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Sonntag, 3. Juli 2011

Rauswurf erster Klasse - 2. nach Trinitatis, 03.07.2011, Reihe III

Text: Matthäus 22,1-14
Liebe Gemeinde!


Wer sollte heute Morgen aus dem Gottesdienst rausgeworfen werden, weil er oder sie nicht richtig angezogen ist? Als Pfarrer habe ich es da gut, ich muss mir keine Gedanken über meine Kleidung machen. Talar – und das war’s. Aber sonst? Als ich Konfirmand war, vor gut dreißig Jahren, da war es bei uns auf dem Dorf noch üblich, sich sonntags anders anzuziehen als werktags. Und erst recht dann, wenn man in die Kirche ging. Heute ist der Unterschied, nicht nur bei Konfirmanden, sondern auch bei Erwachsenen, oft gar nicht so genau zu erkennen. Grundsätzlich finde ich das gut. Nicht auf die Kleidung kommt es an, sondern auf den Menschen, der drin steckt. Gut, dass dieses Denken mittlerweile fast überall und gerade in evangelischen Gottesdiensten da ist. Aber ein bisschen was ist durchaus im Laufe der Zeit verlorengegangen. Mit meiner Kleidung kann ich ja auch eine innere Haltung ausdrücken. Indem ich nicht gerade meine ältesten Sachen anziehe, sondern mich etwas schicker mache, von Aufbrezeln will ich ja gar nicht reden, kann ich auch zeigen, dass mir etwas wichtig ist. Keine Frage, ich will nicht zurück in eine Zeit, in der die dunkle Stoffhose für den Jungen und den Mann und das schlichte, hochgeschlossene Kleid für das Mädchen und die Frau so eine Art Gottesdienstuniform waren. Ich finde es gut, dass jeder willkommen und eingeladen ist. Aber ich finde es schade, wenn mit der Gleichgültigkeit in Fragen der Kleidung auch eine Gleichgültigkeit gegenüber dem, was da passiert und was gefeiert wird, einhergeht. Und vielleicht ist diese Gleichgültigkeit auch so ein Schlüssel, das sehr merkwürdige Gleichnis von der königlichen Hochzeit, das so nur im Matthäusevangelium erzählt wird, etwas besser zu verstehen.

Dass Gott durch Jesus Gute und Böse an seinen Tisch einlädt, das ist im ganzen Neuen Testament so überliefert. Aber dass einer, der gerade hereingekommen ist, gleich wieder rausgeworfen wird,
das ist so eigentlich nur bei Matthäus zu finden. Und da kann man dann wirklich sehr lange und sehr breit diskutieren, was ihm eigentlich fehlt, warum es so schlimm ist, dass der Kö-nig ihn ohne hochzeitliches Gewand antrifft. Wenn der König im Gleichnis, das hier erzählt wird, ein Bild für Gott ist, dann liegt es nahe, erst einmal zu denken: Gott schaut doch darauf, dass die Menschen ordentlich ange-zogen zu ihm kommen. Aber das Wesen von Gleichnis-sen ist eben, dass sie nicht Wort für Wort, 1:1 ausgelegt werden können, sondern dass sie ja immer in Bildern erzählen. Es steckt also mehr hinter der falschen, für ei-ne Hochzeit unpassenden Kleidung. Und ich denke, dass es eben die Gleichgültigkeit ist, die sich in der unpas-senden Kleidung ausdrückt. Da wird einer zu einem tol-len Fest eingeladen. Er hat es noch gar nicht mal ver-dient, er hat vielleicht auch gar kein Geschenk mitge-bracht, muss er auch nicht. Aber die Einladung lässt ihn gleichgültig, sie verändert nichts an ihm.

