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Dienstag, 8. Mai 2012

Mehr als Musik... - Kantate, 8.5.2012, Marginaltext

Die Überschrift ist "geklaut" von Davee (Einfach guter Song!)
Text (später verlesen): 1. Samuel 16, 14-23
Liebe Gemeinde!


Über Musik reden, das geht eigentlich gar nicht. Natürlich kann man Musik beschreiben und auseinandernehmen, man kann dicke Bücher darüber schreiben und wunderbar streiten, welche Musik in die Kirche gehört und welche nicht, welche Musik schön ist und welche nicht, aber das sind alles nur Nebenschauplätze. Musik lebt davon, dass sie anders ist als Sprache. Für mich ist sie ein ganz großes Geschenk Gottes, weil sie Menschen erreicht, die durch Sprache nicht mehr oder noch nicht zu erreichen sind, weil sie es schafft, Menschen zu verbinden, die ganz verschiedene Sprachen sprechen und die sich durch Worte nicht verstehen würden. Musik ist ein großes Geschenk von Gott, weil sie Menschen in ganz traurigen Momenten aufrichten kann, weil sie Kraft, Power geben kann, wenn jemand ganz unten ist. Sie ist ein ganz großes Geschenk von Gott, denn ich glaube, sie verhindert manchmal auch Gewalt. Es gibt ja nicht nur so positiven Rap, wie wir ihn eben gehört haben, da gibt es noch ganz andere Sachen und manchmal berichten seriöse Zeitungen ganz aufgeregt, wie hart die Sprache da ist. Aber ich glaube, dass diese harte Sprache manchen hilft, Aggressionen so los zu werden, dass sie eben nicht zuschlagen oder zerstören, sondern ihre Aggressionen anders loswerden können. Kann man sicher lange und gut drüber streiten, wie über Musik insgesamt. „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder“ – diesen Vers aus dem 98. Psalm werden wir am Ende des Gottesdienstes nochmal als Begleitung für die nächste Woche hören. Ja, Gott ist wunderbar und er tut Dinge, über die wir nur staunen können, weil unser Verstand gar nicht groß genug ist, sie zu wirklich verstehen. Und wenn vom Gefühl her nichts anderes übrigbleibt, als einfach nur zu staunen, „wow“ zu sagen und wenn „Danke“ einem einfach viel zu wenig zu sein scheint, warum denn nicht singen, alte Lieder, neue Lieder, einfach Gott ein Stück von seinem großen Geschenk Musik zurückschenken? Aber was ist die richtige Musik für Gott? Von dem Schweizer Theologieprofessor Karl Barth, der vor gut 40 Jahren gestorben ist, wird erzählt, dass er mal gesagt hat: „Wenn die Engel im Himmel Gott loben, spielen sie Bach und wenn sie für sich selbst musizieren, spielen sie Mozart“. Für mich ganz tolle Musik, die ich manchmal richtig gern höre. Und wenn aus dem Weihnachtsorato-rium der Chor „Jauchzet, frohlocket“ erklingt, dann habe ich ein unglaublich gutes Gefühl. Und Mozarts Requiem nimmt dem Tod zwar nicht den Schrecken, aber schafft es bei mir auch, auf eine fast überirdische Weise ein Gefühl von Geborgenheit trotz aller bösen Erfahrungen entstehen zu lassen. Aber ich glaube nicht, dass die Engel vor Gott und für sich nur Musik spielen, die von studierten Musikern, Doktoren und Professoren für wertvoll erachtet wird. Ich glaube, dass es auch Rap- und HipHop-Engel, Rock- und Pop-Engel, Schlager- und Volksmusikengel gibt.
Ich glaube schon, dass Gott alle Styles gefallen, wenn man damit ausdrückt: „Danke, Gott, dass du uns so tolle Möglichkeiten gegeben hast, danke, dass du mich rausholen willst, wenn ich mich ganz unten fühle, danke, dass es so viele Möglichkeiten und Chancen gibt, mit dir in Kontakt zu kommen!“ Und ich glaube auch, dass Gott sich darüber freut, wenn wir unsere Stimme einfach benutzen und aus vollem Herzen singen, auch wenn sich das nicht immer perfekt hört und wir nicht immer die richtigen Noten treffen. Gott wollte, dass wir ganz unterschiedlich sind. Erst in der bunten Vielfalt der Menschen, als Männer und Frauen, als Menschen mit verschiedener Hautfarbe und verschiedenen Sprachen sind wir das Ebenbild Gottes. Wenn Gott so viel Vielfalt will und zulässt, wieso sollte er dann einen so einseitigen Musikgeschmack haben und nur Bach und Paul Gerhard ihm angemessen sein? Es ist ihm angemessen, keine Frage, weil das Musik ist, die Menschen berührt und die Menschen gute Botschaften von Gott vermittelt, die ich selbst oder noch viel schlauere Menschen als ich auch mit den besten Predigten nicht hinkriegen würden. Und genau das ist der Punkt. Andere Menschen berührt andere Musik und Gott tritt auf seine Weise auch über Musik mit uns in Kontakt. Davon erzählt auch eine Geschichte aus dem Alten Testament, aus dem 1. Buch Samuel:

1. Samuel 16,14-23

Wenn man von der etwas altertümlichen Ausdrucksweise und dem Drumherum von König und Hirten mal absieht, ist das eigentlich eine ganz moderne Geschichte. Musik hilft bei Depressionen. König Saul ist anscheinend sehr depressiv, zu Zeiten, in denen es noch keine Psychiater gab, hieß es eben: er hat einen bösen Geist von Gott, der ihn ängstigt. Und seine Berater haben eine Ahnung davon, dass gut gemeinte Worte da nicht helfen, sondern dass Musik her muss. David schien nicht nur ein guter Musiker zu sein, sondern auch sonst viele Qualitäten zu haben und so wurde er engagiert. Die Chemie zwischen dem Musiktherapeuten und dem Patienten stimmte und Davids Musik machte Sauls Depressionsschübe erträglich. So weit, so richtig, so modern.

Aber es lohnt sich, noch mal ein bisschen hinter die Ge-schichte zu schauen. Da ist zum Beispiel der Grund, wa-rum Saul depressiv wird. Saul hatte sich nicht nach dem gerichtet, was Gott wollte, sondern ihm war wichtiger, dass er vor den Menschen gut da stand. Weil er Angst vor den Menschen hatte, hat er Gottes Gebote nicht be-folgt. Es ging um Bereicherung nach einem Krieg. Die ständige Frage: „Wie stehe ich vor den anderen da?“, der ständige Wunsch, Menschen mehr als Gott gefallen zu wollen, die Versuchung, sich zu bereichern an Dingen, die einem nicht gehören und die einem nicht zustehen, bringen weg von Gott und diese Trennung von Gott er-fährt Saul als Depression.

Ich glaube, dass das eine sehr moderne Einsicht ist und wieder zeigt, wie aktuell die Bibel ist, wenn man mal hinter die Kulissen schaut. Wenn ich mich vom Grund meines Lebens abwende, wenn ich zu sehr danach schaue, was andere von mir denken, wie ich vor anderen gut dastehe, wie ich mich bereichern kann, dann werde ich auf Dauer krank. Was ich an dieser Geschichte so faszinierend finde, ist dann auch wieder das, was Sauls Depressionen lindert, was ihn zumindest ein Stück weit wieder näher zu Gott bringt. Es ist eine Mischung aus menschlicher Nähe und Musik. Es lässt sich nicht ge-geneinander ausspielen. Es ist nicht nur die Musik, es ist nicht nur die menschliche Nähe. Musik kann viel, aber nicht alles. Menschen können viel, aber nicht alles. Gott verbindet beides, damit Menschen mit ihm in Verbin-dung kommen. Und ich glaube, dass er das bis heute tut. Für die einen vielleicht in wunderbarer klassischer Chormusik. für die andere in Gospeln. Für wieder andere in einem als Konzertbesuch mit Menschen, die einem was bedeuten, für die nächsten vielleicht im gemeinsamen Musik machen. In Rap und Schlager, in Rock und Klassik, in gregorianischen Chorälen und Volkmusik, in barocker Schönheit oder schlichtem Punk – und vor allem dann, wenn Musik miteinander erlebt wird. Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder. Auch heute noch. Singt dem Herrn ein neues Lied – ja, es darf wirklich auch neu sein. Muss aber nicht. Singt dem Herrn eine neues Lied, denn er tut Wunder. Halleluja. Gelobt sei Gott.

Amen.

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