Text: Johannes 14,1+2
Musik einspielen, HipHop: dann „Mach doch mal die Musik leiser, was sollen denn die Nachbarn denken!“ – „Ist mir doch egal!“ Dann was Orientalisches: „Boaah wieder die aus dem 3. Stock mit ihrer arabischen Eierkochermusik, ich halt‘s nicht aus, ich hol gleich die Polizei!“ Dann Volksmusik: „Die Frau Schulze soll sich gefälligst mal Kopfhörer zulegen, wenn sie mit ihren 90 nicht mehr gut hört, das ist ja nicht mehr zum Aushalten!“Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern, Paten, Großeltern, Verwandte und Freunde, liebe Gemeinde!
Es ist nicht einfach wenn viele verschiedene Menschen zusammenleben. Und es gibt ja noch viel mehr Streitpunkte: der Müll, das Putzen, die Gerüche beim Kochen und, und, und. Oder auch die Geschwister, die nerven und einem keinen Platz lassen, die Eltern, die andere Vorstellungen von Ordnung haben und die Augen verdrehen, wenn sie die kreative Raumgestaltung der Kinder sehen oder, oder, oder. Jeder kann wahrscheinlich eine ganze Menge Erfahrungen beitragen. Und je nachdem, wie man wohnt, sind die Träume dann schnell da: wenigstens ein eigenes Zimmer, das ich für mich habe, wo ich die Tür zumachen kann und keine Geschwister nerven. Endlich eine eigene Wohnung, wo die Eltern nicht mehr reinreden. Oder ein eigenes Häuschen, in dem man die Geräusche und Gerüche der Nachbarn nicht mehr so mitbekommt. Ein Stück persönlicher, ganz privater Himmel! Da passt alles, da ist es fast perfekt.
Ein Stück Himmel! Ja. Ein Stück Himmel ist auch auf den Gottesdienstblättern heute drauf. „Was, das ist doch der Richtsberg!“ werden jetzt vielleicht manche denken. Ja, das ist der Richtsberg. Und auch noch eine Ansicht, auf der man ganz besonders die Hochhäuser mit ihren vielen Wohnungen sieht. Und viele wissen oder können sich ausmalen, was da alles ist: Neben vielen netten Men-schen auch unglaublich anstrengende Leute. Leute, die mittags schon besoffen auf dem Marktplatz oder vor der Kirche sitzen. Jugendliche, die auch mal kriminelle
Sa-chen machen. Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen oder schlagen. Alte Leute, die total allein sind. Ehepaare, die sich total verkracht haben. Und das soll der Himmel sein?
Nein, das ist nicht der Himmel! Aber ein Stück vom Himmel. Und das nicht nur, weil eine himmlische Kon-fergruppe im letzten Jahr hier oben zu Hause war. Ich habe für heute ein paar Sätze von Jesus ausgesucht, die etwas vom Himmel erzählen. Vom Himmel als dem Ort, an dem Gott ist, an dem Leben endlich so ist, wie Gott es gewollt hat. „ Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.“ Das sagt Jesus. Der Himmel ist für mich kein Ort, an den man kommt, wenn man gestorben ist und vorher brav war. Sondern der Himmel ist etwas, was in kleinen Stücken schon auf dieser Welt sein kann. Noch nicht perfekt, noch nicht 100%, aber so, dass ich schon merken kann, wie viel tolle Sachen Jesus für uns gemacht hat und noch macht und erst recht machen wird. Und da bin ich wieder am Richtsberg und bei den Konfis: Wenn Jesus sagt, dass im Haus Gottes viele Wohnungen sind, dann heißt das: jede und jeder hat seinen eigenen Platz bei Gott. Es gibt keinen riesigen Saal, in dem alle gleich sein müssen, Uniform tragen, damit man nicht auffällt, einen Platz, an dem nur die Masse zählt und dass man in der Masse nicht auffällt, sondern Jesus schenkt uns Raum zum Leben, Raum ein eigener Mensch zu sein. Was ich an euch als Konfergruppe richtig super fand, war, dass ihr niemanden ausgegrenzt habt. Klar, es gab Freundschaften, die schon vor Konfer da waren. Lara und Milena oder Carina und Viki oder Marc und Mika zum Beispiel. Es gab auch welche, die kannten vorher niemanden, wie Ela zum Beispiel, und die haben hier Freunde gefunden. Oder es gab, gerade bei den Jungs, ganz viele Supererfahrungen miteinander, ich sag da nur Egli! Es gab welche, die waren immer mittendrin und welche, die waren eher ruhiger. Aber egal, wo der Platz war: immer war klar: der oder die gehört dazu. Und auch dann, wenn manches am anderen so war, dass man selber es nicht verstanden hat oder es anders gemacht hätte. Für mich ein kleines Stück Himmel, so wie ich glaube, dass Jesus es gewollt hätte.
