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Sonntag, 12. Juni 2011

Tschüss, Pfüati, Adieu - Pfingsten 2011, 12.06.2011, Reihe III

Text: Johannes 16,5-15 (diesmal aus der BASISBIBEL gelesen)

Liebe Gemeinde!


Tschüss – oder eher geflötet: Tschühüss! Auf Wiederse-hen! Ciao! Bis bald! Wir sehen uns! Hau rein! Mach’s gut! Adieu! Servus! Pfüati! Bye! Bleib sauber!

Es gibt unglaublich viele Arten, sich zu verabschieden. Ich weiß nicht, welche sie bevorzugen, welche eure liebste ist. Sicher hängt es oft davon ab, von wem man sich verabschiedet. Von den Eltern verabschiedet man sich anders als von der Freundin, von der Nachbarin anders als vom Enkelkind. Wenn man denkt, dass man sich bald wiedersieht anders, als wenn das Wiedersehen ungewiss ist. Wenn ich zu einem Schwerstkranken oder einem Menschen, der im Sterben liegt, gerufen werde, finde ich ein „Auf Wiedersehen“ eher unpassend. Und mit „Hau rein! Wir sehen uns! oder: Bye!“ verabschiede ich mich auch nicht von meiner Frau. Gibt es so etwas wie die richtige, immer passende Form der Verabschiedung? Vielleicht hat sich das ursprünglich eigentlich ja rein auf Norddeutschland beschränkte „Tschüss“ dazu entwickelt. Manchen, vor allem älteren, ist das vielleicht zu locker, manchen jüngeren nicht cool genug. Aber benutzt wird es von fast allen. Ich finde das schön. Mir würde auch „Pfüati“ gefallen, aber für einen Nichtbayern ist das doch etwas schwer auszusprechen. „Pfüati“ meint nichts anderes als: „Gott führe dich auf deinem weiteren Weg“. Und „Tschüss“ ist nichts anderes als die norddeutsche Form des französischen und etwas aus der Mode gekommenen „Adieu“ – „Mit Gott“. Tschüss heißt nichts anderes als „Gehe deinen Weg mit Gott“ – kann’s einen schöneren Wunsch bei einer Verabschiedung geben? Tschüss – geh deinen Weg mit Gott, er geht ihn auch mit dir. Egal, ob wir uns bald wiedersehen oder lange Zeit getrennt sein werden. Egal, ob ich den Abschied voller Vorfreude auf das, was kommt, kaum erwarten kann, oder ob es ein Abschied für immer sein wird und nur noch die Hoffnung und der Glauben bleiben, dass der Tod nicht das Allerletzte ist, sondern dass Gott mehr für uns bereit hält. Tschüss, Adieu, Pfüati!

Genau das sagt Jesus eigentlich auch seinen Freunden, den Jüngern, den Menschen, mit denen er den Abend vor seiner Verhaftung und Kreuzigung verbringt. Ich habe es eben als Predigttext vorgelesen. Ich habe jetzt nicht die Jahreszeit verwechselt. Ich weiß, dass wir Pfingsten haben und nicht die Passionszeit, kurz vor Os-tern. Aber in diesem Jahr ist nun einmal dieser Abschnitt aus dem Johannesevangelium als Predigttext vorgesehen. Jesus sagt: „Tschüss!“ Und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr wird dieses „Tschüss“ für mich tatsächlich zu einer fröhlichen oder wenigstens froh machenden Botschaft für Pfingsten. „Tschüss!“ – „Geht mit Gott!“ Nehmt Abschied, ihr müsst es tun. Haltet euch nicht am Vergehenden und Gewohnten fest. Geht ins Leben, aber seid gewiss: auf eurem Weg ist Gott mit euch. „Tschüss“ eben, nicht „Macht’s gut!“. Nicht ihr müsst irgendwas gut machen,
sondern bevor ihr was gut machen könnt, wird für euch was Gutes gemacht werden. Eine frohe Botschaft, die aber auch die traurigen Seiten nicht verschweigt. Ich sage es immer wieder gern: was ich so toll an der Bibel finde ist, dass sie uns nichts über das Leben erzählt, was falsch wäre. Sie sagt nicht: das Leben ist immer toll und wenn du nur fest genug glaubst und immer ganz nahe bei Gott bist, wird alles super laufen und es wird keine Zumutungen in deinem Leben eben. Die Bibel sagt: Das Leben ist voller Zumutungen und es ist auch manchmal traurig. Auch für die, die ganz nahe bei Jesus sind. Aber du kannst das aushalten, weil du in deinem Leben nicht allein bist. Du kannst wirklich leben. Nicht in einer Scheinwelt, sondern in der Wirklichkeit. Da kriegst du den Beistand, den du brauchst. Davon erzählt Jesus hier seinen Freunden, die am Abend vor seinem Tod bei ihm sind. Und das gilt auch für uns, viele, viele Jahre später. „Doch ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, wenn ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, kommt der Beistand nicht zu euch. Aber wenn ich fortgehe, werde ich ihn zu euch schicken.“ Ich finde es unglaublich gut, was Jesus hier sagt. Damit Neues beginnen kann, muss Abschied genommen werden. In manchen Bibelübersetzungen heißt es statt „Beistand“ auch „Tröster“. Aber „Tröster“ ist eigentlich zu wenig. Jesus meint „Beistand“ in einem ganz großen Sinn. Nicht nur den, der für einen da ist, wenn man traurig ist. Sondern eine Kraft, die hilft, das Leben wirklich zu entdecken. eine Kraft, die einem hilft, die Wahrheit zu sehen und auszuhalten. Eine Kraft, die hilft, im Sinn Gottes, in der Nachfolge Jesu zu leben, auch in den Momenten, in denen es gut läuft. Manchmal ist doch gerade das die Schwierigkeit. Wenn es mir schlecht geht, dann denke ich an Gott, dann erhoffe ich mir Hilfe von ihm, dann tröstet mich der Gedanke, dass einer da ist, der auf mich aufpasst und dem etwas an mir liegt. Und wenn’s mir gut geht? Dann denke ich doch, alles könnte aus eigener Kraft immer so weitergehen. Gott ist manchmal gerade in guten Zeiten in meinen Gedanken viel weiter weg als in schwierigen Zeiten. Und wenn ich jetzt „meinen Gedanken“ gesagt habe, dann meine ich das auch so. Und ich glaube nicht, dass ich mit dieser Erfahrung allein bin. Aber dann sehe ich auch, dass Gottes Beistand Menscen, denne es gut geht, zu etwas motiviert. Ich bin dankbar, dass wir es in nicht einmal vier Wochen geschafft haben, über 11.000 Euro für unsere geplante Jugendarbeiterstelle zu bekommen. vor acht wochen hätte ich das nie für möglichgehalten. Ich bin dankbar, dass Gottes Beistand, Gottes Geist junge Menschen bei uns motiviert hat, sich in Konfer zu engagieren und ihre guten Glaubenserfahrungen weiterzusagen. Ich bin dankbar, dass Gottes Geist auch ältere menschen bewegt, sich bei dden senioren, im Kirchenvorstand und anderswo nach ihren Gaben für Gottes Wort einzusetzen. Da ist für mich Gottes Beistand am Wirken, der Geist, den Jesus verheißt, gerade auch für die guten Zeiten. Und deshalb ist für mich das Wort "Tröster" viel zu klein.

Gottes Geist zeigt uns die Wahrheit über das Leben. Der Beistand, der uns Gottes Herrlichkeit und Jesus zu erkennen hilft, zeigt uns, wie Leben wirklich gut sein kann. Und dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit eher unangenehmen Dingen. Mit Schuld zum Beispiel. Schuld heißt, nicht an Gott zu glauben, steht hier. Klar, auch jemand, der mit Gott absolut nichts am Hut hat, kann gute Dinge tun und mancher, der sich auf Gott beruft und denkt, er hätte einen tollen Glauben, tut ganz furcht-bare Dinge. Aber genau das ist doch die Abkehr von Gott. Die Abkehr von Gott, von seinem Beistand und seinem Geist, passiert doch da, wo ich denke, dass es genügt, nach außen so zu tun, als wäre alles in Ordnung und als wäre ich ein frommer Mensch, als hätte ich keine Vergebung nötig. Schuld entsteht da, wo ich Gottes Willen, den Willen zum Leben, zu Recht und Ge-rechtigkeit, zur Erlösung für die Menschen nicht wahr-haben will. Schuld entsteht da, wo ich Menschen von mir abhängig mache, wo Unterdrückung herrscht, weil sich Menschen wie Gott aufspielen. An Gott glauben heißt vor allem, darauf zu vertrauen, dass er allein und kein Mensch die letzte Wahrheit weiß. Schuld entsteht da, wo ich etwas oder jemand anders, im Zweifel mich selbst, an Gottes Stelle setze. Das ist eine Wahrheit, die der Geist uns zu erkennen gibt. eine andere ist die, dass Gott und Jesus wirklich eins sind. Jesus ist kein Möchtegerngott, kein Guru. Er ist mehr als ein bloßer Lehrer. In ihm begegnet Gott. Und deshalb ist es ein Ausdruck der Gerechtigkeit, dass er, der zu Gott gehört, mit Gott vereinigt sein wird. Gerechtigkeit ist oft nicht sichtbar. Aber sie geschieht dort, wo nach den Vorstellungen Gottes gelebt wird. Und dazu gehört eben auch die Vergebung, für die Jesus einsteht. Und die Wahrheit, die der Beistand sichtbar werden lässt ist die, dass die ungerechten und egoistischen Zustände in dieser Welt nicht von Dauer sein werden. Wenn Leben mehr ist als die Zeitspanne zwischen Geburt und Tod, dann wird das, was das Leben hier schwer macht, auf Dauer keinen Bestand haben. Diejenigen, die auf Kosten der Schwachen leben, die andere ausnutzen, die zum Hass gegen andere anstacheln, die werden sich auf Dauer nicht durchsetzen. Natürlich ist das auch 2000 Jahre, nachdem diese Worte aufgeschrieben wurden, noch längst nicht erfüllt. Aber der Beistand, der Tröster, der Geist, den Jesus verheißt, gibt die Kraft, das alles nicht nur auszuhalten, sondern gegen Unrecht aufzustehen und etwas zu tun. In dem wissen, dass ich das nicht alles schaffen werde und auch Fehler mache. In dem Vertrauen, dass Gott unsere Bemühungen um Frieden und Gerechtigkeit bei sich zu Ende bringen wird.

„Tschüss“ – geht mit Gott in diese Welt. Das gibt Jesus seinen Freunden mit. Ihr braucht mich nicht direkt zu sehen, um das Leben dort auszuhalten, um etwas von der Herrlichkeit der Liebe Gottes zu spüren. Ihr habt einen Beistand in dieser Welt. Das ist das Versprechen von Pfingsten. Gottes Geist, der zum Leben anstiften und Mut machen will. Und deshalb höre ich jetzt auch endlich auf und sage: Tschüss – geht mit Gott ins Leben.

Amen.

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