Beliebte Posts

Freitag, 30. Januar 2009

Nichts zu sehen? - Letzter Sonntag nach Epiphanias, Reihe I, 01.02.09

Text: Matthäus 17,1-9
Liebe Gemeinde!
Kann man Gott eigentlich sehen? „Wenn ich ihn sehen könnte, dann könnte ich auch an Gott glauben!“ So höre ich es immer wieder von Menschen, die ihre Zweifel haben, zuletzt am Donnerstag im Religionsunterricht der 7. Klasse. Jetzt könnte man natürlich ganz genau sein und sagen: „Wenn du ihn sehen könntest, dann wäre es ja kein Glauben mehr!“ Aber damit ist die Frage ja nicht wirklich beantwortet. Es ist, und das macht es wirklich nicht immer leicht an Gott zu glauben, leider sehr viel einfacher zu sagen, wo man Gott überall nicht sehen kann. In dieser Woche denke ich da an die Konzentrationslager Auschwitz und andere, in denen Menschen wegen ihrer Religion oder ihrer politischen Meinung gequält und vernichtet wurden. Vor 64 Jahren wurden sie befreit und es gibt immer noch Leute, auch unter Menschen, die behaupten an Gott zu glauben, die diese gottlosen Verbrechen verharmlosen, verschweigen, klein reden. Gott ist nicht da, wo Menschen anderen Menschen Gewalt antun oder wo Menschen Gewalt verharmlosen und schönreden. Ich denke an die Brutalität, mit der in Frankenberg letztes Jahr ein junger Mann zum Krüppel geschlagen wurde, ich denke an Kinder, die von ihren Eltern missbraucht werden. Ich denke an zerschossene Häuser in Gaza, an Familien, auch hier aus unserer Nachbarschaft, die dabei Familienangehörige verloren haben. Ich denke an das Gespräch mit einer Frau aus unserem Partnerkirchenkreis Moretele in Südafrika, die sehr eindrücklich erzählt hat, mit wie viel Angst und Misstrauen voreinander man dort oft lebt. Was gottlos ist, das lässt sich ziemlich genau sagen. Aber positiv ganz eindeutig sagen zu können, wo Gott nun ganz eindeutig zu finden ist, das überfordert mich. Mehr als Hinweise wie „Schau doch mal hier!“ wenn Menschen sich unaufgefordert und uneigennützig helfen oder „Denk doch mal darüber nach“ wenn einer nicht zurückschlägt, sondern bereit ist, zu vergeben, kann ich eigentlich nicht geben.
Gott kann man leider nicht wirklich so ganz direkt begegnen, ihn fotografieren und die Begegnung für die Ewigkeit festhalten, so dass man immer wieder, wenn man zweifelt oder wenn andere zweifeln, das herausholen und sich vergewissern könnte. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, um den es auch in dem zugegeben etwas merkwürdigen Predigttext für heute geht.
Wenn man noch mal versucht, das alles ein bisschen auf die Reihe zu kriegen, wovon Matthäus erzählt hat, dann ist da zuerst die Rede davon, dass Jesus mit einigen Jüngern auf einen Berg ging. Das ist kein Zufall. Manchmal, so deute ich das, muss man raus aus dem Alltag, raus aus dem Trott. Auch wenn Gott sicher im Alltag da ist - manchmal brauche ich eben den freien Blick, das Abschalten vom Gewöhnlichen, um frei zu sein, auch etwas Außergewöhnliches wahrnehmen zu können. Dann kann ich das, was ich kenne, was eigentlich Teil meines Alltags ist, in einem neuen Licht sehen. So geht es ja den Jüngern hier mit Jesus. Da wird von einer unbeschreiblichen Lichterfahrung erzählt. Heute würde man leicht sagen: die waren high, stoned, haben was geraucht oder eingeworfen. Aber gerade dann, wenn man in dem, was bisher eher gewöhnlich und normal war, etwas wirklich besonderes entdeckt, redet man ja bis heute von lichten Momenten, davon, dass einem was klar wird, dass einem ein Licht aufgeht, dass man etwas in einem ganz neuen Licht sieht. Und in dem neuen Licht sehen die Jünger, die mit auf dem Berg waren, zwei Gestalten. Es wird immer seltsamer, diese Geschichte, der Verdacht auf Drogenmissbrauch würde sich heute tatsächlich schnell einstellen. Aber man verpasst viel Wichtiges, wenn man solche merkwürdigen Bibelgeschichten gleich abtut. Da sehen die Jünger auf einmal, wie Jesus sich mit Mose und Elia unterhält. Jesu Wurzeln sind im Alten Testament, im Volk Israel. In Jesus findet das, was im Gesetz, auch in den 10 Geboten steht und das, was die Propheten verkündet haben, seine Erfüllung. Die Juden sind nicht unser Unglück, wie manche bis heute behaupten, sondern unsere Wurzel.