Und da bin ich beim Richtsberg: Hier gibt es eben viele verschiedene Leute. Anstrengende und weniger anstrengende. Und in einem großen Mietshaus mit vielen Wohnungen kriege ich auch manches mit, was mich nervt. Himmel heißt nicht, dass Gott nur für die da ist, die so ticken wie ich selber, sondern dass Gottes Liebe auch für die Platz hat, die ich eigentlich nicht so gern in meiner Nachbarschaft hätte. Und von hier aus wird vielleicht auch langsam klar, warum Jesus zuallererst sagt: „Euer Herz erschrecke nicht!“ Jeder redet so gern von Liebe, auch ich als Pfarrer mach das gern. Aber halte ich das überhaupt aus, die große Liebe Gottes? Ich krieg schon manchmal einen Schreck, wenn ich darüber nachdenke, wie groß die Liebe von Jesus ist und dass meine Liebe nie so groß werden kann. Deshalb finde ich es auch wirklich super, dass Jesus sagt: es gibt viele Wohnungen. Ich hab meinen Platz. Auch dann, wenn ich die anderen mal kaum aushalte und Fragen habe und Zweifel. Ich gehöre dazu. Ich darf mitwohnen. Ich werde auch Dinge mitkriegen, die mich vielleicht stören. Aber Gott gönnt mir meinen Platz. Und der darf anders sein als der von anderen. Anders als der von Daniel oder Ursel, von Milena oder Marc, von Flo oder Michael, von Christian oder Alina, von Aurelia oder Vicki. Als Konfi darf ich anders sein als der Pfarrer oder die Mitarbeiter, als Eltern darf ich anders sein als die Kinder und umgekehrt. Nicht immer leicht auszuhalten, aber wichtig und richtig und gut. Mich als Pfarrer erschreckt das manchmal schon, dass Konfis sich anders entwickeln, als ich es gern hätte. Und Eltern erschreckt das erst recht, dass Kinder ganz anders sein können, als man sie gern hätte und Kinder erschreckt das auch, dass Eltern nicht immer so sind, wie man sie gern hätte oder bräuchte. „Euer Herz erschrecke nicht! In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen!“ Gut, dass die Liebe von Gott und Jesus größer ist als meine Liebe. Gut, dass ich wissen kann: auch bei den Leuten, mit denen ich mich schwer tue, hört Gottes Liebe nicht auf. Gut, dass ich wissen kann: Auch wenn meine Eltern nicht so sind, wie ich sie gern hätte, gehört ihnen Gottes Liebe. Auch wenn mein Kind Wege geht, die ich nicht verstehe, liebt Gott es doch.
Vielleicht ist das Erschrecken im Moment bei manchen aber auch ganz anders. Da geht heute ein Jahr zu Ende, in dem man viel Schönes erlebt hat, in dem man gespürt hat, dass Jesus für einen da ist – wie wird das jetzt weitergehen, wo Konfer aufhört? Klar, es gibt Angebote. Konfi Reloaded, Teensclub, jeden Sonntag supercoole Gottesdienste „zwinker, zwinker“. Aber schaffe ich es auch, wenn alles freiwillig ist und die Schule noch anstrengender wird, an Gott zu glauben und weiter nach Jesus und seiner Liebe zu suchen? Vielleicht ist so ein bisschen Erschrecken da, dass das, was jetzt gewachsen ist, langsam verlorengeht.
Die Angst hatten die Jünger von Jesus, denen er zuerst die Sätze, die auf dem Gottesdienstblatt stehen, gesagt hat, auch. Der zweite Satz ist deshalb ganz wichtig. „Glaubt an Gott und glaubt an mich“. Eigentlich wäre es besser, zu sagen: Glaubt Gott und glaubt ihm, glaubt Jesus. Glaube nicht an alte Sätze oder an Gebäude oder so was, sondern glaube, dass Gott dich liebt. Vertrau drauf, dass Gottes Liebe groß genug ist, dich auch dann zu lieben, wenn du mal wieder am suchen bist oder dabei bist, was richtig in den Sand zu setzen. Vertrau drauf, dass Gott dich überall rausholen kann und will und dass Du gemeint bist. So wie Gott mit seiner Liebe auch die Alkoholiker meint, die hier viele stören, die Jugendlichen, die nicht so nett sind, wie ihr das seid, die Lehrer, die ungerechte Noten geben, die besten Freunde, die Eltern und Großeltern, die nervigen Geschwister, den Pfarrer, die Mitarbeiter, die Leute, die wir gern als Nachbarn haben und die Leute, die es einem so schwer machen, dass man am liebsten umziehen würde.
Vertrau drauf, dass du geliebt wirst und liebenswert bist. Glaub Gott. Glaub Jesus, dass er es ernst mit dir meint. Und dich nicht nach dem ersten oder zweiten Streit ver-lässt. Vielleicht hat Konfer ja dazu geholfen, der Liebe zu glauben. Wäre cool.
Musik an, HipHop: „Cool, kannst du mal n bisschen lau-ter machen, ich versteh den Text so schlecht!“ Orientali-sche Musik „Ey krass, so Musik kenn ich gar nicht“ Volksmusik: „Man, es gab ja schon Musik vor der Erfin-dung der CDs“
Manchmal kann’s auch so gehen. Manchmal ist es auch schön, Mitbewohner zu haben, die unsere Gedanken wei-ter werden lassen. Gut, dass Gott uns nicht allein lässt. Dass er mir meine Wohnung gibt, in der ich sein darf. Weil er mich liebt. Gut, dass er mir Nachbarn gibt, die er auch liebt. Gut, dass es euch gibt.
Amen
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