Beliebte Posts

Freitag, 31. Oktober 2008

Glücklich ist, wer... - 24. Sonntag nach Trinitatis 2.11.08

Text: Kohelet 3,1-14
Liebe Gemeinde!

Sind sie, seid ihr, wirklich glücklich? Vergangene Woche habe ich in viele glückliche Gesichter schauen können. Am Dienstag in die Gesichter von Menschen, die nach drei Wochen in Afrika gesund wieder gekommen sind, in die glücklichen Gesichter der Ehemänner, Freunde, Verwandten, die sie nach drei Wochen wieder gesehen haben. Am Donnerstag und Freitag in die glücklichen Gesichter von Schülerinnen und Schülern, die ihre Projektprüfung gut bestanden haben. Wenigstens per Foto in das Gesicht einer glücklichen Freundin, die frisch verliebt ist. Und auch sonst bin ich nicht nur traurigen Menschen begegnet. Ist das Glück? Gesund liebe Menschen wieder zu sehen? Eine schöne Reise zu machen? Verliebt zu sein? Prüfungen gut zu bestehen? Ja, ganz sicher. Das alles und noch viel mehr. Glücklich sein zu können ist eine wunderbare Erfahrung. Aber mit dieser Art von Glück ist es so eine Sache. Wenn nur dieses Dauerhoch da ist, nutzt es sich ab. Wer nie die Erfahrung gemacht hat, wie schlimm es ist, krank zu sein oder einen schwer kranken Menschen begleiten zu müssen, bei dem stellt sich oft das Gefühl ein: Es ist doch selbstverständlich, dass ich gesund bin! Das ist mein gutes Recht, und wenn es mal anders kommt, ist es eine Katastrophe. Wer nie eine Enttäuschung erlebt hat, weiß oft nicht, wie schön es ist, lieben zu können, geliebt zu werden und verliebt zu sein. Wer nie für eine Prüfung hart arbeiten musste, sich dafür in seinem normalen Leben einschränken musste, der kann, glaube ich, kaum verstehen, was für ein tolles Gefühl das ist, bestanden zu haben. Ich will nicht sagen, dass Glück das Unglück braucht. Aber um Glück erleben zu können brauche ich das Bewusstsein, dass es auch anders sein kann und das nichts im Leben wirklich selbstverständlich und für immer ist.