Aber viel interessanter als diese symbolische Bedeutung finde ich, dass ausgerechnet bei Mose und Elia die Bibel erzählt, dass sie Gott gesehen haben. Und diese Formen und Erlebnisse sind bis heute wichtig, wenn ich gefragt werde oder mich selbst frage: „Wo und wie kann ich Gott eigentlich sehen?“ Da ist einmal Elia. In einem ganz leichten, kaum wahrzunehmenden Windhauch begegnet ihm Gott. Vorher gab es Sturm, Felsen wurden zerstört, es gab Erdbeben, Feuer, das volle Programm. Und nirgends war Gott. Erst als alles fast schon vorbei schien, da war er da. Um Gott zu begegnen, braucht es Aufmerksamkeit. Nicht das Gewaltige, Vordergründige, Zerstörerische ist der Ort, an dem ich Gott begegne. Nicht die große Show mit sensationellen Effekten. Das macht mir auch die Thomaskirche so sympathisch. Sie ist nicht die Kirche für die große Show.
Und dann Mose. Zwei Begegnungen von ihm mit Gott sind mir bis heute wichtig. Einmal will er Gott sehen. Gott willigt ein, aber Mose kann Gott nur sehen, nachdem er vorübergegangen war. Von hinten. Eigentlich kann ich, eben bis heute, erst hinterher sagen: Ja, das war so ein Erlebnis, da bin ich Gott irgendwie begegnet, da habe ich was über ihn gemerkt und erfahren. Ich kann ihn nicht festhalten, nicht alles sehen und auch nicht im Voraus sagen: hier wirst du Gott begegnen. Ich kann keinem Konfi sagen: bei deiner Konfirmation wirst du dann Gott wirklich erkennen, ich kann keinem Menschen sagen, dass er am 1.2.2009 um 10.37 Uhr im Gottesdienst am Ende meiner Predigt Gott sehen wird. Das macht es ja so schwer, Zweiflern und Suchenden befriedigend antworten zu können. Und Gott ist Mose in einem brennenden Dornbusch erschienen und hat sich da sozusagen selbst erklärt: „Ich werde sein, der ich sein werde“, so hat Gott sich Mose vorgestellt. Ich lasse mich nicht auf Bilder von Menschen festlegen. Ich bin kein geschnitztes Stück Holz, das sich genau beschreiben lässt und das immer für alle gleich aussieht. Sondern ich werde unterschiedlichen Menschen in unterschiedlichen Zeiten immer neu begegnen. Ich werde mich immer wieder neu und überraschend zeigen. Ich bin ganz anders - und bin doch da. Gott versteckt sich nicht im Himmel vor den Menschen und wartet drauf, dass sie sterben und irgendwann zu ihm kommen. Sondern er lässt sich im Leben finden. Aber eben nicht direkt, dafür überraschend, oft genug nachträglich, nicht festzulegen, unvorhersehbar. Dabei wollen wir Menschen doch, wie die Jünger in der Geschichte, gern das, was wir als gut und schön und hilfreich erleben, festhalten. Die Jünger wollen Hütten bauen. Und wir, wir wollen, dass der Augenblick nie vorbeigeht. Wenn ich am Moretelesonntag heute zum Beispiel an die Partnerschaft denke, dann glaube ich, dass diejenigen von uns, die schon mal dort zu Besuch waren, viel auch für den eigenen Glauben mitgenommen haben. Die Zuversicht, die die Menschen dort auch in schweren Zeiten geben, die Unmittelbarkeit, mit der viele ihren Glauben geben, die Selbstverständlichkeit, mit der Gottesdienste gefeiert werden - wer das erlebt hat, möchte das konservieren und behalten.
So wie alle möglichen anderen guten und schönen Erfahrungen auch. Aber nichts im Leben kann ich wirklich festhalten. Auch nicht meinen Glauben. Auch nicht die Momente, in denen ich mich Gott ganz nahe fühle und glaube, alles zu wissen und zu erkennen und einen ganz festen Glauben zu haben. Ich muss zurück in den Alltag. In der Geschichte werden die Hütten nicht gebaut, die Jünger müssen mit Jesus vom Berg wieder absteigen.
Gott, so wird erzählt, bestätigt ihnen gegenüber Jesus als seinen Sohn. Eigentlich nichts Neues. Gerade Petrus hat das kurz vorher Jesus gegenüber so bekannt. Das Erlebte wird nicht als Erfindung und Hirngespinst abgetan, sondern es gibt eben außergewöhnliche Erfahrungen mit Gott. Die den Alltag bereichern, vielleicht auch verändern. Die aber trotzdem immer wieder in den Alltag zurückverweisen. Und die sich nicht herbeizwingen lassen.
Wo kann ich, wo können Johanna oder Denise oder jemand anders Gott sehen? Dort, wo er sich zeigt. Dort, wo wir merken, dass unser Leben in einem neuen Licht gesehen werden kann. Ich kanns nicht zwingen, und selbst dann, wenn ich’s erlebt habe, nicht behalten. Aber ich kann darauf vertrauen, dass auch dadurch Mut, Hoffnung, Kraft und Liebe im Leben, trotz allem Bösen, dass es gibt, stark werden. In meinem Leben.

