Meine letzte Predigt als Pfarrer auf dem Richtsberg
Liebe
Gemeinde!
Ich
möchte jetzt mal drei starke Männer und drei starke Frauen hier vorne bei mir
haben. (Falls tatsächlich Leute nach vorn
kommen: einfach mal fragen, warum sie gekommen sind; falls nicht: Traut sich
keiner? War die Frage zu stark und ihr seid zu schwach? Kommen in den
Gottesdienst nur schwache Gestalten? Okay, mal im Ernst: Vielleicht denken ein
paar: eigentlich könnte ich schon gehen, aber ich will ja nicht vor so vielen
Leuten als Macker da stehen oder als Angeber-Tussi. Und möglicherweise denken
ganz viele: Ach, ich doch nicht, ich bin doch nicht stark, da gibt’s doch ganz
andere. Und manche sind vielleicht zu faul aufzustehen. Man sitzt ja gerade so
bequem. Und ich glaube auch, dass viele denken: Was heißt das eigentlich, stark
sein? Bin ich das?)
Bei
Männern geht das oft über Körperkraft oder die Fähigkeit, seinen Willen
durchzusetzen. Das sind starke Typen. Manchmal vielleicht auch die, die
ordentlich was vertragen, beim Trinken oder bei Pöbeleien. Wer viel Schlucken
und gut austeilen kann, den halten viele für stark. Bei Frauen sind das
manchmal die, die einen super bezahlten Job haben, immer absolut begehrenswert
aussehen, gut gestylt, und dazu noch eine Familie mit vier Kindern managen. Oder
manchmal auch durchaus kräftige Frauen, die aber mit Humor und
Durchsetzungskraft was zeigen. Fitnessstudio, Muskeln, Erfolge, vielleicht auch
noch Top-Stimme, musikalisch, durch nichts aus der Ruhe zu bringen, egal ob bei
Männer oder Frauen: das ist stark. Und so sollen wir jetzt auch alle werden.
Stärkt euch! Haben wir gerade aus der Bibel gehört. Also: ihr seid jetzt
sozusagen in der geistlichen Muckibude, damit euch der Alltag nichts anhaben
kann, damit ihr fit seid für… - ja, für was eigentlich?
Natürlich
für’s Leben, für was denn sonst?! Aber was heißt das denn? Ich glaube nicht,
dass echte Stärke an solchen Äußerlichkeiten wie tollen Muskeln oder einer nach
Medienmaßstäben perfekten Figur auch nach dem dritten Kind abzulesen ist.
Selbst am dicken Bankkonto und schönen Haus und ich glaube auch noch nicht mal
an der Menge der Freunde und Bekannten lässt sich wahre Stärke ablesen.
Wirklich stark ist der, der Schwäche nicht verstecken muss. Und das liebe ich
an Gott, an Jesus, an der Bibel, dass es da nicht um irgendwelche absurden Superhelden
geht, nicht um die Gesetze des Marktes, sondern um echtes Leben, das auch seine
Macken hat. Der, der Schwäche zulassen kann, ist am Ende der, der das Leben
gewinnt. So, wie es bei Jesus ist. Der kannte das Gefühl, am Ende zu sein. Der
lief auch vor dem Sterben nicht weg, der hat sich nicht aus dem Leben rausgezaubert,
sondern der lebt mit allen Konsequenzen, auch mit der Schwäche und dem Tod –
und hat alles gewonnen. Liebe, die stärker als der Tod ist. Leben, das den ins
Recht setzt, dem andere Unrecht tun. Leben auch für die, die sich selbst für zu
schwach, zu klein, zu dumm halten. Stark ist der, der die Schwächen nicht
verstecken muss. Macht die erschlafften
Hände und die erlahmten Knie wieder stark!
Das rechnet ja schon mit Momenten der Schwäche. Auch im Glauben an Gott.
Habt keine Angst davor! Weder bei euch noch bei anderen! Ich find‘s schön, was
hier steht. Ihr müsst nicht die sein,
die immer strahlen. Ermutigt euch. Lasst keinen zurück! Achtet auf die, die
nicht mitkommen! Sich selbst und andere stark machen! Für mich ist das eine der
schönsten Beschreibungen dafür, was der Glauben an Gott eigentlich in diesem
Leben, im Alltag, in dieser Welt soll. Ich habe in den knapp sechseinhalb Jahren
als Pfarrer auf dem Richtsberg davon viel erlebt. Von dem, was es heißt,
gestärkt zu werden. Nur ein paar Highlights aus meiner geistlichen Muckibude:
die Seniorennachmittage. Meistens kamen gar nicht viele Leute zusammen. Wenn es
nach der Marktlogik geht, eigentlich viel zu wenig Leute für den Aufwand. Aber
ich fand es beeindruckend, wie Menschen, die ihr Kind oder ihren Ehepartner
verloren haben, gerade hier wieder Mut gefasst haben. Das hat auch mir Kraft
gegeben. Ich durfte Gott hier bei der Arbeit zugucken. Ganz