Deshalb erzählt für mich gerade dieses Stück aus dem Buch des Predigers Salomo, das wir eben gehört haben, vom wahren Glück. - Am liebsten wäre mir, wenn jetzt Leute aufspringen würden, Jugendliche und Erwachsene, und sich beschweren würden: „Wie können sie denn das sagen? Krieg, zerreißen, weinen, klagen, trauern, abbrechen, streiten, verlieren, hassen - wo ist denn das Glück?“ Weil aber die meisten jedoch so erzogen sind, dass man im Gottesdienst sitzen bleibt und höchstens mal mit dem Nachbarn schwätzt, aber nicht laut vor allen seine Meinung sagt, muss ich die Frage selber stellen. Was hat denn das mit Glück zu tun? Erstmal wirklich gar nichts. Hass, Tod, Krieg, Trauer sind das Gegenteil von Glück. Da gibt es nichts zu rütteln. Aber sie sind Teil des Lebens. Natürlich kann ich die Augen davor zu machen, das alles ausblenden und nicht wahrhaben wollen. Aber solche Lebenslügen ma­chen nicht glücklich. Im Gegenteil. Je mehr ich meine Kraft darauf verschwenden muss, wegzusehen und Unangenehmes zu verdrängen, desto verkrampfter werde ich. Glück verträgt keinen Krampf. Zum Glück gehört es, unbeschwert sein und unbeschwert genießen zu können. Es wäre jetzt ein Missverständnis, die Worte aus der Bibel so zu verstehen, dass ich dann ein leidensloser und leidenschaftsloser Mensch werden müsste, vielleicht in einem buddhistischen Sinn, jemand, der alles einfach so hinnehmen kann ohne zu fragen und sich in den großen Weltstrom einfach irgendwie einreiht. Es geht darum, nicht leidenschaftslos das Leben hinnehmen, sondern sich am Leben wirklich freuen zu können: Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes. Also heißt das vielleicht, sich wie so manche hier auf dem Richtsberg vors Edeka, vors Rewe oder zum Schaukasten an der Kirche zu setzen und schon früh morgens den Tag mit ein paar Fläschchen Oettinger Pils zu begrüßen und einfach so in den Tag zu leben? Denn es steht ja auch noch in diesen Versen aus der Bibel, dass die Arbeit eine Plage sei. Wozu also überhaupt arbeiten? Mal abgesehen von der Frage, ob diese Männer und Frauen damit wirklich glücklich sind, wäre es auch sonst ein Missverständnis, als Anleitung zum Nichtstun zu lesen. Es geht darum, Lebensfreude und Glück auch darin zu erfahren, dass ich gelassen leben kann. Für mich drückt sich der Sinn der Worte aus dem Buch Kohelet, Prediger Salomo, sehr gut in einem Gebet aus. „Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Gott gebe mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und Gott gebe mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ Glück ist weder ein leidensloses und leidenschaftsloses Leben noch ein bloßes Hinnehmen von allem, was gerade kommt. Sondern Glück ist es, in der Zeit, die Gott schenkt, wirklich leben zu können, gelassen auch mit dem umgehen zu können, was an Niederlagen und traurigen Erfahrungen da ist. Glück ist, wirklich leben zu können und nicht mit aller Kraft ein unre­alistisches Traumbild zu verfolgen. Dabei würde ich nur scheitern. Deshalb lässt sich das, was ich eben in dem Ge­bet, das, wie der Bibeltext, den ich vorgelesen habe, zu meinen absoluten Lieblingsstücken im Glauben gehört, ei­gentlich auch noch kürzer sagen: „Dein Wille geschehe!“ So, wie wir es im Vaterunser immer wieder beten. Gottes Wille ist es sicher nicht, dass wir Menschen uns kaputt ar­beiten und darüber das Leben vergessen. Diese Einsicht betont der Prediger Salomo zu Recht. Arbeiten zu können gehört sicher zur Würde des Menschen. Aber keine Arbeit der Welt, egal wie sonnvoll oder wie gut bezahlt sie ist, ga­rantiert mir ewiges Glück oder Lebenssinn. Aber Gottes Willen ist auch nicht, dass wir alles einfach nur hinnehmen und die Hände in den Schoß legen. Er hat alles schön ge­macht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende. Die Ewigkeit, die in unser Herz gelegt ist, mit anderen Worten: die Ahnung davon, dass das, was wir zu kennen glauben, nicht alles ist, das ist ein ganz entscheidender Antrieb für unser menschliches Handeln. Und für unser Glücksgefühl. Vielleicht kann man ja sagen, dass Glück bedeutet, einen Zipfel der Ewigkeit zu haben. Wir haben unsere Grenzen, wir werden auch nie die Welt und das Leben bis ins Allerletzte ergründen. Und trotzdem können wir fragen und ahnen und glauben und denken, dass es mehr und anderes gibt. Im Bewusstsein, nicht ans Ende kommen zu müssen und nichts Perfektes abliefern zu müssen, können wir dieser Ahnung folgen und leben, handeln, denken, in Frage stellen, zweifeln, hoffen. Getrieben von der Ahnung, dass da noch was geht. Gehalten von der Gelassenheit, dass Gott mich leben lässt. In meinem oft vieldeutigen Alltag und mir schon in diesem Alltag Momente des glücklichen Lebens erschließt. Glück hat etwas damit zu tun, für einen Moment, einen Augenblick einstimmen zu können in das, was uns sonst oft weit weg, übergroß oder einfach nur rätselhaft erscheint und in der Sprache der Kirche Gottes Wille genannt wird. Für mich haben auch die Reformation der Kirche, Martin Luther und seine Zeit- und Weggenossen sehr viel damit zu tun. Auch wenn sie das nie Glück genannt haben. In seinem Leben hat er Momente gehabt, in denen er Wahrheit unds Wahrhaftigkeit als Glück erlebt hat. Und das war Antrieb genug, weiter zu machen, auch in schweren Zeiten, und dabei trotz allem guten Mut zu behalten, sich an Essen und Trinken freuen zu können, weil er sich aufgehoben wusste und sich sicher war, dass alle Zeit, auch die Zeit, in der Gott ganz fern zu sein scheint, von Gott gefüllte Zeit ist. Gebe Gott uns Gelassenheit, Mut, Weisheit, damit wir leben - in der Zeit, die uns gegeben ist. Und damit wir dieses Leben immer wieder auch als Glück erfahren können.

