebt und erzählt hat. Und dann finde ich in der Bibel, im Lukasevangelium, eine Geschichte, die mich ganz ernsthaft verwirrt. eine Geschichte, bei der ich mich frage, welches Verhalten da eigentlich von Jesus gut gefunden wird. Eine Geschichte, bei der ich mich frage, wie sie ernst gemeint sein kann und wie ich sie verstehen soll. Sie steht bei Lukas im 16. Kapitel:
Vorlesen, Neue Genfer Übersetzung
Für alle, die das Wort Mammon nicht kennen: in der Sprache, die Jesus wirklich gesprochen hat, heißt das Geld, Besitz. Beim ersten Lesen, beim ersten Hören – und vielleicht auch noch beim zweiten, dritten und vier-ten – da wirkt diese Geschichte, die Jesus erzählt, fast so wie ein Aufruf, es mit der Ehrlichkeit nicht so genau zu nehmen und sich für den Notfall Freunde zu kaufen, die einen raushauen können, wenn man keine Lust auf körperliche Arbeit oder Betteln hat. Treue, Verlässlichkeit, Aufrichtigkeit sieht so jedenfalls nicht aus. Ich habe im Internet den Hinweis gefunden: „Wenn sie ihre Gemeinde nicht verwirren wollen, dann predigen sie nicht über diese Geschichte!“ Aber genau das wäre ja auch wieder nicht ehrlich und aufrichtig. Der Pfarrer, der soll die Gemeinde schonen und nur das erzählen, was einfach zu verstehen ist und nicht die ganze Wahrheit. Ich halte aber niemanden für dumm: die Konfis nicht, die Erwachsenen nicht und ich will niemandem erzählen, dass Jesus es uns immer leicht macht. Es kostet manchmal ein bisschen Anstrengung und Nachdenken,
an Gott zu glauben und Jesus zu vertrauen. Es gibt Momente, in denen auch ich als Pfarrer darum kämpfen muss, das zu verstehen, was Jesus sagen will. Und in denen ich nicht weiß, ob ich das auch richtig verstehe. Wer erzählt, er versteht immer alles und wer Menschen den unbequemen Jesus vorenthält, der wäscht Gehirne und nimmt nicht ernst, dass Gott uns manchmal auch was zumutet und der Glaube an Gott nicht die sanfte Schlafpille, sondern der Motor eines tollen, aber manchmal auch anstrengenden Lebens sein will.
Genug rumgeredet, jetzt aber mal zu dem, was Jesus hier sagt. Verlängert hier Jesus wirklich die irdische Erfahrung, dass Untreue sich auszahlt ins Himmlische? Ich glaube, dass es ihm hier um etwas ganz anderes geht. Drei Spuren, in welche Richtung das, was Jesus hier erzählt, gehen könnte:
Die erste Spur: Jesus sagt am Ende der Geschichte: „Die Menschen dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Menschen des Lichts“. Was er damit aus-drücken will, dass dieses Beispiel gar nicht ohne nach-zudenken und zu übertragen auf die Menschen, die ihm vertrauen und ihm nachfolgen übertragen werden kann. Da müssen wir uns schon ein bisschen Mühe geben. Erstmal bleibt diese Geschichte ja ganz in der Logik der Welt ohne Gott. Ich kann mir vorstellen, dass dieser un-ehrliche Verwalter Christen dazu ermutigen soll, über ihre Situation ernsthaft nachzudenken und dann auch entschieden so zu handeln, dass sich ihre Situation ver-bessert. Nicht das unehrliche ist das Vorbild, sondern der realistische Blick auf die eigene Situation. Wenn das schon die Menschen schaffen, denen Gott egal ist, dann könnt ihr das doch erst recht schaffen – vielleicht steckt diese Ermutigung auch in der Geschichte. Und zum Handeln, das einen weiterbringt, gehört das manchmal scheinbar verrückte, das sich nicht nach den Regeln rich-tet, die Menschen aufstellen, um andere klein zu halten. Jesus selbst wird ja auch vorgeworfen, dass er sich nicht an die Regeln hält, die andere zusätzlich zu den Geboten Gottes aufgestellt haben, damit die Menschen sich klein fühlen. Jesus geht es um die Menschen, um Beziehung, und darum legt er die Regeln konsequent auf den Men-schen hin aus. Habt Mut zum Handeln, auch wenn das nicht total abgesichert ist, vielleicht steckt auch das in der Geschichte. Und die Erkenntnis, dass einem am En-de menschliche Beziehungen wirklich hilfreicher sein können als alles Geld der Welt. Der Mensch ist auf Be-ziehung angewiesen, nicht auf Reichtum.
