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Sonntag, 15. August 2010

Ich bin gut! - 11. Sonntag n. Trinitatis, 15.08.2010, Reihe II

Es war ein relativ unruhiger Taufgottesdienst, so dass ich weitestgehend frei gepredigt habe. Die vielen Redundanzen des Skripts habe ich hoffentlich dabei vermieden. Trotzdem: Hier ist das Skript!

Text: Epheser 2,4-10

Liebe Gemeinde!


Sind SIE ein guter Mensch? Machen wir doch einfach mal eine kleine Probeabstimmung. Wer sagt von sich: Ja, ich bin ein guter Mensch? Wer sagt: Nein, das trifft wohl so nicht zu? Und wer sagt: Kann ich nicht sagen, da müssen Sie andere fragen?

Ja, ich glaube, dass die meisten sich mit einer klaren Ant-wort auf diese Frage schwer tun. Erstens möchte man ja nicht eingebildet erscheinen. „Hochmut kommt vor dem Fall“, sagt ein Sprichwort. Etwas biblischer: „Gott wider-steht dem Hochmütigen, aber dem Demütigen gibt er Gnade“, ein Vers aus dem 1. Petrusbrief, der Wochenspruch für diese Woche. Zweitens ist es ja sehr menschlich, wenn ich sage: „Natürlich kenne ich meine Stärken und guten Seiten, aber ich kenne auch deutlich meine Schwächen, auch wenn ich das vielleicht nicht jedem gleich auf die Nase binde“. Und drittens ist es ja sowieso einfacher, keine allzu klaren Aussagen zu machen, mit denen ich angreifbar werde. Lieber die anderen was sagen lassen, da kann ich mich dann notfalls drauf zurückziehen.

Genau das wollte ich auch machen, als mir eine Journalistin vor ein paar Tagen diese Frage stellte. Die Antwort wird öffentlich, was soll ich da nur sagen? Bin ich ein guter Mensch? Ich wollte schon sagen: Das müssen andere beurteilen. Aber dann habe ich mich getraut, eine klare Antwort zu geben. Ja, ich bin ein guter Mensch. Wahrscheinlich stimmen mir die meisten Schüler aus den ehemaligen Jahrgängen 6 und 8 der Richtsberggesamtschule, vor allem die, die meine Noten ungerecht fanden, nicht unbedingt zu. Die ehemalige Klasse 9e vielleicht eher. Ganz sicher stimmen mir Menschen, die mich anbettelten und denen ich kein Geld gab, auch nicht zu. Und Menschen, die sich gewünscht hätten, ich hätte Zeit für sie, und für die ich mir nicht so viel Zeit nehmen konnte, wie sie brauchten, stimmen mir wohl auch nicht zu. Und sicher andere aus anderen Gründen auch nicht. Gut bin ich nicht, weil ich besonders viele gute Werke tun würde oder perfekt für Frieden und Gerechtigkeit sorgen würde. Gut bin ich, weil ich gut genug bin, um von Gott geliebt zu werden. Gut bin ich, weil Gottes Liebe und vor allem seine Gnade mir die Chance gibt, Gutes zu tun und gut zu sein. Und nicht nur mir, sondern eigentlich jedem von uns. Der Punkt, auf den es ankommt, ist der, nicht zu denken: Gut sein ist eine Leistung, es ist mein Verdienst, dass ich gut bin. Sondern es kommt darauf an, dass Geschenk der Liebe, das Geschenk der Gnade, des Gut-sein-Könnens an-nehmen zu können. Die Liebe und Gnade Gottes, sichtbar geworden in Jesus, ist keine Leistung, sondern ein Ge-schenk. Es ist nichts, was mich über andere stellt, worauf ich mir irgendwie was einbilden kann, sondern etwas, das mich vor mein Menschsein stellt. Auch mit allen Tiefen, mit aller Ungerechtigkeit und allem Versagen. Trotz die-ser Liebe werde ich eben nicht perfekt sein.

Für mich ist das etwas, was ich auch aus dem Abschnitt aus dem Epheserbrief, den ich eben vorgelesen habe, er-fahren kann. Der Satzbau ist furchtbar kompliziert und wahrscheinlich ist es auch schwer, einfach nur durch Zuhören richtig mitzubekommen, was da eigentlich steht.