Amen.

Samstag, 4. Oktober 2008

Wasser statt Wein - Erntedankfest 2008

Predigt in Anlehnung an die Lesung 2. Korinther 9,6-12

Es war einmal ein Mann, der wollte gern ein großes Fest feiern. Er ging und lud viele Leute ein.

Hey, habt ihr Lust, nächstes Wochenende zu meiner Party zu kommen? Ich hab einfach mal wieder Lust, mit netten Leuten zu feiern. Ich bin einfach froh, dass es euch gibt. Ich kümmere mich ums Essen und die Musik. Wäre nur toll, wenn ihr was Gutes zu trinken mitbringt. Ne schöne Flasche Wein von jedem, das wäre am Besten, geht das? Die schütten wir dann zusammen in einen großen Topf, und dann kann sich keiner beschweren, sondern wenn jeder was Gutes mitbringt, kriegt auch jeder was Gutes!

Spr. 1: Super Idee! Klar, ich komme.

Spr. 2: Ich bring natürlich auch nen guten Tropfen mit!

Spr. 3: Auf mich kannst du dich natürlich verlassen!

Spr. 4: Ist doch logisch, da bin ich dabei!

Und dann kam der Tag des Festes.

Spr. 1: Hallo, hier bin ich. Ich hab was mitgebracht, ich schütte es mal schnell rein!

Spr 2: Grüß dich, wo kann ich den denn reinschütten? Ach da!

Spr 3: Ach hier, ich hab was Gutes dabei!

Spr 4: Und von mir gibt’s natürlich auch was richtig Gutes!

(Jeder der 4 schüttet eine Flasche in den Topf. Als alle da waren, wollte der Mann mit allen anstoßen. Er gab jedem einen Becher mit dem Wein aus dem Topf. Aber was war passiert? Verschiedene probieren lassen, es ist nur Wasser und kein Wein

So was passiert, wenn jeder denkt: Ach, die anderen werden schon was Gutes mitbringen, auf mich kommt es nicht an! Ich kann sparen und mich auf Kosten der anderen amüsieren! Am Ende hat keiner etwas davon, wenn jeder nur an sich selber denkt. Am Dienstag habe ich mit den Konfis ein kleines Experiment gemacht. Jeder hat ein bisschen Geld bekommen und die Aufforderung, sich mal zu überlegen, wem er gern eine Freude machen würde, bei wem er sich vielleicht gern bedanken würde und eine Kleinigkeit dafür zu besorgen und dann noch eine „Dankeschönkarte“ zu schreiben. Das Ergebnis ist auch hier auf dem Altar zu sehen. Natürlich hat niemand Äpfel oder anderes Obst gekauft. Schokolade, Deo, Kaugummi und anderes mehr gab es. Was mir aufgefallen ist, war die Reaktion der Jugendlichen. Nur zwei oder drei haben tatsächlich „Danke“ gesagt, als sie das Geld bekommen haben und nur zwei haben auch tatsächlich etwas für andere gekauft. Die anderen wollten lieber sich selbst eine Freude machen oder sind das Ganze so angegangen, dass sie sich abgesprochen haben und sich gegenseitig das, was sie gerade wollten, gekauft haben. Ich habe das Experiment nicht deshalb gemacht, weil ich die Jugendlichen vorführen wollte und auch nicht deshalb, weil ich schon wusste, was rauskommt. Ich hatte eigentlich mit einem etwas anderen Ergebnis gerechnet und nicht damit, dass das Gleiche herauskommt wie in der kurzen Geschichte eben.