Amen.

Freitag, 16. Januar 2009

Der Beste zum Schluss! - Predigt 2.Sonntag nach Epiphanias, 18.01.09, Reihe I

Text: Joh 2,1-12

Liebe Gemeinde!
Na denn - Prost! Jesus sorgt dafür, dass die Feier weitergehen kann. Als der Weinnachschub stockt, macht er sozusagen ein neues Fass auf. Für manche ist diese Geschichte schon immer seltsam und anstößig gewesen. Jesus als einer, der feiert, der für Weinnachschub sorgt. Jesus als einer, der ganz offensichtlich Spaß am Leben und der den anderen Spaß am Leben gönnt. Jetzt will ich natürlich nicht sagen, dass man nur mit Alkohol Spaß am Leben hat. Zuviel Alkohol kann ganz viel Schlimmes anrichten. Und er hat in den Weihnachtsferien ja mit dafür gesorgt, dass mitten in unserer Gemeinde Menschenleben vernichtet wurden. Aber wie bei so vielem anderen auch machen’s die Menge und der Gebrauch. Jesus ist jedenfalls offensichtlich einer, der keinen totalen Verzicht predigt. Manche Menschen hat das so verstört, dass sie die Geschichte so ausgelegt haben, dass Jesus ein doppeltes Wunder vollbracht hätte: Wasser in Wein verwandelt und dann auch noch den Wein so verwandelt, dass er nicht betrunken macht. Aber davon ist nicht die Rede. Bester Wein ist rausgekommen. Da, wo Jesus ist, hat man Grund zum Feiern und Spaß am Leben. Auch das steckt in der Bibelgeschichte. Lange her, höre ich manche sagen. Glauben und Spaß, Kirche und Spaß - für viele sind das zwei Welten. In Konfer muss man was Lernen und man muss in die Gottesdienste, in der Schule gibt’s in Reli Noten. Und überhaupt: Glauben hat doch ganz viel mit Geboten und Verboten, mit Regeln zu tun. Und die Gottesdienste sind ja auch nicht immer ein Ort, an dem man gute Musik, die Laune macht, hört. Und die Predigten - und überhaupt die Leute, die in den Gottesdienst gehen - müssten die nicht viel fröhlicher sein? Einer, der mit Gott und dem Glauben gar nichts zu tun haben wollte, hat mal gesagt: „Wenn ich ernsthaft an Gott glauben sollte, dann müssten die Christen viel erlöster aussehen.“ Leider ist die Beobachtung gar nicht so falsch. Ich muss mir selber auch immer wieder die Frage stellen, warum ich es nicht immer schaffe, durch meine Art und mein Leben deutlich zu machen, dass der Glauben an Jesus und die Begegnung mit ihm nichts sind, was einen Menschen in trüben Gedanken und in Verbote und Regeln einsperren will, sondern etwas, was richtig rundherum Spaß macht. Und das gilt nicht nur für mich. Glauben ist nichts Trauriges. Und wer glaubt, hat Spaß am Leben - leider stehen wir Menschen dieser guten Botschaft oft im Weg.