Paulus oder vielleicht ein Schüler von ihm, der den Brief geschrieben hat, so genau weiß man das nicht, fängt mit einer Wahrheit über das Leben an, die man heute gar nicht mehr gern hört.
Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, 5 auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr selig geworden.
 Es gibt ein Leben in Sünde, das dem Tod verfallen ist. Jetzt kann man da prima ausmalen, was alles dazugehören könnte und dann sagen: Gut, dass es bei mir besser ist! Aber damit würde man total danebenliegen. Gut und befreit leben zu können ist erstens keine eigene Leistung, sondern ein Geschenk. Nichts kann ich mir darauf einbilden. Und zweitens heißt ein befreites Leben im Glauben, im Vertrauen auf Gott zu führen also auch, nicht einfach so weiter zu machen wie immer, sondern umzukehren von Wegen, die sich als falsch herausgestellt haben. Und an jeder Weggabelung in unserem Leben, bei jeder Entscheidung, die wir treffen, stehen wir erstens immer wieder davor, auch das falsche wählen und tun zu können und zweitens dann vor der Notwendigkeit, wieder neu umzukehren. Glauben, Vertrauen, Leben als Christ – das ist nichts, was sich mit der Taufe oder einem Bekehrungs- oder Erweckungserlebnis erledigt hätte, sondern immer wieder neu eine Anfechtung für den Alltag, immer wieder neu etwas, was mich aus meinem Alltag, aus meinen Gewohnheiten, aus dem, was mir für gut und richtig und normal verkauft wird, herausreißt. Ich kann mit dem Strom schwimmen, das ist einfach. Mein Vertrauen auf meine Kraft allein setzen, es normal finden, dass es weni-ge Reiche und viele Arme gibt, es normal finden, dass Menschen zu Opfern gemacht werden, es normal finden, dass an erster Stelle immer wieder ich selbst stehe sollte, die, die mir nahe sind, und dann lange nichts kommt. Geht alles und ist der leichtere Weg. Aber ich kann auch, und das heißt für mich Glauben, die Hand ergreifen, die mir hingehalten wird, um da herauszukommen. Um ein leben zu entdecken, das anders ist. Um Kraft für ein Le-ben zu bekommen, in dem es um mehr geht. Um Ehrlich-keit, um ein ehrliches Ansehen der Schuld und um die Chance, da wieder herauszukommen. Um die Kraft, nicht nur für sich, sondern auch für andere Gutes zu tun. Da-rauf zu vertrauen und darauf hinzuleben, dass es mehr gibt als das, was wir sehen und dass am Ende wirklich die Gerechtigkeit gilt, die Gott will. Glauben heißt, mehr zu sehen als das, was im Alltag zu sehen ist. Glauben heißt, ein Leben zu entdecken, das sich schon vor dem Tod lohnt, das aber mit dem Tod noch nicht am Ende ist. Glauben heißt, loslassen zu können und Freiheit zu fin-den. Loslassen zu können: Das Stück Holz, die Luftmat-ratze, die mich auf dem Strom des Alltags und der Schuld schwimmen lässt, loszulassen und die Hand, die mich da rausholen will, zu ergreifen. Und wie das bei Fluten, die einen wegreißen, so ist: sie kommen immer mal wieder. Sieht man ja auch jetzt in der Natur. Deshalb heißt glau-ben ja auch, sich immer wieder neu auf diese Hand, die mich rausziehen will, einlassen. Es wird Zeiten geben, in denen ich ein Stück weit fortgetragen werde. Aber Gottes Hand, seine Liebe, sein Angebot ist da. Ich darf neu zugreifen. Nicht ich ziehe mich raus aus dem Strom, in dem man untergeht, sondern Gott. Ich schlage im Glauben sozusagen ein in seine Hand. So verstehe ich den Vers:
aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glau-ben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es
 aus dem Predigttext. Gottes Angebot der Liebe anzunehmen, seine Hand nicht auszuschlagen, Glauben, das macht mich nicht besser als andere. Aber es lässt mich gut sein und Gutes tun. Weil Gott die Augen öffnet. Weil er hilft, das zu entdecken, was dem Leben wirklich dient. Schön finde ich den Gedanken dass wir eigentlich bei dem Guten, was zu tun ist, damit Leben für alle wirklich gut wird, nur zugreifen müssen. Wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen. So drückt es der Epheserbrief aus. Gutes tun, Gut zu sein ist gar nicht so schwer. Gott lässt es uns sein, Gott lässt es uns tun. Wir brauchen einfach nur zuzugreifen. Einfach nur so? Gebe Gott, dass es wirklich einfach wird und wir uns nicht allzu schwer damit tun.

Amen

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