Ich glaube auch nicht, dass die Jugendlichen schlechter sind als Erwachsene. Vielleicht ehrlicher. Vielleicht hätten sich, wenn ich das Experiment mit Erwachsenen gemacht hätte, viele nur nicht getraut, was für sich zu kaufen, obwohl sie es gern getan hätten. Woran liegt es, dass es heute vielen so schwer fällt, einfach mal „Danke“ zu sagen? Vielleicht liegt es daran, dass viele Menschen heute denken: „Die anderen haben viel mehr als ich, ich brauche noch mehr und bis ich nicht das Gleiche wie die, die mehr haben, habe ich es verdient, was umsonst zu kriegen!“ Erwachsene, Jugendliche und Kinder kennen glaube ich das Gefühl gut, zu kurz zu kommen. Und es wird einem ja auch immer und überall gesagt: Du musst sehen, dass du mehr bekommst. du bist dann was wert, wenn du viel hast.

Ich finde, es tut gut, mal wirklich zurückzuschrauben und auf das Wesentliche zu schauen und sagen zu können: Danke, dass ich da bin. Danke, dass es mich gibt und dass ich leben kann. Dafür stehen Wasser und Brot auf dem Altar. Für das, ohne dass es wirklich nicht geht. Und das sind eben, neben Wasser und Brot, auch Sachen wie Liebe, Kleidung, ein Ort, an dem ich sicher wohnen kann, ein Mensch, auf den ich mich verlassen kann. Eine Arbeit, von der ich leben kann. Wo etwas davon fehlt, da fällt es einfach schwer „Danke“ zu sagen. Und deshalb finde ich es auch nicht schlimm, dass bei den Konfirmanden doch viele erst einmal an sich gedacht haben. Klar, vielleicht ist das ein Zeichen von Egoismus. Vielleicht heißt es aber auch: Im Moment fehlt mir etwas ganz Wichtiges in meinem Leben. Vielleicht materiell, vielleicht aber auch menschlich.

Paulus schreibt ganz wichtige Dinge in der Bibel. Natascha hat es eben vorgelesen. Niemand soll aus Zwang etwas spenden oder abgeben und es soll ihm nicht Leid tun. „Gott liebt fröhliche Geber!“ So steht es da. Ja, das finde ich gerade zum Erntedankfest wichtig. Danken und Schenken und Spenden darf nicht zum Zwang werden und ich darf anderen kein schlechtes Gewissen machen. Wer sich selbst mag, wer sich über sich und sein Leben freuen kann, der kann andere anstecken und anderen Gutes tun. Macht die Menschen froh! So ähnlich hat es Elisabeth von Thüringen gesagt. Ja, das ist meine Aufgabe als Pfarrer, unsere Aufgabe als Gemeinde, Menschen dabei zu helfen, froh zu werden. Deshalb kann ich jetzt auch meinen Konfis sagen: Genießt das, was ihr euch selbst geschenkt habt. Und wenn’s euch mal richtig gut geht: vielleicht fallen euch ja dann andere ein, denen ihr was Gutes tun könnt. Da habe ich eigentlich schon gute Hoffnung.

Und noch was anderes steht da bei Paulus: „Wer mit vollen Händen sät, der wird reichlich ernten!“ Wenn ich Angst habe, nichts zurückzukriegen bei dem, was ich gebe, wenn ich deshalb geizig werde - es lohnt sich nicht. Es ist wie im Garten oder auf dem Feld: Wenn ich reichlich säe, wird auch viel aufgehen. Je mehr Freude am Leben ich teile, desto größer wird die Freude.

Ich wünsche uns allen, dass wir das so sehen können. Dass wir am Erntedankfest zuallererst sagen können: „Danke, Gott, dass es mich gibt und ich leben darf“. Und dass wir nicht nur zum Erntedankfest jede Menge Grund finden, uns über das Leben zu freuen und mit unserer Freude andere anzustecken. Durch Lachen, Zeit, Zuwendung und manchmal sicher auch Geschenke oder Spenden. Dann, wenn uns danach ist. Weil wir wissen: wir verlieren nichts. Wir sind was. Gott sei Dank. Amen