Aber es geht in dieser Geschichte aus dem Johannesevangelium auch um mehr als um die Freude und den Spaß am Leben, den Jesus und die Begegnung mit ihm bringt. Die Geschichte erzählt viel davon, wer Jesus eigentlich wirklich ist. Was merkwürdig ist, ist das kurze Gespräch mit seiner Mutter. Maria weist Jesus darauf hin, dass der Wein alle ist. Scheinbar traut sie ihm zu, dass er, auf welche Art auch immer, die Gastgeber nicht im Stich lässt und für Nachschub sorgen kann. Weil ja doch die meisten Jesus für einen netten Kerl halten, würden sie wohl folgende Antwort erwarten: „Klar Mama, keine Angst, ich kümmere mich drum!“ Eben so, wie ein guter, netter Sohn mit seiner Mutter redet. Und was sagt Jesus? „Was geht’s dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen!“ Was ist denn mit dem los? So redet man doch nicht mit seiner Mutter! Was gerade diese Stelle in der Geschichte deutlich machen will ist, dass in Jesus wirklich Gott selbst den Menschen begegnet. Jesus ist kein netter Mensch, der für alles und jeden Verständnis hat, er ist kein Prophet oder begabter Lehrer. Sondern in ihm begegnet Gott. Jesus weiß, Gott weiß, was nötig ist. Und wenn Jesus, wenn Gott handelt, dann nicht deshalb, weil ein Mensch meint, dass es vielleicht jetzt mal gut sein könnte, das eine oder andere zu machen, sondern deshalb, weil ER es will und weil es jetzt im Moment an der Zeit und richtig ist. Um das alles richtig zu verstehen, muss man sich noch mal die Antwort der Mutter ins Gedächtnis holen. Sie ist nicht böse oder beleidigt und sagt nicht „Bub, wie kannst du mir das antun und vor anderen so mit mir reden?“ Nein, sie sagt zu den Dienern bei der Hochzeit: „Was er euch sagt, das tut!“ Sie hat erkannt, sie hat das Vertrauen, dass er im richtigen Moment das Richtige tut. Für mich ist dieser Teil der Geschichte eigentlich nichts anderes als eine Auslegung des Vaterunsers: Dein Wille geschehe! Es geht nicht darum, dass wir Gott um nichts bitten dürften. Wir können und sollen ihm alles sagen. Es geht darum, Vertrauen zu bekommen, dass Gott das Gute will und dass er zum richtigen Zeitpunkt Gutes tut. Nur dass das, was in unseren Augen gut und richtig ist, nicht immer zu dem passt, das ist oft die Schwierigkeit. Gott ist, auch wenn er in Jesus Mensch geworden ist, nicht der Wunscherfüllungsautomat. Aber er ist der, der für Menschen gutes Leben will. Nicht die Mutter bestimmt, was gut und richtig ist, sondern Jesus, Gott. Das kann sich decken und deckt sich oft genug, so wie hier, aber es muss sich nicht immer decken. Jesus ist kein Zauberer und nicht „The Next Uri Geller“ sondern er ist tatsächlich Gott.