Und vielleicht ist es ja das, was das Gleichnis bis heute erzählen will: Gute und Böse, jeder darf zu Gott kom-men, jeder ist eingeladen. Gott trifft keine Vorauswahl der Qualifiziertesten. Man muss sich nicht durch gute Werke hervorgetan haben. Man muss nicht schlau daherreden können. Man muss nicht schon immer gebetet haben. Bei dem großen Fest, das Gott gibt, ist erst einmal wirklich jeder unterschiedslos willkommen, der die Einladung annehmen will. Es gab ja auch welche, die wollten gar nicht kommen. Doch dazu später mehr. Jeder darf kommen. Egal, was vorher war. Aber dann fängt das Fest an. Dann fängt es mit dem Glauben an. Wenn die Einladung nichts verändert, dann ist sie nutzlos. Wenn der Glauben nichts verändert, dann ist er umsonst. Was kann denn der Glauben, die Einladung, mit Gott feiern zu dürfen, verändern? Es könnte eine Menge sein. Ein paar Kapitel weiter hinten im Matthäusevangelium steht, dass diejenigen zu Gott ge-hören, die sich ganz selbstverständlich um Kranke, um Arme, um Gefangene, um Bedürftige kümmern. Ich denke schon, dass es eine Konsequenz aus dem Glauben ist, nicht egoistisch durchs Leben zu gehen. Und nicht nur denen was Gutes zu tun, die ich kenne und mag, sondern die nicht aus dem Blick zu verlieren, die wirklich bedürftig sind. Die Haltung zum Mitmenschen kann sich im Glauben ändern. Er ist nicht länger Konkurrent, sondern Mitmensch. Bedürftiger, so wie ich auch selber Bedürftiger bin. Es geht nicht darum, in anderen immer nur Opfer zu sehen und Opfern helfen zu wollen. Es geht darum, den anderen als Menschen ernst zu nehmen. Bei Hilfe für andre stellt sich ja manchmal auch Überheblichkeit ein. „Schaut doch mal, wie gut ich bin, was ich alles kann! Der arme andere! Dem helfe ich, und dann weiß auch jeder, dass ich besser bin, mehr kann, reicher bin oder was auch immer.“ So ein Denken kann sich leicht einstellen. Mit christlichem Glauben hat das aber nicht allzu viel zu tun. Im anderen den Mit-feiernden, den Mitmenschen sehen – auch das kann ein hochzeitliches Gewand sein, das Gott, das dem König Ehre gibt. Vielleicht kann es auch eine realistische Selbsteinschätzung sein. Ich bleibe immer unvollkom-men. Ich werde, auch wenn ich noch so stark glaube, schuldig und bin auf Vergebung angewiesen. Kein hoch-zeitliches Gewand wäre vielleicht die Haltung: ich bin perfekt, weil ich Christ bin. Mehr wert als andere. Oder auch: weil ich Christ bin, ist alles egal. Gott muss mir ja vergeben, ich muss nichts ändern. Ich glaube, beides ist nicht richtig. Aber ehe ich jetzt noch weiter rum speku-liere oder sogar dazu verleite, drüber nachzudenken, wer denn vielleicht in diesem übertragenen Sinn kein hoch-zeitliches Gewand anhat und heute oder später rausge-worfen werden müsste, eine ganz wichtige Beobachtung: Es sind NICHT die Mitfeiernden, die den einen rauswer-fen. Es ist der König selbst. Keiner von uns, kein Christ, kein Pfarrer, kein Bischof, kann sich ein letztes Urteil über andere erlauben. Wir sind alles Mitfeiernde. Der König allein, Gott allein kann sagen, wer dazugehört. Und wer eben wieder raus muss. Glauben hat Konse-quenzen. Aber ob das, was wir Menschen bei anderen wahrnehmen, mit der Wahrheit übereinstimmt, das weiß keiner von uns. Die Einladung, dazuzugehören und das Mitfeiern darf ich als Christ erst einmal keinem abspre-chen. Nicht ich lade ein, Gott lädt ein. Nicht die evange-lische, die katholische Kirche oder eine freie Gemeinde und Gemeinschaft laden ein, sondern Gott hat uns alle durch Jesus eingeladen, mitzufeiern. Das dürfen wir nicht vergessen. Vielleicht sind wir es ja, wir, die Got-tesdienst feiern, die beten, die sonst rausgeschmissen werden weil das Gewand, das für ach so festlich gehal-ten wurde, weil der Glaube, der ach so christlich war, doch am Ende nicht das gehalten hat, für das er sich ausgegeben hat. Weil die Gleichgültigkeit gegenüber der Gnade und Güte Gottes und weil der Egoismus, der denkt, dass alle, die mitfeiern, so wie ich oder zumindest so ähnlich sein sollten, größer waren als die Erkenntnis der Wahrheit und die Freude am Fest.

Glauben hat Konsequenzen, Glauben ohne Konsequenzen bleibt leer. Gleichgültigkeit schließt vom Fest aus. Irgendwie ja auch logisch. Wer gleichgültig bleibt, wird keinen Spaß beim Feiern haben. Aber die Entscheidung liegt nicht bei uns Menschen, bei keiner Kirche oder Gemeinde. Das ist das eine, was mir dieses Gleichnis, das uns Matthäus überliefert, sagt.

Das andere hängt mit dem schwierigen Anfang zusammen. Da wird erzählt, dass der König schon längst Vorbereitungen getroffen hat und immer wieder seine Knechte ausschickt, um die Gäste einzuladen. Am Ende töten die Eingeladenen sogar diejenigen, von denen sie eingeladen werden und der König vernichtet die Stadt der Mörder. Vielleicht hat Matthäus selber da ein bisschen mit reingeschrieben. Matthäus legt in seinem Evangelium großen Wert darauf, dass sich in Jesus alles erfüllt, wovon die Propheten Israels erzählen und bei ihm ist die Enttäuschung zu spüren, dass nur wenige in Israel in Jesus Gottes Sohn gesehen haben. Im Jahre 70 nach Christus, kurz bevor Matthäus sein Evangelium aufgeschrieben hat, wurde der Tempel in Jerusalem zerstört. Vielleicht wollte Matthäus das in seiner Art, dieses Gleichnis zu erzählen, als Strafe Gottes deuten. Gefährlich wurde das über die Jahrhunderte, weil sich Christen dadurch ermuntert fühlten, Juden zu verfolgen und zu vernichten. Im Namen Gottes. Aber wir Christen sind immer die, die später eingeladen wurden. Und von uns hat niemand das Recht, über Gottes Güte oder seinen Zorn zu entscheiden. Wir sind Eingeladene. Und diese Einladung hat Konsequenzen. Aber nicht die, dass wir glauben, im Namen Gottes zu handeln, wenn wir anderen das Leben nehmen oder ihre Würde absprechen, sondern die, dass wir andere in den Blick nehmen und anderen Menschen zum Leben helfen. Das ist das wahre hochzeitliche Gewand, die richtige Festkleidung. Gott lädt alle ein, Gute und Böse. Gott sei Dank.

Amen.

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