Liebe Gemeinde!
Was macht den Menschen eigentlich zum Menschen? In einer Zeit, in der die Forscher immer mehr entdecken und in der Menschen immer mehr wissen, lässt sich das immer schwerer sagen. Kluge Menschen haben herausgefunden, dass 91% unserer Erbinformationen mit denen von Fadenwürmern identisch sind und gut 98% mit denen von Schimpansen. Es ist nicht viel, was uns von Würmern unterscheidet und noch weniger unterscheidet uns von Affen. Aufrecht gehen, Werkzeuge benutzen, Stimmungen ausdrücken, Mitleid empfinden oder auch planmäßig jemanden ärgern oder ihm absichtlich weh tun, das alles können Menschenaffen auch. Eine Sache, die uns, glaube ich, zu Menschen macht ist die Gabe, einfach so, ohne tiefere Absicht oder vorher festgelegten Zweck zu singen. Wenn Vögel singen, dann tun sie das, weil sie gerade jemanden suchen, mit dem sie sich vermehren können, weil ihre Hormone sie genauso programmieren, dass sie lossingen. Wenn Wale das tun, dann ist das ihre einzige Möglichkeit, über weite Strecken im Meer Botschaften auszutauschen. Kantate! Singt! So heißt der Sonntag heute. Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder! Vielleicht ist das wirklich die schönste Art, Gott einfach mal Danke zu sagen: Einfach drauflos zu singen, weil ich mich gerade gut fühle und merke, dass das Leben richtig schön sein kann. Vielleicht müssen das auch gar nicht immer fromme Lieder mit frommen Texten sein, vielleicht kann das auch einfach etwas sein, was einem gerade in den Kopf kommt. Ich glaube, Gott versteht dann schon, warum wir singen. Ich glaube nicht, dass wir ihm unsere Freude übersetzen müssen. Wenn wir uns denn trauen würden, einfach so drauflos zu singen. Kleine Kinder machen das noch, die singen oft unbekümmert drauflos, auch wenn nicht jeder Ton getroffen wird. Aber wenn man älter wird, 10,12,14 oder erwachsen, dann verliert man leider leicht diese spontane Fähigkeit. Vielleicht wenn der Staubsauger laut genug brummt oder wenn man unter der Dusche steht, wenn man das Gefühl hat: mir hört keiner zu. Da singt man. Aber sonst: „Ich kann das nicht. Ich hab so eine hässliche Stimme. Was sollen denn die anderen denken? Ich blamiere mich voll! Eigentlich gibt es doch gar keinen Grund zu singen, wenn ich richtig drüber nachdenke, dann geht es doch ziemlich schlecht in der Welt zu“ - ganz viele Gedanken kommen einem, warum man es doch sein lässt und den Mund hält. Man schleppt ganz viel Ballast mit sich rum. Gedanken, Vorurteile, schlechte Erlebnisse, die es einem verleiden, die Freude, die Leben machen kann, wirklich mal laut werden zu lassen. Die Angst, vor anderen schlecht oder dumm dazustehen genauso wie die Trauer über eine kaputt gegangene Beziehung oder die Angst wegen einer Krankheit und vieles andere mehr. In den Versen aus der Bibel, die für heute als Predigttext vorgeschlagen sind, macht Jesus einen Vorschlag, wie wir das loswerden können. Er sagt im 11. Kapitel des Matthäusevangeliums: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“ Erquicken ist ein Wort, das meine Konfirmanden oder Schüler oft nicht verstehen, weil es im Alltag eigentlich gar nicht mehr benutzt wird. Erfrischen, frisch und froh will Jesus uns machen. Ein Joch, das hat man früher über die Schulter gelegt, damit man schwere Lasten schleppen konnte. Die Lasten, die wir schleppen, die kann und will Jesus mittragen. Unsere Angst vor dem Versagen. Unsere Angst, wenn wir oder Menschen, die uns ganz nahe sind, krank sind. Unsere Angst vor dem Tod, unsere Trauer über Tote. Unsere Schuld, weil wir ja genau wissen, dass wir anderen auch Unrecht tun und ihnen das Leben schwer machen. Und vielleicht auch die Unterdrückung, die manche von uns spüren, die Vorurteile, die ihnen entgegengebracht werden, weil sie anders aussehen oder anders Deutsch sprechen. Kommt her. Ich will euch wieder frisch machen, damit ihr leichter durchs Leben gehen könnt. Wem eine schwere Last auf den Schultern liegt, wer sich niedergedrückt fühlt, der kann eben schlecht drauflos singen. Wer aber weiß, dass jemand ihm hilft, die Last zu tragen, der hat auch genug Luft, zu singen. Ein Beispiel hierfür ist für mich die Geschichte der Gospels und Spirituals aus Amerika. Heute bewundern viele, gerade jüngere Menschen, diese oft mitreißende Musik. Aber die ersten, die diese Lieder gesungen haben, waren Sklaven, die unterdrückt wurden und ganz viel zu leiden hatten. Was ihnen Halt und Mut und Kraft zum Singen gegeben hat, war ihr Glauben an Gott. Sie wussten: Für Jesus sind wir nicht der letzte Dreck. Für ihn sind wir ganz viel wert. Andere können uns schlagen und unseren Körper kaputt machen. Aber die Freiheit unserer Seele, die Freiheit, die uns Gott schenkt, die kann uns keiner nehmen. Nehmt mein Joch, meine Lastenstange, auf euch, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen, sagt Jesus. Ja, auch der Glauben bedeutet kein lastenfreies Leben. Erstens geht es auch Menschen, die an Gott glauben, nicht nur gut. Und zweitens ist es ja auch manchmal eine Last, Jesus nachzufolgen. Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig - damit kann man heute nicht mehr gewinnen. Wer Gewalt nicht mit Rache beantwortet, wer nicht mit aller Macht nach vorn kommen will, wer sich zurücknehmen und anstellen kann - der wird oft genug dumm angeschaut, manchmal auch dumm angemacht. Aber es bringt Ruhe und Kraft, nicht alles von sich selbst erwarten zu müssen. Es bringt Ruhe, sich Anerkennung nicht erkämpfen zu müssen, sondern wissen zu können: Gott hat mich schon längst angenommen. Ich muss nicht der Beste, die Schönste oder der Größte sein, damit ich was wert bin. Gott sagt: für mich bist du eine große Nummer, egal was die anderen sagen und denken. Hoffentlich bringt das Menschen, uns dazu, einfach mal loszusingen. Weil wir es uns leisten können, Mensch zu sein. Weil wir nicht jeden Ton treffen müssen, weil wir auch unsere traurigen Lieder singen können. Die Bibel ist voll davon, dass wir auch das dürfen. In den Psalmen, in alten Liedern, heißt es auch: „Ich bin ein Wurm und kein Mensch, alle verachten mich“. Aber die Bibel zeigt auch, dass die, die die Kraft haben, diese traurigen Lieder zu singen, die Kraft bekommen werden, auch andere Lieder zu singen. Weil sie Lasten loswerden, weil Leben auch dadurch leichter wird und neue, fröhliche Lieder möglich werden.
Sache, die uns, glaube ich, zu Menschen macht ist die Gabe, einfach so, ohne tiefere Absicht oder vorher festgelegten Zweck zu singen. Wenn Vögel singen, dann tun sie das, weil sie gerade jemanden suchen, mit dem sie sich vermehren können, weil ihre Hormone sie genauso programmieren, dass sie lossingen. Wenn Wale das tun, dann ist das ihre einzige Möglichkeit, über weite Strecken im Meer Botschaften auszutauschen. Kantate! Singt! So heißt der Sonntag heute. Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder! Vielleicht ist das wirklich die schönste Art, Gott einfach mal Danke zu sagen: Einfach drauflos zu singen, weil ich mich gerade gut fühle und merke, dass das Leben richtig schön sein kann. Vielleicht müssen das auch gar nicht immer fromme Lieder mit frommen Texten sein, vielleicht kann das auch einfach etwas sein, was einem gerade in den Kopf kommt. Ich glaube, Gott versteht dann schon, warum wir singen. Ich glaube nicht, dass wir ihm unsere Freude übersetzen müssen. Jesus sagt aber hier im Matthäusevangelium noch mehr. Er sagt: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart. Ja, Vater; denn so hat es dir wohlgefallen. Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will. Man muss nicht besonders schlau sein, man muss nicht gut in der Schule sein, besonders gebildet oder besonders alt, um zu verstehen, dass Gott es gut mit einem meint und dass ich als Mensch für Gott was wert bin. Gerade die, denen keiner was zutraut, die in den Augen der anderen, und vielleicht auch nach eigener Meinung, gar nichts Besonderes sind, gerade die erkenne oft mehr von Gott als die, die sich für besonders schlau halten. Für mich ist die Taufe von Bettina, die wir heute feiern und die Taufen von drei Menschen zwischen 17 und 22, die wir, wenn keine Geburt dazwischen kommt, nächste Woche feiern können, genau so ein Zeichen dafür und mehr wert als jede Predigt, die ich halten könnte. Die vier können wahrscheinlich keine langen Vorträge halten, was Glauben alles ist und wer und wie Gott ist. Aber einfach dadurch, dass sie sich mit 12, mit 17, 21 und 22 taufen lassen, predigen sie: Sie zeigen, dass Gott für Menschen in jedem Alter da ist, dass es kein zu früh oder zu spät gibt, seine Einladung, sich lieben zu lassen, anzunehmen. Ich hoffe, dass das für uns alle ein Grund ist, 91% Wurm, 98% Schimpanse und 100% Mensch zu sein und dass wir einfach so in der Lage sind, auch durch ein Lied mal „Danke“ zu sagen. Nicht weil wir müssen, sondern weil wir spüren: Jetzt ist es an der Zeit.
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