Beliebte Posts

Montag, 4. Mai 2009

Feiern, Freude, Früchte - Jubilate, 03.05.09, Reihe I

Text: Johannes 15,1-8

Liebe Gemeinde!
Soll ich Ihnen heute etwas über die schlechte Wirtschaftslage erzählen? Über die schlechten Lebensbedingungen in der so genannten Dritten Welt oder Entlassungen und Arbeitslosigkeit in Deutschland? Oder vielleicht über die Schweinegrippe? Oder darüber, wie schwer das Leben und wie schlecht die Welt oft genug ist? Oder wollen wir lieber uns zusammensetzen, ein, zwei Gläschen Wein trinken oder, wer keinen Wein mag, Saft oder so und ein bisschen feiern und Spaß am Leben haben? Als Christ muss man ernst sein, oder? Zumindest den Ernst der Lage erkennen. Und ein Gottesdienst ist auch etwas Ernstes, man muss ja nicht immer nur die Schlagzeilen und schlechten Meldungen, die überall zu hören sind, weiter verbreiten, aber feiern und Spaß haben, das ist nicht ernst genug. Oder?
Eigentlich wäre mir heute danach, mit ihnen zu feiern. Und keine lange Predigt zu halten. Aber wenn ich das jetzt machen würde, dann würden die frisch Konfirmierten, wenn sie es denn mitkriegen, sagen: „Ausgerechnet jetzt, wo wir weg sind, macht der Pfarrer das, was wir uns immer gewünscht hätten!“ Und außerdem weiß ich, dass Menschen ja auch deshalb sonntags in den Gottesdienst kommen, weil sie etwas hören wollen, weil ihnen Predigten, auch wenn sie vielleicht nicht immer mit dem Prediger einverstanden sind, etwas bedeuten. „Jubilate“ - jubelt! So heißt dieser Sonntag. Wir haben doch Grund, uns an Gott zu freuen. Wir haben Grund, zu feiern, dass Jesus die Welt verändert hat. Dass er Hoffnung wach hält, auch wenn vieles noch so düster zu sein scheint. Und wir haben jeden Grund, dem auch durch überfließende Freude, auch durch ein Glas Wein, Ausdruck zu geben. Gerade, wenn wir den Predigttext, das heutige Sonntagsevangelium, ernst nehmen. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ - das sagt Jesus von sich und von uns. Ich finde es bemerkenswert, dass Jesus eben offensichtlich wollte, dass unsere Verbindung zu ihm, unser Dasein in der Welt nicht nur mit dem alltäglichen und zum Leben Notwendigen verglichen wird wie bei seinem Wort „Ich bin das Brot des Lebens“. Sondern dass Raum für das ist, was für Überfluss und Lebensfreude steht. Die Welt kann ohne Weinstock und Reben, ohne die Früchte davon und den Wein locker überleben - aber das Leben mit Gott, mit Jesus ist eben nicht nur ein nüchternes Überleben in einer oft genug bösen und traurigen Welt, sondern wirklich richtig Grund, Freude am Leben zu entwickeln, den Überfluss auch im scheinbaren Mangel zu entdecken und mit Lust gut zu leben. Gott gönnt uns ein gutes Leben und Freude am Leben - schon das erste Zeichen, das von Jesus im Johannesevangelium berichtet wird, deutet darauf hin. Darauf, dass mit Jesus wirklich Grund zur Freude auch im Alltag da ist. Das erste Zeichen von ihm ist die Verwandlung von Wasser in Wein. Nichts Lebensnotwendiges, sondern etwas, was wirklich weit über das Notwendige hinausgeht und deutlich macht, dass es beim Leben mit Gott, bei der Begegnung mit Jesus wirklich um Fülle und Freude geht. Und diese Freude, diese Fülle, die ist dann zu erleben, wenn ich bleiben kann. „Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht“, so sagt es Jesus.
Bleiben - das hört sich für manche Menschen nach Stillstand an. Und manchmal ist es das auch. Wenn ich will, dass alles so bleibt, wie es im Moment ist, wenn es mir gerade gut geht. Wenn ich Angst vor Neuem habe und mich gern einigeln würde. Wenn ich versuchen will, die Zeit anzuhalten. Aber das meint Jesus ja gar nicht, wenn er vom Bleiben redet. Ich muss nicht immer wieder neu um die Liebe kämpfen, ich muss nicht immer wieder neu um die Kraft zum Leben kämpfen, beides ist mir in der Verbindung zu Jesus geschenkt. Ich darf bleiben. In Verbindung bleiben mit dem, was dem Leben Sinn, Halt und Kraft gibt. In Verbindung bleiben mit der Liebe und der Quelle des Lebens. Ich muss mich nicht ständig neu erfinden. Um im Bild mit dem Weinstock zu bleiben: Ich muss nicht jedes Jahr alles rausreißen und neue Weinstöcke pflanzen. Neue Rebsorten, nur weil sich die Vorlieben der anderen geändert haben. Als Christen, als Gemeinde, als Kirche müssen wir nicht jedem neuen Trend, jeder mode hinterherlaufen und so tun, als müssten wir ständig alles neu erfinden und als würde nur durch unser Tun die Welt in Verbindung mit der Quelle des Lebens, der Wurzel, die Halt gibt, bleiben. Zeit haben, Ruhe finden - etwas ganz wichtiges, um leben und wachsen zu können. Und hier kommt die andere Bedeutung des Bleibens hier bei Jesus zum Tragen. Bleiben heißt nicht Stillstand, sondern das Bleiben an der Quelle des Lebens ist die Voraussetzung, um wachsen zu können.