Da sind wir bei der zweiten Spur: Der unehrliche Ver-walter stellt selbst in seinem menschlichen, gar nicht auf Jesus bezogenen System, den Menschen vor das Geld, den Mammon, wie es in der Sprache von Jesus heißt. Er folgt nicht der Logik, dass der Vermehrung des Geldes gedient werden muss, sondern eben der Logik, dass Be-ziehungen zu Menschen mehr wert sind. Fragwürdig aus christlicher Sicht ist natürlich, dass in dieser Geschichte die Beziehung mit Hilfe von Geld aufgebaut wird und dass man auf den ersten Blick denken könnte, Bestechung, Betrug oder das Erkaufen von Freundschaft sind okay, wenn sie der Beziehungspflege dienen. Leider läuft ja die Auftragsvergabe bei großen Projekten und das herbeiführen von Entscheidungen in der Politik mancher Länder genau so ab. Aber hier gilt der Zwischenruf Jesu: in meiner Nachfolge seid ihr die Menschen des Lichts – für mich heißt das: für euch, für uns darf es eben nicht um Betrug gehen. Aber es muss darum gehen, Geld richtig einzusetzen: Nämlich zur Entlastung von Armen. Die Schulden, von denen hier die Rede ist, sind, in heutige Kaufkraft umgerechnet, so hoch, dass ein einfacher Arbeiter zwei Leben bräuchte, um sie zurückzuzahlen. Vergöttert Geld nicht, sondern nutzt es, um ein Stück Gerechtigkeit zu verwirklichen und Menschen von drückenden Lasten zu befreien. Geld ist kein Wert an sich, dem zu dienen wäre. Für mich auch eine Spur aus diesem Gleichnis.
Und die dritte Spur: Völlig überraschend lobt der Herr, für mich und andere Ausleger ist das der Grundherr, der Arbeitgeber des Verwalters, diesen für sein kluges Han-deln. Auch er durchbricht die Logik von dem, was man erwartet. Für mich wird hier ein kleines Stück weit auch deutlich, um was es in der Beziehung zu Gott, die durch Jesus eine neue Basis bekommen hat, auch geht: es geht um Vergebung, die die Logik des Bezahlenmüssens au-ßer Kraft setzt. Immer wieder sehen Menschen bis heute in Gott den Oberrichter, der Vergehen gegen gute Taten aufrechnet und dann die Menschen entweder ewig be-lohnt oder ewig bestraft. Martin Luther, auf den wir evangelischen Christen uns ja auch berufen, hat aber schon vor langer Zeit klar erkannt, dass es Jesus um was anderes geht. Keiner wäre in der Lage, seine Schuld bei Gott wirklich zu bezahlen. Immer wieder machen wir Fehler. Gott rechnet nicht auf – sondern er schafft durch Vergebung Luft zum leben. Nicht, indem er sagt: das ist egal, sondern indem er sagt: du hast zwar Schuld auf dich geladen, aber nutze die Befreiung, um neu anzufan-gen. Schuld bleibt – auch in dem Gleichnis, aber mit ihr kann gelebt werden und der Neuanfang starten. Nicht die Schuld, nicht das Geld, nicht das Aufrechnen steht im Mittelpunkt, sondern die hilfreiche Beziehung.
Meine drei Spuren. vielleicht findet ihr, finden sie ande-re. Ich weiß nicht, ob eine davon richtig ist oder ob ich heute nur Unsinn erzählt habe. Ich weiß aber, dass Gott uns durch Jesus nicht in einen geistigen Tiefschlaf ver-setzt, sondern dass er uns zum Denken und Handeln, vielleicht auch mal zum Widerspruch provoziert. Ich bin froh, dass ich Gott vertrauen darf, der mich als lebendi-gen Menschen will, der größer ist als meine kleine Denkwelt.
Amen.
Predigten und Gedanken aus der Thomaskirche auf dem Richtsberg in Marburg
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