Und in der Geschichte steckt noch mehr. Der Speisemeister, der die Oberaufsicht über alle Speisen und Getränke hat, wundert sich, dass erst zum Schluss der richtig gute Wein ausgeschenkt wird. So lange die Leute noch den Unterschied schmecken, gibt’s das gute Tröpfchen, dann, wenn sie so viel intus haben, dass es sowieso egal ist, das billige Zeug. Als ich noch ein paar Jährchen oder Jahrzehnte jünger war, fand ich gerade diese Stelle aus der Bibel sehr witzig, weil sie so lebensnah war und mancher Partyerfahrung entsprach. Die Bibel ist kein staubtrockenes Buch, das mit dem Leben nichts zu tun hätte. Trotzdem geht es hier ja nicht um die Frage, welcher Wein wann ausgeschenkt werden soll. „Das Beste zum Schluss!“ Das ist der Punkt. Gerade bei Johannes und in seinem Evangelium läuft alles auf das Ende Jesu am Kreuz und den Neuanfang, der darin steckt, hinaus. Und auch diese Weingeschichte ist eben mit dem Motiv, dass der beste Wein am Ende kommt, schon so ein Vorzeichen davon. Jetzt kann man natürlich sagen: „Wieso soll eine Hinrichtung am Kreuz was Gutes sein?“ Der Punkt ist, dass das eben nicht die totale Katastrophe ist, sondern dass sich am Kreuz zeigt, dass Gott wirklich mächtig ist. So stark, dass er durch den Verlust des Lebens neues Leben möglich wird. So stark, dass die Liebe nicht mit dem Tod stirbt, sondern dass deutlich wird: die Liebe bleibt. Nicht nur irgendwie in Gedanken, sondern als Kraft, die Versöhnung stiftet, die Schuld vergibt und Brücken baut. Das Beste zum Schluss - mit dem Tod Jesu ist eben nicht alles aus, fängt nicht das große Weinen und die große Depression an, sondern in diesem Tod liegt der Anfang eines neuen Lebens. Gerade für die Gemeinde, für die Johannes sein Evangelium zusammengestellt hat, war diese Botschaft wichtig. Es lohnt sich, nicht aufzugeben. Verfolgungen und Benachteiligungen, nicht immer lebensbedrohlich, aber doch lebenserschwerend, waren an der Tagesordnung. „Soll ich nicht meinen Glauben aufgeben, damit es mir besser geht? Lohnt es sich denn noch, zu glauben?“ - Das waren die Fragen, vor denen die Menschen standen. Viele verloren den Mut, die Geduld, die Hoffnung und kehrten dem Glauben den Rücken. „Haltet durch! Es lohnt sich! Das Beste kommt noch!“ Das sollten die Menschen damals hören und wissen. Aber eben nicht so, dass sie vertröstet werden auf ein Jenseits, in dem alles besser wird, sondern so, dass sie wissen sollten: Schon in diesem Leben gibt es Grund, zu feiern, zu leben. Nicht nur mit dem Blick auf ein Jenseits oder Nachher. Gerade diese Botschaft ist für mich heute noch oder wieder wichtig. Lohnt es sich denn überhaupt noch, an Gott, an Jesus zu glauben? Geht es mir nicht besser, wenn ich mir die Kirchensteuer spare, wenn ich nicht mehr in die Gottesdienste gehe, wenn ich nicht mehr drüber nachdenken muss, warum ausgerechnet in dem Land und in der Weltgegend, in der Jesus gelebt hat, Palästinenser und Israelis nicht in Frieden zueinander finden können? Wenn ich nicht mehr darüber nachdenken muss, warum Menschen, die für sich in Anspruch nehmen, Christen zu sein, Kriege im Irak begonnen haben, warum auch Christen in politisch oder wirtschaftlich verantwortlicher Position sich schwer damit tun, auch Armen ein würdiges Leben zu ermöglichen? Es lohnt sich, nach der Hoffnung zu fragen, da zu bleiben. Nicht, weil am Ende der gute Wein kommt und in ferner Zukunft alles besser wird, sondern weil schon jetzt, so, wie in der Geschichte, immer wieder erkennbar ist, dass es mehr gibt als das Negative. Wenn wir mit offenen Sinnen leben und uns, wie die Diener in der Geschichte, wie der Speisemeister in der Geschichte, einfach mal drauf einlassen, hinzuhören, mitzumachen, zu glauben, auch wenn wir nicht alles verstehen.

Jetzt war die Predigt wieder lang und es gab auch wenig Grund, zu lachen. Und Wein gab’s auch keinen. Spaß am Leben, Spaß am Glauben - das zu finden ist, glaube ich, gar keine Sache der großen Worte. Und auch wenn ich es schaffen würde, die besten Witze in der Predigt zu erzählen - die Wirkung wäre ja dann doch blad vorbei. Ich glaube, wir brauchen auch nicht drauf zu warten, dass andere uns erzählen, was Spaß ist, wie Leben Grund zum feiern sein und haben kann. Sondern dass wir, wie Jesus bei der Hochzeit, einfach mitfeiern. Und leben. Und dabei merken, wie viel Spaß es macht, eine Hoffnung zu haben und der Liebe Vertrauen zu können. Mit oder ohne Wein.

Amen.

Dienstag, 13. Januar 2009

Sternsucher - Epiphanias 2009, Reihe I

Gehalten am 11.01.09. 1. n. Ep., Text: Matthäus 2,1-12

in Verbindung mit dem Bild "Die Heiligen Drei Könige" von Beate Heinen

Liebe Gemeinde!

Der Stern bleibt stehen. Hier muss es sein. Hier ist der Ort, an dem Gott in dieser Welt sichtbar wird. Auch für die, die aus anderen Ländern kommen, die Gott gar nicht kennen, an einen anderen Gott oder andere Götter glauben. Hier ist der Ort, an dem auch ganz kluge Menschen einfach nur staunen und beten können. Hier. Mitten in der Stadt. zwischen Cola- und Whisky-Werbung, zwischen dem Autoverkehr und Menschen, die über Bürgersteige hetzen oder ins Restaurant zu einem guten Abendessen wollen. Hier, wo alles an Geschäft und Hektik, an Nachtleben erinnert und nichts Beschauliches hat. Hier steht der Stern still. Zumindest auf dem Bild der Künstlerin Beate Heinen. Die Geschichte der Heiligen Drei Könige, oder, etwas richtiger gesagt: der Drei Weisen aus dem Morgenland, gehört zu den Bibelgeschichten, die neben der Weihnachtsgeschichte selbst am Bekanntesten sind. Kluge Menschen, Wissenschaftler, die Gott gar nicht kennen, machen sich aus ihrer Heimat, vermutlich dem Gebiet des heutigen Irak oder Iran, auf und suchen einen neugeborenen König. Sie haben nichts als einen ungewöhnlichen Stern als Wegweiser, aber dem vertrauen sie. Natürlich suchen sie zuerst im Palast in der Hauptstadt. Der eifersüchtige und hinterlistige König weiß natürlich von nichts, möchte aber einen möglichen Konkurrenten ausschalten. Fies, wie er sie als Spione missbrauchen will. Sie finden den Weg, auch mit Hilfe des Sterns, und finden den König, den sie suchen, eben nicht im Palast, sondern in einem Stall in Bethlehem. Kostbare Geschenke machen sie ihm und auf dem Rückweg meiden sie den hinterlistigen Herodes. So weit, so bekannt. Eine schöne Episode, die sich Kindern hübsch erzählen lässt. Die aber, gerade weil sie so leicht und gut vorstellbar ist, leider auch viel zu schnell an einem vorbeirauscht. Kenn ich schon, weiß schon was passiert, weiter geht’s. Dabei lohnt es sich, sich wie die drei Weisen mal Zeit zu nehmen, hinzuschauen, was da eigentlich passiert ist und nicht gleich weiterzugehen. In die nächste Arbeitswoche, zur nächsten Bibelgeschichte oder was auch immer.

Schon mit dem Namen des Tages, der diese Geschichte in den Mittelpunkt stellt, fängt es an. Ich hab mich früher immer geärgert, dass wir Evangelischen oft so kompliziert sind. Bei den Katholiken heißt dieser Tag schlicht „Dreikönigstag“. Da weiß man, was los ist. Bei uns Evangelischen heißt er Epiphanias. Fremdwort, kompliziert. Übersetzt heißt das aber: „Sich zeigen, in Erscheinung treten“. Und darauf kommt’s mir heute bei der Geschichte an. Das Wichtige ist nicht, dass da drei Leute waren oder was die so waren, sondern dass Gott sich Menschen zeigen will. Menschen, die ihn gar nicht kennen, Menschen aus anderen Ländern. Das Gott sich nicht versteckt, dass er sich finden lässt. Dass Gott sich aber nicht so zeigt, wie man ihn erwartet, sondern dass er dort, wo er erscheint und sich zeigt, Überraschungen bereithält. Und deshalb finde ich auch das Bild so schön. Wo könnte heute der Stern stehen bleiben?

Vielleicht über dem Richtsberg? Über der 1 oder der 17, den ganz großen Häusern? Über der 88 oder dem Christian-Wolff-Haus mit den vielen Menschen aus aller Herren Länder? Über St. Jakob? Über dem Kindergarten in der Berliner Str.? Über dem Gertrudisheim? Über einem der großen Blocks in der Sudetenstr.? Über einem Haus im Pommernweg oder der Erfurter Str.? Oder vielleicht doch über einer der Kneipen oder dem russischen Supermarkt in der Friedrich-Ebert-Str.? Ich weiß es nicht. Anders als die Weisen damals haben wir keinen großen Stern, der uns den Weg weisen würde. Aber vielleicht gilt ja heute wie damals, dass Gott sich dort offenbart, dass er dort spürbar und sichtbar wird, wo man ihn nicht unbedingt vermutet. Vielleicht kommt es darauf an, wie die drei Weisen zu werden. Zeichen wahrzunehmen, dass etwas geschieht. Den Mut haben, aufzubrechen, Neues sehen zu wollen und dabei das richtig zu deuten, was es zu sehen gibt. Es geht nicht darum, irgendetwas schön zu reden. Hier auf dem Richtsberg gibt es sehr vieles, das nicht in Ordnung ist. Es gibt Gewalt, es gibt Armut, es gibt Gleichgültigkeit, es gibt menschliche Kälte und jede Menge Menschen, die von einem Glauben an Gott überhaupt nichts wissen wollen. Und es bringt gar nichts, immer wieder zu betonen, dass es das auch anderswo gibt, manches sogar vielleicht extremer. Schlechtes wird nicht dadurch gut, dass es anderswo auch vorkommt. Eine böse Tat ist nicht dadurch zu rechtfertigen, dass andere sie auch tun. Sie bleibt böse. Das Schlechte bleibt schlecht. Die Stadt auf dem Bild, sie ist ja auch keine ideale Stadt. Offensichtlich gibt es viel Anonymität, offensichtlich steht Werbung, Kommerz, Geschäfte machen im Vordergrund. Aber das Gute, die Liebe, die Wärme, die Gegenwart Gottes wird erst dadurch erkennbar, dass es anders ist als das Schlechte, Böse, Lieblose. Wenn Schlechtes nicht schlecht sein darf, kann Gutes nicht gut sein. Den Stern, der auf Gottes Gegenwart im Leben verweist, erkenne ich ja dadurch, dass er sich von den Werbelichtern abhebt. Wichtig ist, dass ich offen bin, so wie die drei Weisen, und Gott zutraue, in jeder Wirklichkeit, auch in der, die gar nicht meinen Vorstellungen von dem, was majestätisch oder schön ist, da zu sein. Und so ist auch der Richtsberg weder gottverlassen noch gottlos und der Stern würde vielleicht tatsächlich hier stehen bleiben. Wo? Schauen sie sich doch mal um! Ich muss zum Beispiel immer wieder einmal an ein Gespräch mit Schülern denken. Fünfzehnjährigen, die oft hart und wenig liebevoll von anderen reden, mit Ausdrücken, die mir völlig gegen den Strich gehen. Mit sehr deutlichen und harten Worten haben sie von einer älteren Frau erzählt, die sie aus vielen Gründen unmöglich und eklig finden, unter anderem deshalb, weil sie extrem ungepflegt ist. Ich hätte das mit anderen Worten gesagt, konnte sie aber verstehen. Und im gleichen Atemzug haben sie erzählt, wie sie ihr vom Bus in die Wohnung geholfen haben, weil sie in dem Augenblick total verwirrt und noch hilfloser als sonst war und die Einkaufstaschen haben sie auch ausgeräumt. Der Stern strahlt heute leider nicht mehr so hell wie in Bethlehem und manchmal ist das, auf das er strahlt, auch nicht so eindeutig zu erkennen. Aber es ist da.

Vielleicht ist auch die Frage, wo Gott und seine Liebe zu finden sind, gar nicht die einzig wichtige. Vielleicht ist auch die Frage: „Wer sind eigentlich heute die drei Weisen?“ gar nicht so abwegig. Klar, jeder der sich aufmacht, Gott zu suchen kann zu einem solchen Weisen werden. Aber wenn wir ernst nehmen, dass diese drei nach damaligen Maßstäben Wissenschaftler waren und noch dazu aus einem fremden Land kamen und an Gott gar nicht glaubten - ich denke, dann sollten wir heute viel vorsichtiger sein, wenn es darum geht, das Verhältnis von Glauben und Vernunft, von Glauben und Wissenschaft zu beschreiben. Es wird oft so getan, als seien das totale Gegensätze. Von beiden Seiten. Aber ein Glaube, der meint, sich von der Vernunft verabschieden zu können, wird zur gefährlichen Ideologie, die nicht mehr befragt werden darf. Und eine Wissenschaft, die meint, nur sich selbst sehen zu müssen, die sich selbst genug ist, steht in Gefahr, zur menschenverachtenden Technik zu werden, einer Gesellschaft Vorschub zu leisten, in der alle, die nicht dem Ideal von Nützlichkeit und Gewinnmaximierung genügen, fehl am Platz sind. Menschen, die beides zusammensehen können: Wissenschaftler, die sich nicht vor Anfragen des Glaubens und der Verantwortung für das Leben und Zusammenleben drücken, Glaubende, die sich Fragen stellen und öffnen, die nicht verbohrt auf ihren Standpunkten beharren und sich dabei fälschlicherweise auf Gott glauben berufen zu können, auch das sind für mich die Nachfolger der Drei Weisen aus dem Morgenland. Menschen, die über ihre eigenen Grenzen hinausschauen können.

Und hier taucht auch die Frage auf, wer der moderne Herodes ist. Der, der aus Angst die Liebe Gottes vernichten will. Für mich sind das heute der Fundamentalismus, auch der christliche, der lieblos ist, weil er, anders als Jesus Christus, dem anderen keine Chance lässt. Weil sich hier Menschen in ihrer Auslegung des Glaubens an Gottes Stelle setzen und dem lebendigen Geist Gottes weniger zutrauen als ihren kleinen, begrenzten Ansichten. Und es ist die Gleichgültigkeit. Die Gleichgültigkeit von Wissenschaftlern und Politikern über die Folgen ihres Handelns. Die ganz große Gleichgültigkeit von so vielen in unserer Gesellschaft, die sich, egal wo sie stehen, egal, wie arm oder reich sie sind, selbst genug sind. Die zu faul sind zu denken, die nur ihren eigenen Vorteil sehen und wollen.

So wie wir den Stern heute an vielen Orten finden könnten, könnten wir auch die Weisen und Herodes an vielen Orten finden.

Wer sind wir in dieser Geschichte? Wer bin ich? Vermutlich lässt sich das gar nicht so ein für allemal festlegen. Gebe Gott, dass wir Suchende sein oder werden und bleiben können, dass wir auch dort, wo wir es nicht vermuten, Gott und seine Liebe finden, dass wir aber auch den mut behalten, uns nicht damit zufrieden zu geben und stehenzubleiben, sondern wie die Sternsucher in der alten Geschichte immer wieder ins Leben aufbrechen.

Amen.