Bleiben im biblischen Sinne ist heißt nicht, dass sich nichts verändert, sondern es ist die Voraussetzung für Wachstum. Bei einem Weinstock gehört es dazu, dass nicht jeder Jahrgang gleich ist. Die äußeren Einflüsse, denen der Weinstock ausgesetzt ist, tragen mit dazu bei, wie sich die Früchte entwickeln. In zwei Richtungen ist das für mich wichtig.
Zum einen im Blick auf mich ganz persönlich. Es gibt gute Zeiten. Zeiten mit vielen fruchtbaren Begegnungen. Zeiten, in denen ich ganz viel aufnehmen kann, viele gute Ideen habe, in denen ich mich voller Saft und Kraft fühle. In solchen Zeiten können auch ganz pralle Früchte wachsen. Da kann ich viel tun, nicht nur für mich, auch für andere. Da fühlt sich das Leben gut und leicht an und mir fällt es leicht, Liebe zu schenken, Vertrauen zu schenken, anderen Menschen Freude am Leben zu vermitteln. Aber es gibt auch die anderen Momente. Zeiten persönlicher Dürre. Zeiten, in denen ich mich ausgebrannt fühle. Zeiten, in denen ich mit mir selbst so viel zu tun habe, dass die ganze Lebensenergie, die aus der Wurzel kommt, gar nicht so richtig in Früchte wandern kann, sondern von mir selbst gebraucht wird. Die Trauben, die Früchte, sind dann nicht prall und süß, sondern klein und manchmal auch herb.
Zum andern gilt das auch in Richtung auf mich als Christ in dieser Welt, auf uns als Gemeinde, als Kirche in dieser Welt. Als Christ leben, Früchte entwickeln, das geht nicht unabhängig von meinem Lebensumfeld. Christliche Gemeinde auf dem Richtsberg sieht anders aus als in der Elisabethkirche. Es war falsch, als vor 100 und mehr Jahren Missionare zum Beispiel aus Deutschland in Afrika forderten, dass Kirche dort ein Abbild der deutschen oder europäischen Kirche sein sollte. Umgekehrt ist es heute genauso falsch, einfach zu sagen, Kirche ist in Afrika oder in den USA besser, wir müssten versuchen, so viel wie möglich zu kopieren. Die Verbindung zum Weinstock, zu Jesus, die Verwurzelung in der Liebe Gottes, die sorgen dafür, dass etwas wächst, dass Früchte entstehen. Aber wie die Früchte genau aussehen, wie sie im Einzelnen schmecken, das ist nicht unabhängig von der Umgebung, in der sie sich entfalten.
Und wie ist das mit den Reben, die der Weingärtner wegschneidet, weil sie keine Frucht bringen? Müssen wir Gott in jedem Herbst unsere tollen Früchte zeigen, damit wir unsere Daseinsberechtigung behalten, damit er uns nicht von der Quelle des Lebens und der Liebe entfernt? „Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun“, das sagt Jesus. Die Frucht, die wir bringen, ist nicht unsere persönliche Leistung, sondern Ausdruck dafür, dass wir mit der Leben spendenden Quelle verbunden sind. Die Frucht wächst von allein. Weil eben sie eben vom Weinstock her mit Leben versorgt wird. In manchem Jahr stärker und schöner als in anderen. Ich verstehe das Bild anders. Nicht ich persönlich muss mir Angst machen, dass Gott mich von der Quelle des Lebens trennt. Aber so wie Reben im Herbst auch zurück geschnitten werden, damit sie im kommenden Jahr wieder Frucht bringen, wird es im Laufe meines Lebens manches geben, was sich von der Quelle des Lebens, von Gottes Leben spendender Liebe, so weit entfernt hat, dass es tot ist und zurück geschnitten werden muss. Und das gilt auch für das, was wir für ein christliches Leben halten oder was wir für die Kirche und Gemeinschaft der Christen als wichtig ansehen. Manches überlebt sich, erweist sich als unfruchtbar. Gott sei Dank sieht Kirche heute nicht mehr so aus wie noch vor 100 Jahren, als der Kaiser nicht nur die Politische macht hatte, sondern auch oberster evangelischer Kirchenführer war. Gott sei Dank ist es mittlerweile klar, dass Judenfeindlichkeit in der Kirche nichts zu suchen hat. Gott sei Dank sind gewaltsame Taufen und Bekehrungen und Unterdrückung von Andersgläubigen in unserer Art, Kirche zu leben, Geschichte. Manchmal ist es doch gut, dass Gott totes, was keine Frucht bringt, abschneidet.
Jubilate - Jubelt! Weil unser Gott ein Gott des Lebens ist. Weil er uns mit sich verbunden hat. Und weil seine Liebe, die dem Leben dient und Leben schafft, auch durch uns Frucht bringt. Jubelt, feiert, genießt die Früchte.
Amen

Keine Kommentare: